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MELDUNG/2085: Orakel mit Hintergedanken (SB)



Kommt es zum Kampf zwischen Amir Khan und Kell Brook?

Kommt es zum Kampf der beiden britischen Weltergewichtler Amir Khan und Kell Brook, der auf der Insel zweifellos auf enormes Interesse stoßen und vor großer Kulisse über die Bühne gehen könnte? Beide haben bei ihrem letzten Auftritt, für den sie einen Abstecher in ein höheres Limit machten, auf spektakuläre Weise gegen namhafte Gegner verloren. Der 30jährige Khan, Sohn pakistanischer Einwanderer aus Nordengland, stieg Anfang Mai mit dem nominellen Halbmittelgewichtler Saul "Canelo" Alvarez in den Ring. Wenngleich Amir Khan in der Vorbereitung körperlich gewaltig zugelegt hatte, um den Gewichtsunterschied zu reduzieren, wirkte er doch wesentlich schmächtiger als der Mexikaner. Dennoch hatte er fünf Runden lang die Nase vorn, wurde dann aber von einem Volltreffer von den Beinen geholt.

Noch schlimmer erging es dem ebenfalls 30 Jahre alten Kell Brook, der es im September wagte, sich im Mittelgewicht mit Gennadi Golowkin zu messen. Wenngleich der Brite erstaunlicherweise schwerer als der Kasache antrat und somit diesbezüglich keineswegs benachteiligt war, zog er sich frühzeitig einen Bruch an der rechten Augenhöhle zu. In der zweiten Runde machte Brook dank seiner Beweglichkeit eine gute Figur, doch hatte er in der Folge Golowkin immer weniger entgegenzusetzen, bis sein Trainer Dominic Ingle schließlich in der fünften Runde das weiße Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf.

Während Khan, der 31 Auftritte gewonnen und vier verloren hat, im Frühjahr zunächst einen Aufbaukampf bestreiten möchte, um sich dann im Sommer mit Brook zu messen, steht dieser vor einer schwierigen Entscheidung. Der amtierende IBF-Weltmeister mit einer Bilanz von 36 Siegen und einer Niederlage muß seinen Titel gegen den in 21 Kämpfen ungeschlagenen Pflichtherausforderer Errol Spence aus den USA verteidigen. Dieser wird als das größte Talent im Weltergewicht und sogar als möglicher Nachfolger Floyd Mayweathers gehandelt, was seine künftige Dominanz in dieser Gewichtsklasse betrifft. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, doch dürfte Spence auch jetzt schon gefährlich genug sein, um Kell Brook auf die Bretter zu schicken.

Stellt sich der IBF-Champion dem jüngeren Herausforderer, wie es der Verband verlangt, droht ihm der Titelverlust und die zweite schwere Niederlage in Folge. Hatte er das Debakel gegen Golowkin noch in einen heldenhaften Untergang umgemünzt, der ihm zumindest unter seinen Landsleuten beträchtliche Sympathien einbrachte, würde man ihm ein zweites Scheitern wohl kaum mit derselben Großzügigkeit nachsehen. Und daß er ohne seinen Gürtel den Kampf gegen Amir Khan bekäme, darf bezweifelt werden. [1]

Khan, der gegenwärtig die gesamte Werbung für das Duell mit Brook an sich gezogen zu haben scheint und tagtäglich Prognosen an die Adresse diverser Konkurrenten in dieser Gewichtsregion in die Welt setzt, als sei er das Orakel der Branche, warnt den IBF-Weltmeister vor einem freiwilligen Verzicht auf den Titel. Er könne einen Champion nicht respektieren, der lieber zurücktritt, als sich einem Pflichtherausforderer zu stellen. Khans Hintergedanke liegt auf der Hand: Er will seinem Landsmann im Sommer den IBF-Titel abnehmen.

Brooks Promoter Eddie Hearn dürfte eine maßgebliche Rolle bei den Überlegungen zukommen, wie zu verfahren sei. Er könnte seinem Boxer davon abraten, sich Spence zu stellen, oder mit dem Wunsch an die IBF herantreten, die Pflichtverteidigung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Darauf würde sich der Verband aber vermutlich nicht einlassen, zumal er bereits den 26. Februar als Termin für die Versteigerung der Austragungsrechte festgesetzt hat, sollten sich die beiden Lager bis dahin nicht auf die Konditionen des Kampfs einigen. Zudem hat die IBF Kell Brook ja bereits gestattet, im Mittelgewicht gegen Gennadi Golowkin anzutreten, wovon sein Titel im Weltergewicht unberührt blieb. Eine weitere Ausnahme zugunsten des Briten ist auch aus diesem Grund nicht zu erwarten.

Mit seiner Behauptung, Brook sei die Nummer eins im Weltergewicht, hat Hearn die Ansprüche in den Himmel gehoben. Nun könnte das britische Gespann den Beweis antreten, daß der IBF-Weltmeister keinen Gegner seiner Gewichtsklasse fürchtet. Allerdings ist die Gefahr übergroß, daß der 26jährige ambitionierte US-Amerikaner den Briten auf ähnliche Weise demontiert wie Gennadi Golowkin. Khan zollt seinem Landsmann für den Mut Respekt, sich dem überragenden Kasachen gestellt zu haben. Jetzt gehe es aber um einen Gegner seines eigenen Limits, und Brook sei sich zweifellos bewußt, daß eine Niederlage die Pläne eines spektakulären innerbritischen Kampfs zunichte machen würde. Errol Spence sei keinesfalls unbesiegbar, aber ein junger, hungriger und ausgezeichneter Boxer, der sich mit den besten Konkurrenten messen wolle.

Er werde im April seinen nächsten Kampf bestreiten und überlasse die Wahl des Gegners seinem Manager Al Haymon, so Amir Khan. Mit einem Sieg in Tasche werde er dann für ein spektakuläres Duell im Sommer bereit sein, wofür neben Kell Brook auch der Sieger des Kampfs der Weltmeister Danny Garcia (WBC) und Keith Thurman (WBA) in Frage komme. Er rechne damit, daß Garcia die Oberhand behalten werde, den er für den versierteren Boxer halte, der sich auf die Stärken und Schwächen jedes Gegners einstellen könne. Zudem habe Thurman in der Vergangenheit längst nicht so hochklassige Kontrahenten besiegt wie Garcia, der ihn vor bislang unbekannte Probleme stellen werde. [2]

Wenn der in 33 Kämpfen ungeschlagene Danny Garcia und der in 27 Auftritten siegreiche Keith Thurman am 4. März in New York aufeinandertreffen, ist dies zumindest aus US-amerikanischer Perspektive das absolute Gipfeltreffen im Weltergewicht. Khan, der 2012 in der vierten Runde gegen Garcia verloren hat, dürfte seinen damaligen Bezwinger nicht zuletzt aus diesem Grund heute favorisieren. Aus nebulösen Gründen kam es nie zu einer Revanche, obgleich es an einem diesbezüglichen Interesse des Publikums nicht gefehlt hat. [3]

Da Khan die WBC-Rangliste anführt, steht ihm das Vorrecht zu, den Sieger des Kampfs zwischen Garcia und Thurman herauszufordern. Auch Errol Spence hat sein Interesse angemeldet, doch käme er wohl erst an die Reihe, nachdem er Brook den IBF-Titel abgenommen hat. Nun hängt die weitere Entwicklung also vor allem davon ab, zu welcher Entscheidung sich Kell Brook und Eddie Hearn durchringen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/kell-brook-vs-errol-spence-50-50-fight-says-bellew/#more-224365

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/khan-wants-kell-brooks-ibf-title-line-fight/#more-224392

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/01/khan-trashes-keith-thurman/#more-224383

3. Januar 2017


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