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MELDUNG/2031: Gefahr im Verzug (SB)



David Lemieux bekommt es mit Curtis Stevens zu tun

David Lemieux geht ein hohes Risiko ein, wenn er am 22. Oktober vor heimischem Publikum in Montreal auf Curtis Stevens trifft, der mit einer enormen Schlagwirkung aufwarten kann. Der 27 Jahre alte Lemieux war Weltmeister der IBF im Mittelgewicht, bis er in Gennadi Golowkin seinen Meister fand. Während für den Kanadier 35 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, tritt sein 31jähriger Gegner aus Brownsville, New York, mit einer Bilanz von 28 gewonnenen und fünf verlorenen Auftritten an. Lemieux ist in den Ranglisten der Verbände WBC (3), WBO (4) und IBF (7) etwas besser als Stevens plaziert, der beim WBC (7), bei der IBF (9) und bei der WBA (12) ebenfalls unter den Top 15 geführt wird.

Der kanadische Promoter The Eye of the Tiger wollte offenbar zunächst James Kirkland als Gegner für Lemieux verpflichten, doch zerschlugen sich diese Pläne. Da Kirkland in den letzten drei Jahren nur einen einzigen Kampf bestritten und dabei im Mai 2015 in der dritten Runde gegen Saul "Canelo" Alvarez verloren hat, wäre er wohl eine leichtere Beute gewesen. Statt dessen bekommt Lemieux es nun mit einem aktiven Kontrahenten zu tun, der wuchtige Schläge austeilen kann und über eine ausgezeichnete Kondition verfügt, so daß er auch bei höherer Rundenzahl bis zum Ende gefährlich bleibt.

Der Kampf zweier Weltmeister im Mittelgewicht zwischen David Lemieux und Gennadi Golowkin war von Golden Boy als Co-Promoter des Kanadiers mit beträchtlichem Werbeaufwand in Szene gesetzt worden. Man mußte es dem damaligen IBF-Champion hoch anrechnen, daß er seinen Titel gegen den gefürchteten Kasachen aufs Spiel setzte, dem alle anderen namhaften Rivalen tunlichst aus dem Weg gingen. Allerdings schien Lemieux auch tatsächlich davon überzeugt zu sein, Golowkin das Wasser reichen zu können, der seit 2008 sämtliche Auftritte vorzeitig für sich entscheiden hat.

Als die beiden dann im Oktober 2015 aufeinandertrafen, stellte sich rasch heraus, daß der Kasache an diesem Abend in einem einseitigen Kampf relativ leichtes Spiel haben würde. Golowkin trieb den Lokalmatador in Montreal mit dem Jab vor sich her und versetzte ihm schwere Körpertreffer, die Lemieux in der fünften Runde erstmals auf die Ringmatte zwangen. Wenngleich er wieder auf die Beine kam und tapfer weiterkämpfte, war die endgültige Entscheidung nur noch eine Frage der Zeit. Zwar konnte man nicht unbedingt von einem Spaziergang des Favoriten sprechen, doch dominierte er seinen sichtlich überforderten Kontrahenten derart, daß am Ausgang des Kampfs kein Zweifel bestand, bis der Kanadier schließlich in der achten Runde die Segel streichen mußte.

Da eine Niederlage gegen Golowkin indessen keine Schande ist, strebt Lemieux eine Rückkehr in die höchsten Ränge der Gewichtsklasse an. Im Mai setzte er sich in der vierten Runde gegen Glen Tapia durch und kehrte damit auf die Siegerstraße zurück. Allerdings handelte es sich bei Tapia um einen ausgesucht leichten Gegner, da er zuletzt im Mai 2015 im Ring gestanden und dabei vorzeitig verloren hatte. Sollte der Kanadier noch einige Kämpfe gewinnen, könnte es zu einem hochdotierten Duell mit Saul Alvarez kommen. Da beide Akteure bei Golden Boy unter Vertrag stehen, wäre es ein leichtes, diesen Kampf in die Wege zu leiten.

Golden-Boy-Präsident Oscar de la Hoya hat jedoch seine Absicht zum Ausdruck gebracht, diese Option noch einige Zeit reifen zu lassen, damit sie sich um so besser vermarkten läßt. Es wäre in der Tat noch zu früh für dieses Duell, da sich das potentielle Publikum daran erinnern würde, wie schlecht es dem Kanadier mit Gennadi Golowkin ergangen ist. Zudem verkaufte sich der damalige Kampf, der von HBO im Pay-TV angeboten wurde, nicht besonders gut. Daher muß Lemieux noch einige solide Siege einfahren, ehe er für "Canelo" attraktiv wird.

Zunächst aber heißt es für David Lemieux, sich mit Curtis Stevens auseinanderzusetzen, der mit ihm das Schicksal einer Niederlage gegen Golowkin teilt. Obgleich der US-Amerikaner mit einer Größe von 1,70 m sieben Zentimeter kleiner ist, übertrifft er den Kanadier erstaunlicherweise an Reichweite. Dieser kann folglich kaum aus der Distanz boxen und den Gegner fortgesetzt mit dem Jab traktieren, wie das Hassan N'Dam bei seinem einstimmigen Punktsieg im Oktober 2014 gelungen ist. Seither hat Stevens nur einen einzigen Kampf bestritten und dabei im Mai den wesentlich größeren Patrick Teixeira bereits in der zweiten Runde geschlagen auf die Bretter geschickt.

Die größte Gefahr dürfte für Lemieux darin bestehen, daß Stevens am liebsten dicht am Gegner oder in der Halbdistanz kämpft, wo er seine wuchtigen Haken durchbringen kann. Läßt der Kanadier zu, daß ihm der Kontrahent zu nahe kommt, muß er mit schweren Treffern rechnen. Und da Stevens schneller schlägt und erstklassige Nehmerqualitäten aufweist, ist nicht auszuschließen, daß der Lokalmatador frühzeitig Probleme bekommt. Auch der Kanadier ist ein Boxer, dessen Stärke sich im Schlagabtausch entfaltet. Dabei trifft er jedoch auf einen Widersacher, der ihm in dieser Hinsicht mindestens ebenbürtig sein dürfte. Daher könnte ihr Gefecht auf den Austausch wuchtiger Treffer mit einem verhängnisvollen Ausgang für David Lemieux hinauslaufen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/08/david-lemieux-vs-curtis-stevens-october-22/#more-214783

19. August 2016


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