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MELDUNG/1663: Auch Urgewalt findet ihren Meister (SB)



Artur Beterbijews verbale Kampfansage an Sergej Kowaljow

Der russische Halbschwergewichtler Artur Beterbijew kann auf eine lange Amateurlaufbahn zurückblicken, während der er 2008 in Beijing und 2012 in London für sein Land bei den Olympischen Spielen antrat, ohne freilich eine Medaille zu gewinnen. Nach seinem Wechsel ins Profilager galt er rasch als einer der talentiertesten Kandidaten im Feld künftiger Titelaspiranten. Sein kanadischer Promoter Yvon Michel führte ihn zügig an namhafte Gegner heran, und so besiegte der Russe im September 2014 mit Tavoris Cloud seinen bislang prominentesten Kontrahenten in nur zwei Runden.

Inzwischen hat der 30jährige Beterbijew sieben Profikämpfe gewonnen, die er ausnahmslos vorzeitig beenden konnte. Er wird in der Rangliste des Verbands WBA an elfter Stelle und bei der WBO an Nummer 15 geführt. Am 4. April trifft der Russe in Quebec City auf den Spanier Gabriel Campillo, für den 25 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Der 36 Jahre alte Spanier war von August 2009 bis Januar 2010 WBA-Weltmeister, worauf er den Titel durch eine umstrittene Entscheidung an den Kasachen Beibut Schumenow verlor.

Ein Angebot Isaac Chilembas, gegen den Russen anzutreten, wurde von Beterbijew und dessen Promoter ausgeschlagen. Da Chilemba in den Ranglisten des WBC (2), der WBO (6) und der IBF (7) erheblich bessere Positionen innehat, kann man vermuten, daß er vorerst als zu riskanter Gegner eingeschätzt wurde.

Nachdem sich sein Landsmann Sergej Kowaljow jüngst eindrucksvoll gegen den Kanadier Jean Pascal durchgesetzt und damit als Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF seine Führungsposition im Halbschwergewicht unterstrichen hat, meldet sich Artur Beterbijew nun zu Wort. Da er Kowaljow vor Jahren im Amateurlager besiegt hat, fühlt er sich dazu in der Lage, dasselbe in einem Titelkampf wiederholen zu können. Bis es dazu kommen könnte, wird allerdings noch einige Zeit verstreichen, da er zunächst in den Ranglisten aufsteigen muß.

Beterbijew wird sich in dem auf zehn Runden angesetzten Kampf gegen Gabriel Campillo aller Voraussicht nach vorzeitig durchsetzen. Der Spanier kann zwar eine wesentlich größere Erfahrung ins Feld führen, dürfte aber der druckvollen Kampfesweise und enormen Schlagwirkung des Russen auf die Dauer wenig entgegenzusetzen haben. Wie dieser ankündigt, wolle er das Publikum gut unterhalten und sich weiter verbessern, bis er eines Tages auf Sergej Kowaljow treffen und ihn erneut besiegen werde.

Sofern beide Boxer ihre Siegesserie fortsetzen können, werden sie sich zweifellos ein zweites Mal im Ring begegnen. Fürs erste muß der Weltmeister freilich wesentlich schwerere Brocken aus dem Weg räumen, da er aller Voraussicht nach im Herbst endlich auf den WBC-Champion Adonis Stevenson trifft. Der Ausgang des Jahre zurückliegenden Amateurkampfs zwischen Beterbijew und Kowaljow ist von geringer Aussagekraft, zumal sich letzterer enorm verbessert und im November Bernard Hopkins klar dominiert hat. Beide verfügen über eine enorme Schlagwirkung, so daß man vorerst allenfalls mutmaßen kann, wie die beiderseitigen Stile ineinandergreifen.

Beterbijews Gefährlichkeit resultiert daraus, daß er vorzugsweise auf der Innenbahn angreift und den Gegner aus kurzer Distanz mit wuchtigen Schlägen zu Kopf und Körper traktiert. Auf diese Weise läßt er seinem Kontrahenten wenig Raum, seinerseits Schläge auszuteilen, sofern dieser nicht ebenfalls in dieser Enge bewandert ist. Selbst wenn Beterbijew geklammert wird, bekommt er zumeist einen Arm frei, mit dem er weiter zuschlägt. Der Russe trainierte jüngst beim Sparring mit Blake Caparello, der im August 2014 in der zweiten Runde gegen Kowaljow verloren hat. Caparello ist voll des Lobes über Beterbijews Urgewalt und schließt nicht aus, daß dieser selbst Sergej Kowaljow durch den Ring treiben könnte. [1]

Bis es soweit ist, müßte sich Beterbijew vergleichsweise leichteren Gegnern wie Isaac Chilemba stellen, der als ausgesprochen zäher Boxer gilt und erheblich schneller als Campillo agiert. Chilemba verfügt über keine ausgeprägten Fähigkeiten auf der Innenbahn und ist dort viel leichter zu treffen als aus der Distanz. Ein Sieg Beterbijews wäre in diesem Fall absehbar und eine weitere Steigerung, aber noch längst kein Maßstab, was Sergej Kowaljow betrifft. Bernard Hopkins, der es meisterhaft versteht, gefährliche Gegner nicht zur Entfaltung kommen zu lassen und sie auch in der Nahdistanz zu neutralisieren, kam zwölf Runden lang kaum an den Russen heran, der mit seinem gefährlichen Jab den Kampf diktierte und darüber immer wieder seine gefürchtete Schlaghand ins Spiel brachte.

Träfen die beiden Russen heute aufeinander, wäre Artur Beterbijews Schicksal besiegelt, da seine Angriffe im Sperrfeuer Kowaljows zum Erliegen kämen und er Gefahr liefe, sich einen Volltreffer einzuhandeln. Weder war bislang eine solide Deckung seine Stärke, noch bereitete er seine Attacken mit dem Jab vor. Das war insofern auch nicht nötig, als er seine Gegner derart bedrängte, daß sie kaum Gelegenheit fanden, aus der Distanz zu boxen und Raum für eigene Angriffe zu schaffen. Diese Vorgehensweise mag gegen die allermeisten Akteure der Gewichtsklasse ausgezeichnet funktionieren, dürfte sich aber im Falle Kowaljows als verhängnisvoll erweisen.

Für Artur Beterbijew gilt es also im Profilager noch einiges zu lernen, was er im übrigen selber schon mehrfach zum Ausdruck gebracht hat. Seine verbale Kampfansage an den prominenten Landsmann sattelt auf dessen Popularität auf und ist vorerst vor allem als Beterbijews Werbung in eigener Sache zu sehen, der sehr wohl weiß, daß die Vorschußlorbeeren, mit denen man ihn reichlich bekränzt hat, schnell vertrocknen können. So schmiedet er sein Eisen nicht nur über der eigenen Esse, sondern auch im Feuer Kowaljows, was durchaus dazu beitragen könnte, seinen Weg zum Titelkampf abzukürzen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/beterbiev-i-will-beat-sergey-kovalev-again/#more-189580

21. März 2015


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