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MELDUNG/2055: Tragischer Abschied eines Paradiesvogels (SB)



Britische Boxkommission entzieht Tyson Fury die Lizenz

Die britische Boxkommission hat Tyson Fury wie erwartet die Lizenz entzogen und will die offenen Fragen bezüglich der gegen ihn erhobenen Dopingvorwürfe wie auch seiner gesundheitlichen Verfassung klären. Der Schwergewichtler war positiv auf Kokain getestet worden, hatte psychische Probleme eingeräumt und schließlich vor wenigen Tagen die Titel der Verbände WBA und WBO niedergelegt. Zudem muß er sich im November bei einer Anhörung vor der nationalen Anti-Doping-Agentur zum Ergebnis einer im letzten Jahr genommenen Probe äußern, bei der Spuren von Nandrolon nachgewiesen worden waren. Nach Angaben des Generalsekretärs der Boxkommission, Robert Smith, werde man Furys Stellungnahme, er leide an Depressionen, in die Untersuchung der Dopingverstöße einbeziehen. [1]

Furys Promoter Hennessy Sports teilte mit, daß der 28jährige Boxer ärztliche Hilfe in Anspruch nehme. Mick Hennessy, bei dem der Schwergewichtler seit Beginn seiner Profikarriere unter Vertrag steht, zeigte sich zuversichtlich, daß dieser nach der medizinischen Behandlung und der Suspendierung besser denn je in den Ring zurückkehren werde. Einen zeitlichen Rahmen könne er derzeit natürlich noch nicht nennen. Da Tyson in der Vergangenheit sein Leistungsvermögen noch nie im vollen Umfang ausgeschöpft habe, bestehe Grund zur Annahme, daß künftig sogar eine Steigerung zu erwarten sei.

Fury müsse vor allen Dingen seine Begeisterung für den Boxsport wiedererlangen, denn sein derzeitiges Bild in den Medien stimme weniger denn je mit der tatsächlichen Person überein. Wer nun um die vakanten Titel kämpfe und sie gewinne, spiele keine Rolle, da Tyson der wahre Weltmeister und besser als die gesamte Konkurrenz sei. Die Boxkommission müsse seine Leistungen würdigen und in Betracht ziehen, daß er gegenwärtig Hilfe benötige, doch keine weiteren Anfeindungen gebrauchen könne. [2]

Auch Peter Fury, der Onkel und Trainer des ehemaligen Weltmeisters, geht davon aus, daß sein Neffe noch eine großartige Zukunft im Ring zu erwarten habe. Er werde seine britische Lizenz zum gegebenen Zeitpunkt sicher problemlos wiederbekommen. Tyson habe vollbracht, wozu kein anderer imstande war, und mit seinen 28 Jahren den Zenit seines Könnens noch vor sich. Zudem sei er stets für eine Kontroverse gut und belebe damit den Boxsport ungemein. Und da er seine Titel freiwillig niedergelegt habe, werde man ihn bei seiner Rückkehr mit offenen Armen empfangen. [3]

Furys Hoffnung, als Weltmeister geraume Zeit an der Spitze zu bleiben, noch sehr viel mehr Geld zu verdienen und womöglich gar die Gürtel zusammenzuführen, blieb unerfüllt. Er hat seinen Titel kein einziges Mal verteidigt und könnte allenfalls noch einmal mit einem größeren Zahltag rechnen, wenn er sich im Falle einer Rückkehr von seinem Landsmann Anthony Joshua vermöbeln ließe, der dabei auch noch den Löwenanteil der Börse kassieren würde. Natürlich gibt es noch etliche andere Akteure wie Deontay Wilder, Luis Ortiz und Joseph Parker, die vermutlich gegen ihn antreten würden, doch riskierte er auch dabei eine herbe Niederlage. Nicht besser erginge es ihm wohl im Falle Alexander Powetkins, Kubrat Pulews oder David Hayes. [4]

Daß Mick Hennessy und Peter Fury betonen, Tyson Fury werde im absehbarer Zeit wieder boxen, ist natürlich verständlich und als Außendarstellung nicht ganz von der Hand zu weisen. Bedauerlicherweise klingen in den Äußerungen ähnliche Fehleinschätzungen an, wie sie für den nicht selten unsäglichen britischen Weltmeister gang und gäbe waren. Dieser hat seinen Titelkampf fast geschenkt bekommen und gegen Klitschko nur deswegen gewonnen, weil der Ukrainer an diesem Abend noch schlechter als er selber boxte und die schwächste Leistung seit vielen Jahren bot. Ernsthaft zu behaupten, Fury sei der beste Schwergewichtler der Welt, ist schlichtweg absurd.

Daran würde sich auch nichts ändern, sofern er seine Karriere tatsächlich wieder aufnehmen könnte. Er ist mit seinen 2,06 m einfach riesengroß und kann phasenweise sehr unterhaltsam sein, wo er gängige Klischees, Dünkel und angestammte Pfründe parodiert. Im nächsten Augenblick drischt er jedoch unterschiedslos auf Minderheiten ein, so daß sich sein extravagantes Auftreten als chauvinistisches Gehabe, nicht jedoch als rebellisches Aufbegehren erweist. Mit dem Vorwurf, man behandle ihn schlecht, weil er als Sproß eines Familienclans von Travellern als Außenseiter diskriminiert werde, fordert er einen Freibrief für jegliche Beschimpfungen, Beleidigungen und Verhöhnungen anderer ein. Fury hat die in der Ära Klitschkos verödete Schwergewichtsszene dank provozierender Auftritte auf Presseterminen vitalisiert, doch überstieg das Niveau seiner Ambitionen und Ansprüche das tatsächliche Können im Ring bei weitem.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17783790/tyson-fury-boxing-licence-suspended-british-boxing-board-control-confirms

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17783928/tyson-fury-back-better-ever-says-promoter-mick-hennessy

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/10/tyson-fury-huge-future-says-peter-f/#more-219219

[4] http://www.boxingnews24.com/2016/10/tyson-furys-boxing-license-suspended-british-boxing-board/#more-219167

15. Oktober 2016


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