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MELDUNG/1757: Gedankenspiele zur Beschwichtigung des Unmuts (SB)



Hearn bringt Teper als möglichen Gegner Joshuas ins Gespräch

Der in dreizehn Profikämpfen ungeschlagene britische Schwergewichtler Anthony Joshua trifft am 12. September in der Londoner O2 Arena auf den wenig bekannten Gary Cornish, für den 21 Siege zu Buche stehen. Wenngleich auch sein Gegner noch nie verloren hat, tritt der 25jährige Joshua, der in der WBC-Rangliste bereits an Nummer zwei geführt wird, doch als haushoher Favorit an. Er hat bislang alle Auftritte frühzeitig gewonnen, was freilich nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß ihn sein Promoter Eddie Hearn mit alternden oder zweitklassigen Kontrahenten füttert.

Wie Joshua erklärt, hätte er nichts dagegen einzuwenden, endlich einmal einen Kampf über die volle Distanz von zwölf Runden zu bestreiten, um Erfahrung zu sammeln. Andererseits werde er sich aber auch nicht zurückhalten und eine absehbare Entscheidung hinauszögern. Da noch niemand seine Kondition auf die Probe gestellt hat, will er natürlich das Risiko nicht eingehen, sich bei längerer Kampfdauer unversehens einen schweren Treffer einzuhandeln.

Nach seiner Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London wechselte Anthony Joshua 2013 ins Profilager, wo er bisher nie länger als drei Runden im Ring stehen mußte, um den Sieg davonzutragen. Während der junge Brite vor drei Jahren knapp 100 kg auf die Waage brachte, hat er seither etwa 13 kg Muskelmasse zugelegt, die seinen Oberkörper wie ein Panzer umschließt. Diese Massivität erlaubt es ihm, schwächere Gegner in die Seile zu drängen, wo er so lange auf sie einschlagen kann, bis es um sie geschehen ist.

Ansonsten erweist sich diese Gewichtszunahme als kontraproduktiv, da Joshua langsamer geworden ist und eher schwächer zuschlägt als bei seinem Olympiasieg. Zudem dürften Gewicht und Versorgung der überflüssigen Muskelmasse bei längerer Kampfdauer das Durchhaltevermögen beeinträchtigen. Eddie Hearn wird das vermutlich nicht anders sehen, obwohl er Joshua längst als künftigen Weltmeister anpreist. Wenngleich der Ruf immer lauter wird, man solle diesem Anspruch mit der Wahl gefährlicherer Gegner gerecht werden, zeugt der Kampf um den vakanten Commonwealth-Titel gegen den als harmlos eingeschätzten Cornish vom Gegenteil. [1]

Früher oder später muß Anthony Joshua aber doch Farbe bekennen und größere Risiken eingehen. Im November oder Dezember soll ein Kampf um den ebenfalls vakanten britischen Titel gegen den bislang in vierzehn Profikämpfen ungeschlagenen Dillian Whyte über die Bühne gehen. Dieser hatte ihn 2009 im Amateurlager klar besiegt und dabei zweimal niedergeschlagen. Nun brennt Whyte darauf, dasselbe Kunststück im Profilager zu wiederholen, um den hofierten Nachwuchsstar zu entzaubern und womöglich als neue britische Schwergewichtshoffnung an dessen Stelle zu treten. Zuzutrauen wäre ihm das, da er im Laufe der Jahre offenbar noch besser geworden ist, was man für Joshua nicht gerade sagen kann.

Unterdessen versucht dessen Promoter, den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er den Namen des neuen Europameisters Erkan Teper als künftigen Gegner ins Spiel bringt. Dieser hat vor wenigen Tagen den Briten David Price in Ludwigsburg in der zweiten Runde besiegt. Wie Hearn erklärte, sei Price bekanntermaßen talentiert, aber aus welchen Gründen auch immer körperlich oder emotional so angeschlagen, daß ein Kampf gegen Joshua das letzte wäre, was er derzeit gebrauchen könne. Teper hingegen sei definitiv ein Ziel, das man im Auge behalte. [2]

Sollte sich Joshua gegen Whyte durchsetzen, wären Erkan Teper und dessen Titel des Europameisters in der Tat eine attraktive Option, die Karriere des Briten auf die nächsthöhere Stufe zu befördern. Allerdings ist Teper genauso schwer und nur geringfügig kleiner als Joshua, so daß dieser keine körperlichen Vorteile ins Feld führen könnte. Zudem bekäme er es mit einem Gegner zu tun, der mit beiden Händen aus der Nahdistanz gefährlich zuschlagen kann. Das bekam der 2,02 m große David Price zu spüren, der von Beginn an derart unter Druck gesetzt wurde, daß er seine überlegene Reichweite nicht ausspielen konnte. Teper ließ sich auch durch häufiges Klammern nicht bremsen und schickte den Briten in der zweiten Runde mit einer Linken zum Kinn geschlagen auf die Bretter.

Der in 15 Kämpfen unbesiegte Europameister wäre daher ein höchst riskanter Gegner für Anthony Joshua, da er sich kaum in die Seile drängen ließe, sondern beherzt angreifen und die seit Jahren unüberprüften Nehmerqualitäten des acht Jahre jüngeren Briten auf die Probe stellen würde. Dieser boxt derart steif und unbeweglich, daß er sich den Schlägen Tepers kaum entziehen könnte. Aber das ist ohnehin alles Zukunftsmusik und vorerst nicht mehr als ein Gedankenspiel, mit dem Eddie Hearn seinen Schwergewichtler aus dem Schußfeld zu nehmen hofft.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/anthony-joshua-focused-on-getting-win-against-gary-cornish/#more-196693

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/07/hearn-targeting-erkan-teper-for-anthony-joshua/#more-196676

24. Juli 2015


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