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MELDUNG/2074: Träge, lustlos, außer Form (SB)



Billy Joe Saunders schleppt sich zum Sieg über Artur Akavov

Ob sich Billy Joe Saunders aus nicht nachvollziehbaren Gründen immer noch für den besten Mittelgewichtler auf Erden hält, sei dahingestellt. Jedenfalls unterstrich die erfolgreiche, aber mühsame Titelverteidigung des WBO-Weltmeister gegen den Außenseiter Artur Akavov im schottischen Paisley einmal mehr, welche Grenzen dem Können des Briten gesetzt sind. Berücksichtigt man, daß Saunders den Gürtel im Dezember 2015 durch einen knappen Punktsieg über den Iren Andy Lee recht glücklich gewonnen und seither nicht verteidigt hatte, mutet seine Regentschaft ohnehin nicht gerade glanzvoll an. Er stieg aus Verhandlungen mit Gennadi Golowkin aus, lehnte ein Angebot Oscar de la Hoyas ab, das ihn im folgenden Schritt mit Saul "Canelo" Alvarez zusammengeführt hätte und entschied sich schließlich für einen weithin unbekannten Russen.

Und selbst das hätte fast in einer Katastrophe geendet. Der 27jährige Champion wirkte behäbig, desinteressiert und außer Form, während sein drei Jahre älterer Gegner dank einer höheren Schlagfrequenz fleißig punktete. Erst in der zweiten Hälfte des Kampfs raffte sich der Brite aus seiner Lethargie auf und schaffte es irgendwie, die Punktrichter für sich einzunehmen, die ihn nach zwölf Runden zum einstimmigen Sieger erklärten (116:113, 116:112, 115:113). Damit behielt Saunders seinen Titel und blieb in 24 Auftritten ungeschlagen, während für Akavov nun 16 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen. [1]

Daß dem Weltmeister mehr als nur die fehlende Ringpraxis nach der langen Pause zu schaffen machte, zeichnete sich frühzeitig ab. Statt seiner Favoritenrolle gerecht zu werden und zu demonstrieren, daß er Herr des Geschehens sei und bleiben werde, ließ er sich in den ersten beiden Runden auf eine Art Schachspiel zweier Rechtsausleger ein, die mehr sondierten als zu punkten. Offensichtlich ermutigt, konnte der in den USA lebende Russe im dritten Durchgang einen klaren Treffer landen, als Saunders in den Seilen lehnte. Wenngleich der Brite versuchte, in der Folge etwas mehr für den Kampf zu tun, schlug er mit wilden Uppercuts an diesem Abend diverse Löcher in die Luft - für einen Boxer, der bekanntermaßen mit Konditionsproblemen zu kämpfen hat, eine eher verhängnisvolle Verschwendung. [2]

Akavov boxte munter weiter und traf den Champion in dieser Phase häufiger, weil er schlichtweg aktiver zu Werke ging. Befremdlich die Reaktion in der Ecke des Briten, die in Abwesenheit des Cheftrainers Jimmy Tibbs ihren Boxer lobte, wie gut er mit seinem Jab arbeite, obgleich dieser häufig ins Leere ging. Saunders legte denn doch etwas zu und versuchte schließlich in der zehnten Runde erstmals, Akavov niederzuzwingen, was jedoch mißlang. Im folgenden Durchgang schien sich der Champion derart zu erschöpfen, daß ihn sein Cutman in der Pause ermahnte, er müsse unbedingt die letzte Runde für sich entscheiden, da es andernfalls eng werden könnte. Dazu war Saunders jedoch konditionell nicht mehr in der Lage, so daß er dem Russen zum Abschluß das Feld überlassen mußte.

Hinterher war nur allzu verständlich, warum Billy Joe Saunders einen Kampf gegen Gabriel Rosado abgelehnt hatte, wie ihn Oscar de la Hoya ins Gespräch brachte, um dem Sieger ein Duell mit "Canelo" in Aussicht zu stellen. Der Brite war bei seinem Auftritt in Schottland derart außer Form, daß Rosado mit ihm schlittengefahren wäre und vermutlich einen vorzeitigen Sieg davongetragen hätte. Ein Saunders in Bestform, wie man ihn allerdings lange nicht mehr gesehen hat, wäre wohl in der Lage gewesen, aus den limitierten Fähigkeiten des Russen Kapital zu schlagen. Wenngleich Akavov beherzt und fleißig zu Werke ging, waren Schlagwirkung und Deckung doch nicht sonderlich gut ausgeprägt. Da der Weltmeister jedoch nicht in der Lage war, über längere Fristen Druck zu machen, hielt sein Gegner nicht nur bis zum Schlußgong durch, sondern setzte im Endspurt sogar noch einmal ein Zeichen. [3]

Nach dieser enttäuschenden Darbietung wird wohl niemand mehr ernsthaft behaupten, daß Saunders derzeit eine Chance gegen Golowkin oder Alvarez hätte. Selbst der Brite räumte hinterher selbstkritisch ein, er sei momentan noch für keinen von beiden bereit und müsse daher weitere Aufbaukämpfe bestreiten. Zwei Auftritte sollten es schon sein, zumal die eklatante Konditionsschwäche fast schon sein Markenzeichen geworden zu sein scheint. Gelingt es ihm nicht, einen Gegner vom Schlage des offensivstarken Rosado zu besiegen, kann er Gennadi Golowkin vergessen. Der einzige Grund, aus dem der Kasache Interesse an ihm hat, ist bekanntlich der WBO-Gürtel, mit dem "GGG" seine Titelsammlung im Mittelgewicht komplettieren möchte. Will Saunders sein Gesicht nicht endgültig verlieren, sofern das in seinem Fall überhaupt noch eine Rolle spielt, sollte er nicht ewig vor dem Kasachen davonlaufen. Vielleicht ist der Anflug von Selbstkritik nach der wenig erbaulichen Vorstellung in Paisley ja zumindest ein Hinweis darauf, daß sich Billy Joe Saunders mit seiner öffentlichen Selbsteinschätzung nicht länger zum Narren machen will.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18208859/billy-joe-saunders-wins-shine

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18197580/billy-joe-saunders-successfully-defends-wbo-middleweight-title-artur-akavov

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/12/billy-joe-saunders-v-artur-akavov-review/#more-222525

5. Dezember 2016


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