Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2028: Essen und Eisen machen keinen besseren Boxer (SB)



Kell Brook erheblich schwerer als Gennadi Golowkin

Der in 35 Kämpfen ungeschlagene Gennadi Golowkin verteidigt am 10. September in der Londoner O2 Arena die Titel der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO im Mittelgewicht gegen Kell Brook, der als IBF-Weltmeister im Weltergewicht 36 Auftritte gewonnen hat. Mit Blick auf dieses Duell mußte sich der 34jährige Kasache des öfteren den Vorwurf gefallen lassen, er messe sich mit einem körperlich unterlegenen Gegner. Wie unzutreffend dieser Einwand ist, zeigte sich nun bei einem ersten obligatorischen Wiegen, das der Verband WBC 30 Tage vor einem Kampf verlangt. Um allzu extreme Gewichtsschwankungen einzuschränken, schreibt das WBC für diesen Zeitpunkt eine Grenze von maximal 10 Prozent über der jeweiligen Gewichtsklasse vor. Da das Mittelgewicht bis 160 US-Pfund (72,574 kg) reicht, wären dies also 176 Pfund, die nicht überschritten werden dürfen.

Während Golowkin in seinem Trainingslager in Big Bear Lake 165 Pfund auf die Waage brachte und damit nur noch fünf Pfund über dem Mittelgewicht lag, ist der Brite derzeit wesentlich schwerer. Der 30 Jahre alte Brook brachte es im spanischen Fuerteventura auf 176 Pfund, womit er gerade noch im Limit blieb. Wenngleich durchaus bekannt war, daß Brook im Grunde zu schwer für das Weltergewicht ist und dessen Limit nur durch exzessives Abkochen erreicht, ist die aktuelle Messung doch erstaunlich. Der für leichter und deswegen benachteiligt erachtete Herausforderer ist in Wirklichkeit schwerer als der Champion, woran sich auch bis zum Kampf nichts ändern wird. [1]

Golowkin gilt als leichter Mittelgewichtler, der zwischen dem Wiegen am Vortag und dem Auftritt selbst nur wenig zulegt und deswegen auch ohne größere Probleme im Halbmittelgewicht antreten könnte, sollte es eines Tages erforderlich sein. Das Geheimnis seiner phänomenalen Schlagwirkung, der seit 2008 nicht weniger als 22 Gegner in Folge vorzeitig Tribut zollen mußten, läßt sich nicht mit seinem bloßen Gewicht erklären. Diesem Fehlschluß scheint jedoch Kell Brook zum Opfer gefallen zu sein, der offenbar alles daransetzt, schwerer zu werden und Muskelmasse aufzubauen.

Der Brite hat seit seinem letzten Kampf gegen den überforderten Kevin Bizier im März in vergleichsweise kurzer Zeit kräftig zugelegt und könnte dem Kasachen inzwischen von seinem äußeren Erscheinungsbild her gefährlich werden, träfen die beiden in einem Bodybuildingwettbewerb aufeinander. Da es sich aber um einen Boxkampf handelt, ist nicht abzusehen, auf welche Weise dieser Zuwachs dem Herausforderer nützen sollte, zumal er seine Beweglichkeit einschränken wird. Wie Brook dennoch erklärt, fühle er sich phantastisch und habe genau sein gewünschtes Gewicht. Er esse unablässig, arbeite hart im Gym und werde im Kampf Schnelligkeit mit Schlagwirkung verbinden.

Allerdings ist der Brite nie besonders schnell gewesen und dürfte angesichts seines zusätzlichen Gewichts eher langsamer geworden sein. Zudem drohen ihm nun rascher Konditionsprobleme, sollte er versuchen, sich dem Kasachen weiträumig zu entziehen. Da es zu dessen diversen Stärken gehört, einem ständig entweichenden Kontrahenten den Weg abzuschneiden, wäre Flucht ohnehin keine erfolgversprechende Taktik. Auch klammernd ist Golowkin kaum beizukommen, da er das schlichtweg nicht zuläßt, sondern entsprechende Versuche mit einem Uppercut bestraft. Brook wird nicht umhin können, sein Heil in wuchtigen Schlägen zu suchen, doch auch in dieser Hinsicht ist eher fraglich, ob er den Gewichtszuwachs in eine etwas höhere Schlagwirkung umsetzen kann. [2]

Daß der Brite die Grenze von 176 Pfund soeben noch eingehalten hat, läßt darauf schließen, daß er derzeit noch schwerer ist und gezielt zum Wiegen dehydriert hat. Das wirft natürlich die Frage auf, wie er in vier Wochen das Limit des Mittelgewichts von 160 Pfund erreichen will. Er müßte entweder massiv abkochen, wie er das offenbar vor seinen Auftritten im Weltergewicht stets getan hat. Oder er verzichtet von vornherein auf die Titelchance, riskiert eine Strafgebühr und tritt mit einem höheren Gewicht gegen Golowkin an, um ihn womöglich auf diese Weise zu besiegen.

Da Brook nicht größer als der Weltmeister ist und relativ kurze Arme hat, schlägt auch die Reichweite für ihn nicht zu Buche. Überdies sind seine Nehmerqualitäten keineswegs so gut, wie seine makellose Bilanz nahelegen könnte. Sein einzig hochwertiger Gegner war Shawn Porter, dem er durch ständiges Klammern und andere Störmanöver den Titel abgenommen hat. Die 35 übrigen Kontrahenten wie Alvaro Robles, Matthew Hatton, Jo Jo Dan, Frankie Gavin und zuletzt Kevin Bizier hatten nicht das Format, ihm das Wasser zu reichen. Im Kampf mit Wjatscheslaw Senschenko und gegen Carson Jones stand er am Rande eines Niederschlags, wobei deren Schlagwirkung nicht entfernt an jene Golowkins heranreicht. [3]

Der Brite setzt offenbar auf sein langjähriges Erfolgsrezept im Weltergewicht, wo er durch Dehydrieren vor dem offiziellen Wiegen das vorgeschriebene Gewicht knapp einhalten konnte, um dann bis zum Abend des folgenden Tages wieder erheblich schwerer zu werden, so daß ihm seine Gegner körperlich unterlegen waren. [4] Einigen wenigen Boxern gelingt es, diese Strapaze über längere Fristen ohne Konditionsprobleme im Kampf oder gar gesundheitliche Schäden zu praktizieren und von diesem beträchtlichen Wettbewerbsvorteil zu profitieren. Dies setzt allerdings voraus, daß das Kreislaufsystem im Rahmen der jeweiligen Parameter mitspielt, die nicht ohne weiteres auf eine höhere Gewichtsklasse zu übertragen sein dürften.

Erhöhte Nahrungsaufnahme und Krafttraining machen aus Kell Brook keinen besseren Boxer, zumal er es diesmal mit einem Gegner zu tun hat, der ihm in allen Belangen überlegen ist. Golowkin lediglich nach Punkten zu unterliegen, käme schon einer kleinen Sensation gleich, die den Briten adeln würde. Sich vom David zum Goliath zu essen scheint aber diesbezüglich nicht gerade eine vielversprechende Strategie zu sein.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16525/notes-ggg-brook-on-target-to-make-weight

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/kell-brook-im-eating-nonstop/#more-214745

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/08/kell-brook-packing-useless-muscle-weight/#more-214782

[4] http://www.boxingnews24.com/2016/08/golovkin-165-brook-176-30-day-weigh/#more-214738

14. August 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang