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MELDUNG/2148: Sabotage läßt grüßen (SB)



Störmanöver vor der Revanche zwischen Kowaljow und Ward

Am 17. Juni kommt es im Mandalay Bay Events Center in Las Vegas zur Revanche zwischen Andre Ward und Sergej Kowaljow. Der in 31 Kämpfen ungeschlagene Ward galt früher als bester Akteur im Supermittelgewicht und verteidigt nun die Titel der Verbände WBA, WBO, IBF und IBO im Halbschwergewicht gegen seinen Vorgänger, für den 30 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im November 2016 hatte der favorisierte Russe seinen Gegner zunächst klar dominiert und in der zweiten Runde niedergeschlagen. Ward war sich bewußt, daß er auf diese Weise unmöglich gewinnen konnte, und wechselte die Kampfesweise. Dicht am Gegner, ständig klammernd, wühlend, festhaltend und zugleich schlagend hinderte er Kowaljow an der Entfaltung, der dennoch insgesamt häufiger angriff und klarer traf. Um so erstaunlicher fiel die Wertung der Punktrichter aus, die den Herausforderer jeweils mit 114:113 in Front sahen.

In der Nachlese hoben manche Kommentatoren den Umstand hervor, daß der Russe gegen den US-Star vor dessen Publikum und einem durchweg amerikanischen Kampfgericht von vornherein schlechte Karten gehabt habe. Solange regelkonform geboxt wurde, war Kowaljow mit seinem gefährlichen Jab und sehenswerten Kombinationen zweifellos Herr im Ring. Als Ward jedoch seine taktische Marschroute komplett änderte und sich die Schwäche des Titelverteidigers in der Nahdistanz zunutze machte, begann sich Kampf allmählich zu drehen. Der Kalifornier ging zum Ringkampf über und hinderte den Russen am Schlagen, der weiterhin die härteren Treffer landen konnte, aber seltener als in der Anfangsphase zum Zuge kam. Ward vermied den Abtausch aus der Distanz, bei dem er nicht mithalten konnte, und wühlte statt dessen im Infight, wobei er sich jeglicher zulässiger wie auch fragwürdiger Aktionen bediente. Er beherrscht dieses grenzwertige Metier wie kaum ein anderer Boxer, was freilich nur funktioniert, wenn ihn der Ringrichter gewähren läßt.

Laut der Statistik von CompBox hatte der Russe häufiger geschlagen und mehr Treffer erzielt, während Ward allenfalls insofern effektiver boxte, als er relativ gesehen weniger Versuche brauchte, um sein Ziel zu finden. Zudem traf er fast ausschließlich mit einem kurzen Jab, der wenig Wirkung zeitigte, aber von den Punktrichtern offensichtlich favorisiert wurde. Daß sich viele Experten mit dem offiziellen Ergebnis nicht anfreunden konnten, erstaunt unter diesen Umständen nicht. Der Berliner Arthur Abraham, der Däne Mikkel Kessler und der Brite Carl Froch wissen ein Lied davon zu singen, wie wenig Andre Ward damals im Super-Six-Turnier beizukommen war.

So unbestritten der Kalifornier ein Boxer auf höchstem Niveau ist, war sein Aufstieg doch in aller Regel von wohlwollenden Kampfrichtern flankiert, die ihm im Ring freie Hand ließen und bei der Punktwertung belohnten. Bezeichnenderweise tritt Ward vorzugsweise im heimischen Umfeld und ausnahmsweise in Atlantic City oder Las Vegas, nie jedoch in New York oder gar im Ausland an. Bekäme er es mit einem Referee zu tun, der einen regelkonformen Boxkampf sehen will und kein Wrestling duldet, das ständige Klammern unterbindet und im Wiederholungsfall auch einen Punktabzug verhängt, wäre Ward seiner entscheidenden Stärken beraubt.

Kowaljow machte nach seiner Niederlage sofort von dem vertraglich vereinbarten Recht auf eine Revanche Gebrauch, der sich Ward nicht entziehen konnte, ohne die Titel zu verlieren. Je näher der Kampf rückt, desto heftiger werden die Wortgefechte zwischen den beiden Lagern, wobei es offenbar sogar zum Versuch der Spaltung des gegnerischen Teams gekommen ist. Wie Wards Manager James Prince und sein Anwalt Josh Dubin erklärten, sei Kowaljows Trainer John David Jackson an sie herangetreten, um zu sondieren, ob er den Russen verlassen und bei Wards Trainer Virgil Hunter anheuern könnte. Wie Jackson daraufhin bestätigte, habe er Kontakt mit den beiden gehabt, der jedoch entgegen ihrer Darstellung von ihnen ausgegangen sei. Er habe Kowaljow davon in Kenntnis gesetzt, worauf das Trainingslager ohne weitere Störungen fortgesetzt worden sei.

Wards Team versuche offenbar, Zwietracht zu säen, um die Vorbereitung zu stören. Ehrlicherweise müßten sie zugeben, daß sie den ersten Kampf verloren hatten, aber den Sieg zugesprochen bekamen. So etwas passiere beim Boxen nun einmal. Jetzt falle ihnen nichts anderes mehr ein, als Intrigen zu spinnen. Im Grunde genommen sei er sogar froh über diesen Angriff, da sein eigenes Team nun um so enger zusammenhalte und die Arbeit dadurch noch verbessert habe. Wenngleich das ganz sicher nicht die Absicht der Gegenseite gewesen sei, danke er ihr für diese Intervention, merkte Jackson ironisch an. Was die Behauptung betreffe, er sei an sie herangetreten, um die Seiten zu wechseln, sei das schlichtweg absurd. Seinetwegen könnten sie damit ruhig weiter hausieren, bis sie die Quittung am 17. Juni bekämen. Sergej sei fest entschlossen, sich seine Gürtel zurückzuholen, und habe alles dafür Erforderliche getan. Der Rest werde im Ring ausgetragen, da der Champion nicht rede, sondern kämpfe.

Kowaljow, der seit Jahren mit Jackson zusammenarbeitet, erteilte der Vorstellung eine Absage, sein Trainer habe sich mit dem Gedanken getragen, ihn zu verlassen und für seinen Rivalen zu arbeiten. Prince und Dubin zögen diese Nummer in der Absicht ab, Unruhe in sein Trainingslager zu bringen. Offenbar wollten sie Jackson für dumm verkaufen, wenn sie behaupteten, er habe sich ihnen angedient. Vermutlich hätten sie versucht, ihm Details der Vorbereitung oder der geplanten Strategie für den Kampf zu entlocken, und als das gescheitert sei, auf Bezichtigung umgeschaltet, um ihr Manöver zu tarnen. Auch der Russe bestätigte, daß dieser Angriff ihr Team nicht geschwächt, sondern noch enger zusammengeschweißt habe.

Im übrigen interessierten ihn solche schmutzigen Tricks nicht, da er sich einzig auf sein Vorhaben konzentriere, seinem Widersacher die Titel wieder abzunehmen. Ward sei in seinen Augen kein Champion, da er aufgrund einer Fehlentscheidung gewonnen habe und die Gürtel nicht verdiene. Als nach ihrem Kampf das Urteil verkündet wurde, habe er sich wie in einem Alptraum gefühlt, so Kowaljow. Er sei felsenfest davon ausgegangen, die Oberhand behalten zu haben. Doch wie er diesen Tiefschlag auch drehe und wende, könne er doch nichts an den niederschmetternden Fakten ändern, die das Kampfgericht in die Welt gesetzt habe.

Nach einiger Zeit sei es ihm gelungen, das Geschehene zu akzeptieren und den Blick nach vorn zu richten. Dies habe ihn darin bestärkt, alles in seiner Macht stehende zu tun, um bei der Revanche die Entscheidung nicht ein zweites Mal den Kampfrichtern zu überlassen. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hätten die Punktrichter Ward die Gürtel geschenkt. Deshalb könne er sich nicht darauf verlassen, daß es diesmal anders laufen würde. Folglich werde er Andre Ward entweder geschlagen auf die Bretter schicken oder zumindest so eindeutig dominieren, daß ein erneutes Fehlurteil ausgeschlossen sei. [1]


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19582898/sergey-kovalev-eager-avenge-loss-fake-champion-andre-ward

11. Juni 2017


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