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MELDUNG/2170: Die vier boxenden Brüder aus Liverpool (SB)



Callum Smith will sich im Turnier bewähren

Die vier boxenden Brüder Paul, Liam, Stephen und Callum Smith aus Liverpool zeichnen sich durch Tugenden wie harte Arbeit, Widerstandsfähigkeit und Durchhaltevermögen aus. Doch ob sich wenigstens einer von ihnen dauerhaft in der Weltspitze etablieren kann ist ungewiß. Wenngleich sie auf nationaler und europäischer Bühne vieles erreicht haben, wovon andere Boxer lediglich träumen können, schien bislang am Ende stets die nötige Portion Talent zu fehlen. Am weitesten hat es bislang Liam Smith gebracht, der kurzzeitig WBO-Weltmeister im Halbmittelgewicht war, bis er sich Saul "Canelo" Alvarez im September 2016 vorzeitig geschlagen geben mußte. Wie sein Bruder Stephen arbeitet er derzeit daran, sich wieder nach oben voranzukämpfen und eine weitere Titelchance zu bekommen. Paul Smith, der Älteste des Quartetts, hat im Supermittelgewicht gegen namhafte Rivalen wie Andre Ward, George Groves oder James DeGale den kürzeren gezogen und wird wohl Ende des Jahres seine Karriere beenden.

Nun ruhen alle Hoffnungen der Fangemeinde auf dem Jüngsten, Callum Smith, der nach übereinstimmender Einschätzung seiner drei Brüder der talentierteste Boxer der Familie ist. In 22 Kämpfen ungeschlagen, von denen er 17 vorzeitig beendet hat, wurde er für die World Boxing Super Series nominiert, die von den Promotern Richard Schaefer und Kalle Sauerland für die Schweizer Comosa AG organisiert wird. Callum Smith ist dabei im Supermittelgewicht an Nummer zwei gesetzt und hat sich als Gegner den ebenfalls in 22 Auftritten siegreichen Schweden Erik Skoglund ausgesucht. Als Turnierfavoriten werden freilich seine Landsleute George Groves und Chris Eubank jun. gehandelt, wobei IBF-Weltmeister James DeGale wegen einer Verletzung und WBO-Champion Gilberto Ramirez aus Mexiko, der Ende September seinen Titel in den USA verteidigt, nicht mit von der Partie sind.

Damit ist das Turnier in dieser Gewichtsklasse erheblich schwächer als das legendäre Super Six im Jahr 2011 besetzt. Allerdings wird diesmal auch im Cruisergewicht geboxt, wo die gesamte Weltelite vertreten ist. Es kämpfen jeweils acht Teilnehmer paarweise gegeneinander, wobei der Sieger die nächste Runde erreicht. Die Viertelfinalkämpfe sollen im September und Oktober stattfinden, die Halbfinals sind für Januar und Februar 2018 geplant, die Sieger in beiden Gewichtsklassen werden im Mai 2018 gekürt. Diese können dann mehr als zehn Millionen Euro einstreichen und werden zudem mit der Muhammad-Ali-Trophy geehrt. Für das ambitionierte Turnier sollen insgesamt 50 Millionen Dollar Preisgeld ausgeschüttet werden.

Auf dem Papier ist Callum Smith ein aussichtsreicher Kandidat, und seine Kampfesweise könnte durchaus geeignet sein, die Konkurrenten in Schwierigkeiten zu bringen. Es ist von massiver Statur und bevorzugt die Halbdistanz und den Infight, wobei Schläge zum Körper seine gefährlichste Waffe sind, mit der er schon zahlreiche Gegner zu Boden oder zur Aufgabe gezwungen hat. "Mundo", wie er oft genannt wird, hat indessen noch keinen Gegner der höchsten Kategorie vor den Fäusten gehabt, weshalb man aus seinen bisherigen Erfolgen nicht ableiten kann, daß er sich auch auf höchster Ebene durchsetzen wird. Sein bislang hochkarätigster Gegner war der Liverpooler Rivale Rocky Fielding, den er im Jahr 2015 gleich in der ersten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Der Lackmustest steht ihm im Turnier erst noch bevor. [1]

Da Erik Skoglund bislang im Cruisergewicht angetreten ist und nun sein Debüt im niedrigeren Limit gibt, steht zu vermuten, daß er aufgrund der dafür erforderlichen Reduzierung seines Gewichts nicht in allerbester körperlicher Verfassung in den Ring steigen wird. Daher hat Callum Smith gute Aussichten, den Schweden am 16. September in der heimischen Echo Arena in Liverpool mit seinen Körpertreffern in die Schranken zu weisen. Sollte sich der Brite durchsetzen, könnte er auf Jürgen Brähmer treffen, der es zunächst mit dem 26jährigen Rob Brant aus St. Paul in Minnesota zu tun bekommt. Auch der US-Amerikaner ist in 22 Kämpfen ungeschlagen, aber international eher ein unbeschriebenes Blatt. Der Schweriner ist als ehemaliger Weltmeister im Halbschwergewicht mit einer Bilanz von 48 Siegen und drei Niederlagen geradezu ein Veteran in diesem Duell. Dank seiner Erfahrung sollte er in der Lage sein, bei diesem Auftritt die Oberhand zu behalten.

George Groves gilt im Kampf gegen seinen Landsmann Jamie Cox ebenso als Favorit wie Chris Eubank jun. beim Auftakt gegen den jungen Türken Avni Yildirim. Damit deutet sich ein Halbfinale zwischen Groves und Eubank an, so daß Callum Smith im Finale auf einen der beiden treffen würde, wenn er sich denn gegen Skoglund und Brähmer durchsetzen könnte. Der Reiz des Turnierformats besteht jedoch nicht zuletzt darin, daß alles ganz anders kommen kann. Das damalige Super-Six-Turnier war reich an Überraschungen und Unwägbarkeiten, was allerdings auch mit seiner langen Dauer zusammenhing. So sorgten nicht zuletzt Verletzungen und andere krankheitsbedingte Ausfälle dafür, daß das Teilnehmerfeld zwischenzeitlich mit neuen Akteuren aufgefüllt werden mußte. Nicht von ungefähr haben die Veranstalter diesmal eine sehr enge Taktfolge vorgesehen, welche die Gefahr unverhoffter Rückschläge verringert und das Publikumsinteresse wachhält.

Mit der Turnierteilnahme geht Callum Smith das Risiko ein, den sorgsamen Aufbau der Karriere nach Maßgabe seines Teams aus der Hand zu geben und sich namhaften Gegnern in unmittelbarer Folge zu stellen. Andererseits winkt ihm die Chance, seiner Familie Ehre zu machen und sich ins Rampenlicht internationaler Aufmerksamkeit zu katapultieren. Günstiger könnten die Voraussetzungen im Grunde nicht sein, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und dabei eine Menge Geld zu verdienen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/08/curious-case-callum-smith/#more-240657

17. August 2017


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