Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2149: Auf dem Silbertablett serviert (SB)



Paul Smith verliert auch gegen Tyron Zeuge

Tyron Zeuge hat den Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Supermittelgewicht in Wetzlar durch einen einstimmigen Punktsieg über Paul Smith erfolgreich verteidigt (119:108, 119:108, 119:108). Fast hätte der 34jährige Brite bereits in der elften Runde die Segel streichen müssen, als ihn der neun Jahre jüngere Champion aus dem Team Sauerland auf die Bretter schickte. Wenngleich unklar blieb, ob der Herausforderer eher ausgerutscht als schwer getroffen worden war, wertete der Ringrichter diese Aktion als Niederschlag. Der damit verbundene Punktabzug spielte jedoch insofern keine Rolle, da Smith zu diesem Zeitpunkt bereits weit im Rückstand lag. Zeuge blieb mit einer Bilanz von 21 Siegen und einem Unentschieden weiter ungeschlagen, während für Smith nunmehr 38 gewonnene und sieben verlorene Auftritte zu Buche stehen.

Der Titelverteidiger dominierte den Kampf mit seinem Jab, der den Kontrahenten beschäftigte und immer wieder traf, was sich auf den Zetteln der Punktrichter in einem kontinuierlich wachsenden Vorsprung niederschlug. Lediglich in der dritten Runde kam Smith mit einer schweren Rechten durch, die Zeuge sichtlich Probleme bereitete. Der Brite versäumte es jedoch, sofort energisch nachzusetzen, als fürchte er, sich frühzeitig zu verausgaben. Diese Taktik spielte Zeuge in die Hände, der nicht nur die Gefahrensituation abwettern konnte, sondern bereits weit in Führung lag, als Smith im letzten Viertel des Kampfs endlich aufdrehte. Der Brite brachte etliche wuchtige Treffer ins Ziel, die manch anderen Gegner von den Beinen geholt hätten. Dank ausgezeichneter Nehmerqualitäten hielt der Champion diesen Angriffen jedoch stand und brachte den Kampf sicher nach Hause.

Hätte Paul Smith früher begonnen, Druck zu machen und dem Gegner zuzusetzen, wäre es ihm womöglich gelungen, Zeuge auf die Dauer so zu schwächen, daß er einem Volltreffer nicht mehr gewachsen gewesen wäre. So verständlich die Vorgehensweise des etliche Jahre älteren Briten gewesen sein mochte, mit seiner Kondition hauszuhalten, erwies sie sich doch letzten Endes als Eigentor. Im Grunde hätte Smiths Trainer seinem Schützling Dampf machen müssen, als dieser Runde für Runde aus der Hand gab und immer weiter zurückfiel. Womöglich hatte das britische Team gehofft, Zeuge mit einigen zielsicheren Treffern zur Strecke bringen zu können, und sich deshalb Zeit gelassen.

Da Smith offensichtlich eine größere Schlagwirkung als Zeuge aufbieten konnte, kam die taktische Marschroute des Herausforderers einer fatalen Vergeudung seiner gefährlichsten Waffe in diesem Kampf gleich. Der Weltmeister konnte neun Runden lang mit seinem Jab schalten und walten, worauf der Brite auch seine Offensive in den letzten drei Durchgängen nicht mit letzter Entschiedenheit vortrug. Smith wirkte nicht wie ein Kandidat, der bis zum Umfallen um den Titel kämpft und dafür auch das Risiko eingeht, selber schwer getroffen zu werden.

Angloamerikanische Kommentatoren monierten denn auch, daß die Kampfesweise Tyron Zeuges durchaus abzusehen gewesen sei. Dieser setze wie früher Felix Sturm, Robert Stieglitz oder andere deutsche Boxer insbesondere den Jab ein, um den Gegner zu kontrollieren und Punkte zu sammeln. Werde dieser Stil beharrlich durchgetragen, stelle er den Kontrahenten vor große Probleme, der selten die passende Distanz für seine Schläge finde. Da helfe nur ein energischer Angriff, der den Abstand überbrückt und die disziplinierte Arbeit mit dem Jab nachhaltig stört. Smith habe es jedoch versäumt, dieser vorhersehbaren Konstellation Rechnung zu tragen, und sich dem Gegner angepaßt, bis es zu spät war.

Natürlich ist nicht auszuschließen, daß sich der Brite im Falle energischer Attacken frühzeitig erschöpft und dadurch verloren hätte. Darauf zu hoffen, einen anspruchsvollen Gegner wie Zeuge mit einem einzigen Volltreffer auszuschalten, kommt jedoch einer eklatanten Überschätzung der eigenen Möglichkeiten gleich. Smith kann zwar ordentlich zuschlagen, aber wiederum nicht mit der Wucht, die erforderlich wäre, um einen hochklassigen Kontrahenten sofort von den Beinen zu holen. Zeuge mag zwar insofern ein zweitklassiger Weltmeister sein, als er eine Etage unter dem Rang des Superchampions der WBA firmiert, doch macht das aus ihm keinen zweitklassigen Boxer, der sofort umfällt, wenn er gefährliche Schläge abbekommt.

Damit hat Paul Smith auch seine dritte und vermutliche beste Chance in den Sand gesetzt, Weltmeister im Supermittelgewicht zu werden. Eine weitere Gelegenheit wird er wohl nicht bekommen, zumal Zeuge als der schwächste der aktuellen Weltmeister im Supermittelgewicht gilt. Der Brite ist mittlerweile vierzehn Jahre im Profigeschäft und hat gegen Arthur Abraham, Andre Ward, James DeGale, George Groves und nun auch Tyron Zeuge den kürzeren gezogen. Ob er seine Karriere fortsetzt, ist nicht bekannt, doch dürfte er die Serie mehr oder minder geschenkter Titelchancen in den letzten drei Jahren ausgereizt haben. Er verlor gegen Abraham klar nach Punkten, bekam aber dank der haltlosen Behauptung, er sei in Berlin klar benachteiligt worden, eine Revanche. Für den damaligen WBO-Weltmeister war dies eine willkommene Gelegenheit, den nächsten Sieg einzufahren, was ihm dann noch überzeugender als beim ersten Aufeinandertreffen gelang. Trotz dieser Niederlagen bekam Smith einen Kampf gegen Andre Ward, als dieser einen Aufbaugegner suchte. Wie zu erwarten war, sah der Brite auch dabei kein Land, was ihm jedoch den Weg zu einer Herausforderung Tyron Zeuges keineswegs verbaute.

So gesehen besteht für Paul Smith wenig Anlaß, die Flinte ins Korn zu werfen. Um sich einen vierten Titelkampf auf halbwegs regulärem Weg zu verdienen, müßte er allerdings Gegner wie Anthony und Andre Dirrell, Callum Smith, Chris Eubank jun., José Uzcategui oder David Benavidez besiegen, was ihm kaum gelingen dürfte. Viel wahrscheinlicher ist daher, daß er vorerst namhaften Rivalen aus dem Weg geht, bei der Wahl seiner Gegner wieder drittklassigen Kontrahenten den Vorzug gibt und hofft, daß ihm sein Promoter früher oder später ein weiteres attraktives Geschenk auf dem Silbertablett serviert. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/06/tyron-zeuge-vs-paul-smith-results/#more-237035

20. Juni 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang