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MELDUNG/2159: Tyson Furys Rückkehr nicht in Sicht (SB)



Von einem Comeback im September ist keine Rede mehr

Ob der ehemalige Schwergewichtsweltmeister Tyson Fury jemals in den Ring zurückkehrt, bleibt weiter ungewiß. Als der 28jährige Brite jüngst nach seinen vor einiger Zeit geäußerten Plänen gefragt wurde, im September wieder einen Kampf auszutragen, blieb er die Antwort schuldig. Angesichts der dafür erforderlichen Vorbereitungszeit kann man daher wohl ausschließen, daß er in diesem Jahr einen Auftritt gibt. Eilig scheint er es jedenfalls nicht zu haben, zumal sich seine Überlegungen wohl eher um die entgegengesetzte Richtung zu drehen scheinen, nämlich einen endgültigen Abschied. Für einen Boxer seines Alters ist das insofern erstaunlich, als man annehmen sollte, daß er nichts unversucht läßt, seiner stagnierenden Karriere einen neuen Anschub zu geben. Andererseits hat er bekanntlich seine Titel zurückgegeben und eine Pause eingelegt, um sich mit seinen psychischen Problemen und deren Folgen auseinanderzusetzen.

Seit dem Sieg über Wladimir Klitschko sind inzwischen fast zwei Jahre ins Land gezogen. Der 2,06 m messende Riese hat seither so viel Gewicht zugelegt, daß er mehrere Monate intensiver Trainingsarbeit samt entsprechender Lebensführung investieren müßte, um sich in eine passable körperliche Verfassung zu bringen. Davon ist jedoch bislang nichts zu hören oder zu sehen. Statt dessen läßt sich der Brite darüber aus, wie unendlich schwer es sei, sich nach dem Triumpf des Titelgewinns noch einmal zu motivieren. Habe man den Mount Everest bezwungen, gebe es keine größere Herausforderung mehr.

Dem würde natürlich jeder erfahrene Bergsteiger vehement widersprechen und die Schwierigkeitsgrade anderer Gipfelstürme anführen, die jene beim Erklimmen der allerhöchsten Spitze in den Schatten stellen. Kehrt man von diesem metaphorischen Bild zum Boxsport zurück, wären insbesondere die Weltmeister Deontay Wilder (WBC), Anthony Joshua (WBA, IBF) und mit Abstrichen Joseph Parker (WBO) zu nennen, die Fury allesamt noch nicht vor den Fäusten gehabt hat. Sein Kampf gegen Klitschko nahm zwar einen unerwarteten Verlauf, doch war er überaus langweilig und bot ein geradezu unterirdisches Niveau. Der Brite rannte im Ring herum, um nur ja nicht getroffen zu werden, während der Ukrainer wie paralysiert dastand, als sei er nicht in der Lage, die notwendigen taktische Veränderungen vorzunehmen und beherzt anzugreifen. Wie üblich teilte Fury nur harmlose Schläge aus und wedelte oftmals mehr in der Luft herum, als daß er Treffer gelandet hätte. Am Ende trug er dennoch einen Punktsieg davon, weil sich der Titelverteidiger noch schlechter als ohnehin schon befürchtet präsentiert hatte.

Im Kampf gegen Anthony Joshua war Wladimir Klitschko eine Klasse besser und hatte den Briten in der sechsten Runde bereits am Haken, als er es abermals versäumte, entschieden nachzusetzen und den Sack zuzumachen. Statt dessen boxte er ruhig weiter, als könne ihm nichts mehr passieren, bis sich der zeitweise völlig erschöpfte Joshua wieder erholt hatte und ihn in der elften Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Davon abgesehen hätte Fury aber gegen einen Klitschko in dieser Verfassung keine Chance gehabt, was seinen damaligen Titelgewinn weitgehend relativiert.

Da er so lange aus dem Geschäft sei, könne man nicht erwarten, daß er sich sofort mit den Rivalen anlege, die derzeit im vollen Rampenlicht stünden, so Fury. Seine große Zeit sei vor zwei Jahren gewesen. Sollte er sich für ein Comeback entscheiden, werde es eine entsprechende Ankündigung geben. Andernfalls könne man davon ausgehen, daß er die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel gehängt habe, so der ehemalige Weltmeister. Das klingt denn doch sehr nach einem Abgang auf Raten, dessen offizielle Bestätigung nur noch eine Frage der Zeit ist. Seine körperlichen Voraussetzungen werden schließlich nicht besser, wenn er die Entscheidung um weitere Monate vertagt.

Doch selbst wenn er in den Ring zurückkehren würde und dafür zwischen 30 und 40 Kilo Gewicht reduziert hätte, wie das derzeit wohl erforderlich wäre, müßte man von einem enormen Substanzverlust ausgehen. Deswegen käme er kaum umhin, eine Reihe von Aufbaukämpfen gegen schwächere Kandidaten zu bestreiten, ehe er sich an Kontrahenten vom Kaliber Wilders, Joshuas oder Parkers heranwagen könnte. Die Gewichtsfrage ist jedoch nur eines von mehreren Problemen, mit denen sich der Brite konfrontieren müßte. Trotz seiner imposanten Statur hält sich seine Schlagwirkung in engen Grenzen, so daß er keinesfalls wie einst George Foreman bei seinem Comeback die jüngere und athletischere Konkurrenz das Fürchten lehren könnte. Zudem schien Fury im Kampf gegen Klitschko langsamer als bei früheren Auftritten geworden zu sein. Auch ein brillanter Techniker ist er nie gewesen, weshalb wenig übrigbleibt, womit er eine eingeschränkte körperliche Verfassung kompensieren könnte.

Träte er endgültig zurück, wäre er erst der zweite Schwergewichtschampion in der Geschichte des Boxsports nach Rocky Marciano, der seine Karriere ungeschlagen beendet hat. Damit endet aber auch schon der Vergleich, da Marciano mit 49 Siegen noch immer Rekordhalter ist, solange der mit ihm gleichauf liegende Floyd Mayweather in seinem umstrittenen Kampf gegen den UFC-Star Conor McGregor nicht die Nummer 50 vollmacht. Außerdem war er bei seinem Rücktritt amtierender Champion und längst in den Rang einer Legende aufgestiegen, was man von Fury keinesfalls sagen kann.

Noch bleibt dem wankelmütigen Briten eine gewisse Zeitspanne, um in sportlicher Hinsicht wieder Tritt zu fassen, wofür freilich eine enorme Motivation erforderlich wäre, sich noch einmal zu quälen. Von einer solchen Verfassung ist derzeit jedoch nichts zu spüren. Berichte aus seinem Umfeld, er habe das Training wieder aufgenommen und sei guten Mutes, im Herbst erneut mitzumischen, liegen inzwischen mehrere Monate zurück. Daß seither weitere Meldungen dieses Inhalts ausgeblieben sind, legt den Schluß nahe, daß es sich damals eher um Wunschdenken oder eine weitere Fassade gehandelt hat, mit der Fury seine tatsächliche Befindlichkeit kaschieren wollte. Daher kann man wohl eher davon ausgehen, daß Tyson Furys Sieg über Wladimir Klitschko am 28. November 2015 in Düsseldorf seine Abschiedsvorstellung gewesen ist.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/07/tyson-fury-sounding-ambivalent-comeback/#more-238947

21. Juli 2017


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