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MELDUNG/2073: Kühne Pläne, schlechte Prognosen (SB)



Kampf zwischen Kell Brook und Errol Spence im Gespräch

Gut unterrichteten Kreisen zufolge könnte es im April oder Mai 2017 zu einer Titelverteidigung des Briten Kell Brook gegen Errol Spence aus den USA kommen. Der 30jährige IBF-Weltmeister im Weltergewicht, für den 36 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, träfe dabei auf den vier Jahre jüngeren und in 21 Auftritten ungeschlagenen Pflichtherausforderer, der ihn vor gravierende Probleme stellen würde. Spence zählt angesichts seiner enormen Schlagwirkung und weiterer Qualitäten zu den gefährlichsten Kandidaten in dieser Gewichtsklasse, weshalb ihm die namhaftesten Akteure tunlichst aus dem Weg gehen.

In der Vergangenheit hat Brook seinen Titel gegen handhabbare Gegner wie Frankie Gavin, Jo Jo Dan und Kevin Bizier aufs Spiel gesetzt. Auf diese Weise behielt er ohne größere Schwierigkeiten seinen Gürtel und konnte seine Bilanz ausbauen, doch rief diese Vorgehensweise wachsende Kritik auf den Plan. Statt sich einen anspruchsvolleren Herausforderer auszusuchen, stieg die Brite vorübergehend ins Mittelgewicht auf, um sich dort mit Gennadi Golowkin zu messen. In diesem Kampf, der im September in der Londoner O2 Arena über die Bühne ging, trug Brook einen Bruch an der rechten Augenhöhle davon, der seinen Trainer Dominic Ingle dazu veranlaßte, in der fünften Runde das weiße Handtuch zum Zeichen der Aufgabe zu werfen.

Wenngleich der Brite sogar schwerer als Golowkin war, hatte er dessen gefürchteter Schlagwirkung nichts entgegenzusetzen. Zwar steckte Brook schwere Treffer ein, ohne zu Boden zu gehen, doch befand er sich nach einer starken zweiten Runde zunehmend auf dem Rückzug, bis ihn der Kasache stellte und mit einer Serie heftiger Schläge eindeckte. Der Lokalmatador wäre früher oder später mit Sicherheit auf den Brettern gelandet, doch versteifte er sich nach dem Abbruch auf die Legende, er hätte den Kampf ohne weiteres fortsetzen und durchaus noch gewinnen können. Letzteres war insofern nicht völlig ausgeschlossen, als er zum Zeitpunkt der Aufgabe sogar nach Punkten in Führung lag. Das gab zur Befürchtung Anlaß, daß der Brite im Falle eines Ganges über die volle Distanz womöglich sogar den Sieg geschenkt bekommen hätte.

Für gewöhnlich erkennen die Verbände einem Weltmeister, der ein Jahr lang untätig geblieben ist, den Titel ab. Aufgrund der schweren Verletzung räumte die IBF dem Champion jedoch eine längere Frist bis zum Kampf gegen Errol Spence ein. Eine weitere Verlängerung wird es wohl nicht geben, da Brook seinen Gürtel zuletzt im März zur Disposition gestellt hat, als er Kevin Bizier in der zweiten Runde besiegte. Sollten gesundheitliche Gründe gegen einen Auftritt des Briten im Frühjahr sprechen, wäre die IBF gefordert, entsprechende Konsequenzen zu ziehen, um die leidige Stagnation zu beenden.

Promoter Eddie Hearn hat offenbar die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Brook einen hochdotierten Kampf gegen Manny Pacquiao zu verschaffen. Der 30jährige Philippiner ist inzwischen wieder WBO-Champion im Weltergewicht und könnte möglicherweise der Idee etwas abgewinnen, in einem Duell zweier Weltmeister die Titel zusammenzuführen. Sein Promoter Bob Arum denkt jedoch eher an Wassyl Lomatschenko oder Terence Crawford, die ebenfalls bei ihm unter Vertrag stehen. Hingegen dürfte Kell Brook keine große Rolle bei den Erwägungen Arums spielen, da der Brite in den USA zu wenig bekannt ist, um ihn im Pay-TV erfolgreich zu vermarkten.

Zwar hätte man auch einen Kampf zwischen Golowkin und Brook wohl für unmöglich gehalten, bis er dann tatsächlich vereinbart worden war. Dies war jedoch eine völlig andere Situation, da der allseits gefürchtete Kasache dringend einen halbwegs namhaften Gegner suchte, der es wagte, mit ihm in den Ring zu steigen. Kell Brook ging aus unerfindlichen Gründen davon aus, daß es ihm besser als den bisherigen Kontrahenten Golowkins ergehen könnte, der seit 2008 sämtliche Gegner vorzeitig besiegt hat. Das Kalkül des Briten ging sogar insofern auf, als er zwar wie erwartet verloren, dabei aber eine bessere Figur gemacht hat, als man es vermuten konnte. Tatsächlich ist er seit dieser Niederlage populärer als zuvor und darf weitgehend unwidersprochen große Pläne schmieden.

Pacquiao wird der Brite aber nicht bekommen, zumal der Philippiner die sportliche Karriere in absehbarer Zeit beenden und sich ausschließlich auf seine politischen Verpflichtungen im Senat seines Heimatlandes konzentrieren wird. Daher kann sich Brook entweder Errol Spence stellen oder den Titel niederlegen und sich anderen Optionen zuwenden. Kann Brook aus einem Duell mit Spence als Sieger hervorgehen? Das mutet unwahrscheinlich an, zumal der Brite Gefahr liefe, unter den wuchtigen Schlägen dieses Herausforderers eine erneute, womöglich noch schwerere Verletzung am rechten Auge davonzutragen. Eine attraktive Option wäre eine Herausforderung Keith Thurmans oder Danny Garcias, die im März aufeinandertreffen. Gegen Thurman hätte der Brite kaum eine Chance, im Falle Garcias jedoch schon eher. Allerdings könnte dieser Kampf frühestens im Sommer über die Bühne gehen.

Eddie Hearn ist offenbar darauf bedacht, alle Türen offenzuhalten. Wie er berichtet, habe Brook ohne zu zögern zugestimmt, gegen Errol Spence anzutreten. Fast im selben Atemzug nennt der britische Promoter aber Manny Pacquiao und Amir Khan als weitere attraktive Optionen. Daß Hearn für den Kampf gegen Spence wiederholt eine Aufteilung der Börse im Verhältnis von 75:25 zugunsten Kell Brooks erwähnt hat, könnte darauf schließen lassen, daß er den Pflichtherausforderer und dessen Berater Al Haymon abschrecken möchte, die dabei finanziell einen schlechten Schnitt machen würden. Andererseits braucht Spence den IBF-Titel, um als neuer Weltmeister einen Kampf zur Vereinigung der Gürtel gegen Thurman oder Garcia zu untermauern, so daß sich Brook dieser schweren Prüfung wohl kaum entziehen kann. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/12/kell-brook-vs-errol-spence-possible-april-may/#more-222341

2. Dezember 2016


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