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MELDUNG/1957: Der Lack ist ab (SB)



Arthur Abraham will es noch einmal wissen

Knapp einen Monat nach einem der schwächsten Kämpfe seiner Karriere, der ihn den WBO-Titel im Supermittelgewicht gekostet hat, plant Arthur Abraham seine Rückkehr in den Ring. Wie sein Promoter Sauerland Event angekündigt hat, gibt der 36jährige am 16. Juli in der Berliner Max-Schmeling-Halle seinen nächsten Auftritt. Noch vor kurzem selbst eine Hauptattraktion vor deutschem Publikum, muß sich der ehemalige Weltmeister mit einer Rolle im Vorprogramm der Veranstaltung zufriedengeben, in deren Mittelpunkt die Titelverteidigung des Italieners Giovanni de Carolis steht. Der reguläre Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht, für den 24 Siege und sechs Niederlagen zu Buche stehen, trifft auf das in 18 Kämpfen ungeschlagene deutsche Talent Tyron Zeuge, die Nummer dreizehn der WBA-Rangliste.

Abrahams erster Auftritt in Las Vegas, noch dazu im Dunstkreis der spektakulären Abschiedsvorstellung des legendären Philippiners Manny Pacquiao gegen Timothy Bradley, wurde nicht zum erhofften Sprungbrett für weitere Gastspiele in den USA. Mit einer desaströsen Darbietung verspielte der Berliner sein verbliebenes Renommee auf internationaler Bühne, als er sich von dem mexikanischen Außenseiter Gilberto Ramirez auf den Zetteln aller drei Punktrichter sämtliche Runden abnehmen ließ. Da Abraham in seiner dreizehn Jahre währenden Karriere schon diverse schwere Schlachten im Ring geschlagen hatte, schien sein Rücktritt vom aktiven Boxsport in der Luft zu liegen.

Abraham, der 44 Auftritte gewonnen und fünf verloren hat, ist jedoch noch nicht bereit, den Hut den nehmen. Nachdem der Kampf gegen Ramirez nicht wie geplant verlaufen sei, gebe er sein Wort, daß so etwas nicht noch einmal geschehen werde. Er wolle zeigen, daß er es besser kann und das Zeug dazu habe, noch einmal Weltmeister zu werden. Das sei sein größter Wunsch. Gegen wen er in Berlin antreten wird, steht noch nicht fest.

Sein langjähriger Trainer Ulli Wegner willigte ein, seinem Schützling noch eine letzte Chance einzuräumen, bevor er ihm nachdrücklich den Rücktritt nahelegt. Er sei mit Arthurs Vorstellung gegen Ramirez alles andere als glücklich gewesen, habe sich aber dennoch entschlossen, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Abraham habe in Las Vegas schlichtweg nicht genug getan, um den Gürtel erfolgreich zu verteidigen und sich Champion nennen zu können. Nun müsse er härter arbeiten und zeigen, daß dieser Ausrutscher lediglich eine vorübergehende Charakterschwäche war.

Als IBF-Weltmeister im Mittelgewicht gefürchtet und ungeschlagen, stieg der Berliner 2010 ins Supermittelgewicht auf, womit das Verhängnis seinen Lauf nahm. Als einer der Favoriten in dem von seinem Promoter Kalle Sauerland konzipierten und vom Sender Showtime realisierten Super-Six-Turnier gehandelt, verlor der Berliner 2010 und 2011 drei seiner vier Auftritte gegen den Briten Carl Froch und die US-Amerikaner Andre Dirrell und Andre Ward. Aus diesem tiefen Tal seiner Karriere kehrte er an die Spitze zurück und sicherte sich schließlich den WBO-Titel in dieser Gewichtsklasse.

Kalle Sauerland gibt sich überzeugt, daß Abraham dieses Kunststück ein zweites Mal gelingen wird. Arthur habe in der Vergangenheit diverse Hindernisse überwunden - man denke nur an seine Titelverteidigung mit einem gebrochenen Kiefer gegen Edison Miranda im Jahr 2006 und die Rückschläge im Turnier. Dennoch sei er Weltmeister in der zweiten Gewichtsklasse geworden. Heute gehe es ihm um sein Vermächtnis, da er den Fans als guter Boxer in Erinnerung bleiben wolle. Nun müsse er beweisen, daß sein Feuer noch nicht erloschen ist, und hart daran arbeiten, wiederum Weltmeister zu werden. [1]

Abraham hatte den Titel im April an den größeren, schnelleren und jüngeren Gilberto Ramirez verloren, der ihm im MGM Grand in Las Vegas eine Lektion erteilte. Der 24jährige Mexikaner deklassierte ihn regelrecht, da der Berliner keinerlei Risiken einging und es versäumte, den Gegner unter Druck zu setzen. Um an Ramirez heranzukommen, hätte Abraham Schläge einstecken müssen, wozu er offenbar nicht bereit war. Daher hatte der Mexikaner freie Hand, schnelle Angriffe an den Mann zu bringen und sich ohne Gegentreffer sofort wieder zu entziehen. Mit solchen Kampfesweisen hatte der Berliner schon von jeher Probleme, wobei er jedoch früher mitunter in der Lage war, diesen Stil zu neutralisieren, indem er ständig Druck machte.

Bei der WBO wird Abraham derzeit an Nummer fünf der Rangliste und damit nach wie vor einer recht günstigen Position geführt, die es ihm erlauben könnte, im Falle einiger zwischenzeitlicher Erfolge eine Revanche gegen Ramirez zu bekommen. Allerdings wäre er wohl besser beraten, die Finger von dem Mexikaner zu lassen und statt dessen zu versuchen, den Sieger des Kampfs zwischen den Weltmeistern James DeGale (IBF) und Badou Jack (WBC) ins Visier zu nehmen. Die beiden neigen sehr viel mehr als Ramirez dazu, stehenzubleiben und sich zum Schlagabtausch zu stellen, was dem Berliner entgegenkäme. Auch der Mexikaner hat früher so gekämpft, sich in jüngerer Zeit jedoch auf einen mobileren Stil umgestellt. [2]

Arthur Abraham ist schlichtweg zu klein und nicht mehr jung genug, um es mit beweglichen und hochgewachsenen Supermittelgewichtlern aufzunehmen. Da es ihm an Schnelligkeit mangelt, um hochklassigen Kontrahenten den Weg abzuschneiden und sie zu stellen, ist er darauf angewiesen, ständig Druck zu machen und häufig zu schlagen. Seine frühere Stärke, solange hinter der Doppeldeckung abzuwarten, bis sich der Gegner müde geboxt hat und früher oder später Lücken für überfallartige Angriffe bietet, funktioniert schon lange nicht mehr.

Sein Trainer Ulli Wegner hat nichts unversucht gelassen, ihm diese mitunter phlegmatisch wirkende Passivität über weite Strecken des Kampfs auszutreiben. Das hat beispielsweise in den Duellen mit dem Magdeburger Robert Stieglitz recht gut funktioniert und dem Berliner den WBO-Titel eingebracht. So lange er in Deutschland gegen nicht allzu gefährliche Herausforderer antrat, konnte er sich behaupten. Als ihn Promoter Bob Arum mit viel Geld und dem Glanz der Boxhochburg nach Las Vegas lockte, fand die Fahrt des Weltmeisters auf dem Nebengleis des internationalen Supermittelgewichts ein jähes Ende.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15520341/arthur-abraham-plans-return-ring-july-16-berlin

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/05/arthur-abraham-fight-july-16-berlin-germany/#more-209913

13. Mai 2016


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