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MELDUNG/1748: Der Thronfolger schärft seine Waffen (SB)



Deontay Wilder vervollkommnet seine beidhändige Schlagwirkung

Am 26. September verteidigt Deontay Wilder den Titel des Verbands WBC im Schwergewicht in den USA. Während Austragungsort und Gegner noch gefunden werden müssen, steht bereits fest, daß der Kampf im Rahmen des Formats "Premier Boxing Champions" vom Sender NBC kostenlos für ein breiteres Publikum übertragen wird. Nach Angaben Dan Rafaels von ESPN könnte der in 34 Profikämpfen ungeschlagene Champion auf Chris Arreola treffen, für den bislang 36 Siege und vier Niederlagen zu Buche stehen. Dieser muß jedoch zunächst einen Kampf über zehn Runden gegen Freddy Kassi gewinnen, der am 18. Juli in El Paso ausgetragen und bei Showtime zu sehen sein wird. [1]

Mit Chris Arreolas Karriere ging es seit der Niederlage gegen Vitali Klitschko im Jahr 2009 tendenziell bergab. Er mußte sich 2010 dem aus dem Cruisergewicht aufgestiegenen Polen Tomasz Adamek geschlagen geben. Danach konnte er zwar sieben Auftritte in Folge für sich entscheiden, doch handelte es sich dabei um keine Gegner der allerersten Garnitur. Als er schließlich wieder auf einen gefährlichen Kontrahenten traf, fand er 2013 in Bermane Stiverne seinen Meister, der ihn klar dominierte. Arreola zeigte sich gut erholt, als er im September 2013 den bereits recht populären Seth Mitchell schon in der ersten Runde bezwang. Dieser hat seither nicht mehr im Ring gestanden und scheint seine Laufbahn als Boxer beendet zu haben.

Vor der Revanche gegen Stiverne im Mai 2014 schien Arreola in besserer Verfassung als bei ihrem ersten Aufeinandertreffen zu sein, doch unterlag er dem Kanadier in der sechsten Runde. Da der nach dem Abschied Vitali Klitschkos vakante WBC-Titel auf dem Spiel stand, war es Arreola auch im zweiten Anlauf nicht gelungen, Weltmeister zu werden. Nach dieser Enttäuschung legte er eine Pause von zehn Monaten ein und wirkte nicht wie ein Boxer in Bestform, als er bei seiner Rückkehr im März den Aufbaugegner Curtis Harper über acht Runden nach Punkten besiegte. Sein kommender Gegner Freddy Kassi, der 18 Auftritte gewonnen und drei verloren hat, sollte einen Schwergewichtler, der bereits zweimal um den Titel gekämpft hat, eigentlich vor keine Probleme stellen. Die große Frage ist jedoch auch in diesem Fall, wie gut sich der Favorit vorbereitet hat und mit welchen körperlichen Voraussetzungen er demzufolge in den Ring steigt.

Für Deontay Wilder ist die freiwillige Titelverteidigung im September eine Zwischenstation auf dem Weg zu dem anspruchsvollen Kampf gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin, mit dem er es voraussichtlich Anfang 2016 zu tun bekommt. Der hochgewachsene US-Amerikaner hatte sich den Gürtel des WBC durch einen unangefochtenen Punktsieg über Bermane Stiverne gesichert, der ihm nach einer Serie vorzeitiger Siege erstmals einen Gang über volle zwölf Runden abnötigte. Allerdings boxte Wilder den überwiegenden Teil dieses Kampfs mit einer gebrochenen rechten Hand, so daß er seine gefürchtete Schlagwirkung nicht entfalten konnte.

Bei seiner ersten freiwilligen Titelverteidigung traf Wilder im Juni auf Eric Molina, der sich in der neunten Runde geschlagen geben mußte. Der Weltmeister hätte sich vermutlich schneller durchsetzen können, schien aber zunächst zu prüfen, ob er von seiner Rechten wieder schmerzfrei und uneingeschränkt Gebrauch machen konnte. Allerdings boxte er über weite Strecken so vorsichtig, als wolle er einen Konter des Herausforderers um jeden Preis vermeiden. Mit steigender Rundenzahl kam dann aber doch Wilders Schlaghand besser zur Geltung, und so landete Molina insgesamt viermal auf den Brettern, bis es schließlich um ihn geschehen war.

Einen dieser Niederschläge erzielte Wilder mit einem sehenswerten linken Haken zum Kopf des Gegners, der seine Fortschritte unterstrich, mit beiden Händen nachhaltige Wirkungstreffer zu landen. Da seine Rechte bereits als die gefährlichste im Schwergewicht gilt, vervollkommnet er sich inzwischen beidhändig zu einem Boxer, der in absehbarer Zeit die Führung in der Königsklasse für sich reklamierten dürfte. In den Kämpfen gegen Stiverne und Molina arbeitete Wilder zudem mit einem vorzüglichen Jab, der gleichermaßen deutlich machte, daß sich der WBC-Weltmeister von Auftritt zu Auftritt weiterentwickelt.

Sollte es tatsächlich zum Kampf gegen Chris Arreola kommen, dürfte dieser allergrößte Probleme haben, sich Wilder zu nähern. In seinen beiden Duellen mit Bermane Stiverne machte ihm der hart geschlagene Jab des Kanadiers schwer zu schaffen, so daß Wilder wohl auf ähnliche Weise dominieren würde. Allerdings müßte er seine Rechte wesentlich häufiger als gegen Molina zur Wirkung bringen, da Arreola sicher alles daransetzen würde, das Blatt mit wilden Angriffen und wuchtigen Schwingern zu wenden.

Deontay Wilder, der bereits als Nachfolger Wladimir Klitschkos gehandelt wird, ist angesichts seiner deutlich erkennbaren Fortschritte zweifellos der gefährlichste Gegner seit Jahren, auf den der Ukrainer treffen könnte. Sollte es dem US-Amerikaner gelingen, sich wie erwartet gegen den mutmaßlichen Herausforderer Chris Arreola und danach insbesondere den profilierten Alexander Powetkin durchzusetzen, müßte Klitschko noch einmal über sich hinauswachsen, um seine Vorherrschaft im Schwergewicht zu behaupten, ehe er seine lange und erfolgreiche Karriere ausklingen läßt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/deontay-wilder-to-fight-on-september-26th-on-nbc-chris-arreola-a-possibility/#more-195767

10. Juli 2015


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