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MELDUNG/1861: Schleichwege zum erhofften Titelkampf (SB)



Tony Bellew ist nun Europameister im Cruisergewicht

Tony Bellew hat den vakanten Titel des Europameisters im Cruisergewicht durch einen einstimmigen Punktsieg gegen Mateusz Masternak gewonnen (115:113, 115:112, 115:112). Nach seinem Ausflug ins Filmgeschäft, wo er im siebten Teil der "Rocky"-Serie mit Sylvester Stallone eine Rolle bekommen hatte, unterstrich der 33jährige Brite in der Londoner O2 Arena, daß er auch im echten Boxring noch ein Wort mitzureden hat. In einem unspektakulären Gefecht wartete Bellew mit überlegenen technischen Fertigkeiten auf, die gegenüber der Standhaftigkeit des zähen Polen den Ausschlag gaben. Während der Liverpooler seine Bilanz auf 26 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden ausbaute, stehen für Masternak nunmehr 36 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche.

Bereits nach der ersten Runde wies das Gesicht des Polen deutliche Spuren der hingenommenen Treffer auf, was Masternak jedoch nicht daran hinderte, Bellew in der Folge mit seinem Jab zu beschäftigen und auf Abstand zu halten. Der Brite ließ es ruhig angehen und suchte Gelegenheiten, mit einzelnen Schlägen zu punkten, während er von Kombinationen eher spärlichen Gebrauch machte. Das reichte aus, einen relativ sicheren Vorsprung herauszuarbeiten, zumal Bellew in der siebten Runde zwei kurz angesetzte rechte Haken ins Ziel brachte.

Wenngleich Masternak die Mehrzahl der Treffer abbekam, erhöhte er im achten Durchgang den Druck, um dem Gegner nicht das Feld zu überlassen. Zum Auftakt der folgenden Runde konnten beide Boxer wuchtige Haken durchsetzen, doch machte Bellew bei diesem Schlagabtausch wiederum die bessere Figur. Dieses Bild änderte sich allerdings in der zehnten Runde, als der Pole in die Offensive ging und den Kontrahenten an den Seilen mit einer schweren Rechten erwischte, die dessen linke Augenpartie zuschwellen ließ. Bellew überstand jedoch die kurze Krise und kam zum Ende des Kampfs wieder besser zur Geltung, als er Masternak durch den Ring trieb, der sich nach einer vollen Rechten des Briten mit weichen Knien bis zum Schlußgong rettete. [1]

So setzte sich der als Favorit gehandelte Bellew dank seiner überlegenen Schlagwirkung gegen Masternak durch, der in dieser Hinsicht wenig aufzubieten hatte und den Kampf vor allem mit seinem Jab bestritt. Dennoch war das Gesicht des Briten deutlich gezeichnet, der mit Schwellungen an beiden Augen nicht gerade wie ein unangefochtener Sieger aussah. Wie der Liverpooler anschließend erklärte, habe er sich den gefährlichsten Gegner gewünscht, um sein Können zu überprüfen. Er habe offensichtlich den nötigen Biß, um es mit jedem Weltmeister seiner Gewichtsklasse aufzunehmen.

Diese Aussage kann man natürlich nicht unwidersprochen stehenlassen, da Mateusz Masternak gewiß nicht zu den besten Cruisergewichtlern gehört. Der Pole hatte in jüngerer Zeit zwei Kämpfe verloren, was die Frage aufwirft, warum ihn Eddie Hearn ausgewählt hat. Offenbar war Bellews Promoter daran gelegen, auf Nummer Sicher zu gehen und seinen Boxer nicht mit einem härteren Prüfstein zu überfordern. [2]

*

Roy Jones sieht kein Land gegen Enzo Maccarinelli

Roy Jones, der als bester Boxer der 90er Jahre galt und damals Weltmeister in vier verschiedenen Gewichtsklassen geworden war, ist heute nur noch ein Schatten früherer Tage. Der inzwischen 46 Jahre alte ehemals dominierende Akteur muß wohl seine Hoffnung endgültig zu Grabe tragen, zum Abschluß seiner zu eigenen Lasten überdehnten Karriere noch einmal Champion im Cruisergewicht zu werden. Jones, der parallel zu seiner US-amerikanischen auch die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat, unterlag in Moskau dem 35jährigen früheren WBO-Weltmeister Enzo Maccarinelli durch K.o. in der vierten Runde. Damit hat der Waliser 41 Siege und sieben Niederlagen vorzuweisen, während für Jones 62 gewonnene und neun verlorene Auftritte notiert sind.

Der US-Amerikaner hatte von Anfang an keine Chance, da er schlichtweg zu klein und zu schwach für den körperlich überlegenen Waliser war. In einem höchst einseitigen Kampf setzte Maccarinelli dem Gegner Runde für Runde mit Schlägen zum Kopf und Körper zu, worauf Jones sporadisch mit einem Uppercut antwortete. Daß dieser größtenteils an den Seilen boxte, kam dem Waliser sehr entgegen, der diese Konstellation bevorzugt. Im vierten Durchgang schickte Maccarinelli den Kontrahenten zweimal auf die Bretter, wobei der US-Amerikaner nach dem entscheidenden Treffer mit dem Gesicht voran zu Boden stürzte, wo er von Ringrichter Ingo Barrabas nach 1:59 Minuten der Runde ausgezählt wurde. [3]

Roy Jones wäre nach dieser erneuten Niederlage gut beraten, nicht länger von einer Wiederauferstehung zu träumen und seine Karriere zu beenden, ehe er weiteren körperlichen Schaden nimmt. Es steht jedoch zu befürchten, daß er auch diesmal kein Ohr für derartige Warnungen hat und weiter einem Phantom nachjagt. Enzo Maccarinelli, den viele ebenfalls abgeschrieben hatten, zumal das Ende seiner Regentschaft als Weltmeister im Jahr 2008 nun schon sehr lange zurückliegt, kann sich wieder gewisse Hoffnungen auf einen erneuten Titelkampf machen. Zumindest hat er in diesem Jahr bereits drei Kämpfe gewonnen, darunter erst vor zwei Monaten in Newport gegen den Tschechen Jiri Svacina. [4]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14350290/tony-bellew-wins-vacant-cruiserweight-title-luke-campbell-suffers-first-defeat

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/12/barroso-tkos-mitchell-in-5th/#more-203205

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14354583/enzo-maccarinelli-stuns-roy-jones-jr-fourth-round-knockout-moscow

[4] http://www.boxingnews24.com/2015/12/maccarinelli-destroys-jones-jr-in-4th-round-ko/#more-203201

15. Dezember 2015


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