Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2198: Bewegung im transatlantischen Dauerpoker? (SB)



Wilder verlangt Garantie von Joshuas Promoter Eddie Hearn

Im Dauerpoker mit dem britischen Promoter Eddie Hearn hat sich Deontay Wilder bereiterklärt, gegen Dillian Whyte anzutreten, sofern ihm ein sofortiger Kampf gegen Anthony Joshua vertraglich zugesichert wird. Diese Forderung ist nur recht und billig, da der WBC-Weltmeister aus Tuscaloosa in Alabama seit langem ein Duell mit dem Champion der Verbände WBA und IBF zur Vereinigung der Titel im Schwergewicht anstrebt. Auch sein britischer Rivale hat sich prinzipiell dazu bereiterklärt, doch Hearn besteht darauf, zuvor den ebenfalls bei ihm unter Vertrag stehenden Whyte gegen Wilder antreten zu lassen. Er hat sogar sein Angebot an den US-Amerikaner von ursprünglich drei auf nunmehr vier Millionen Dollar aufgestockt, macht aber bislang keinerlei Anstalten, dem WBC-Titelträger Brief und Siegel für den nächsten Schritt zu geben.

Wenngleich der führende britische Promoter stets versichert, daß es auf jeden Fall zum Kampf zwischen Joshua und Wilder kommen werde, gibt er dafür keine schriftliche Garantie. Er kann es sich leisten, dem Gegenpart eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe zu verweigern, da er am längeren Hebel sitzt. Anthony Joshua ist gegenwärtig der prominenteste Akteur des boomenden britischen Boxgeschäfts und kann mit einem namhaften Gegner eine Riesenarena wie das Londoner Wembley-Stadion mit 90.000 Zuschauern füllen wie auch bei Sky Box Office im Pay-TV für eine erstklassige Quote sorgen. Mit solchen Dimensionen kann Wilder in den USA schlichtweg nicht aufwarten, so daß er in den Verhandlungen letztendlich zu Kompromissen gezwungen ist.

Verständlicherweise will sich Wilder nicht auf das bloße Wort Eddie Hearns verlassen, wenn er sich notgedrungen mit Dillian Whyte abgibt, der an Nummer drei der WBC-Rangliste geführt wird. Dem britischen Promoter stünde es frei, hinterher von dem in Aussicht gestellten Kampf gegen Joshua Abstand zu nehmen oder ihn zumindest weiter in die Zukunft zu verschieben. Daher erklärt der 31jährige US-Amerikaner, er werde nach England kommen, sobald Joshuas Name in den Vertrag aufgenommen sei. Dillian Whyte sei ein leichter Gegner, den er im Schlaf und mit einer Hand auf dem Rücken besiegen könne. Eddie Hearn wisse nur zu gut, wie dieser Kampf ausgehen würde.

Ob der britische Promoter tatsächlich glaubt, daß sich Whyte gegen Wilder durchsetzen kann, sei dahingestellt. Eher schon dürfte Hearn daran gelegen sein, alle Trümpfe auszuspielen und doppelt zu verdienen. Gewinnt der US-Amerikaner, würde das einen Kampf gegen Joshua nur noch aufwerten. Zöge Wilder jedoch wider Erwarten den kürzeren, könnte Hearn seine beiden Weltmeister gegeneinander antreten lassen und hätte die volle Kontrolle über dieses Duell samt der dabei erzielten Einkünfte. So gesehen macht es aus seiner Sicht durchaus Sinn, dem US-Amerikaner vorab keine definitive Zusage zu geben. [1]

Allerdings birgt diese Vorgehensweise natürlich das Risiko, daß der weithin geforderte Kampf der Superlative im Schwergewicht nicht zustande kommt. Ewig Zeit lassen kann sich Hearn insofern nicht, als Wilder oder Joshua unterdessen verlieren und damit den Dampf aus dem Kessel hochgeschraubter Erwartungen lassen könnten. Anthony Joshua wäre um ein Haar an Wladimir Klitschko gescheitert und könnte auch von einem anderen gefährlichen Gegner mit einem Volltreffer entthront werden. Die notorischen Konditionsprobleme des Briten dürften so schnell nicht aus der Welt zu schaffen sein. Entgegen der Ankündigung, er werde bei seiner Titelverteidigung gegen den neuen Pflichtherausforderer Carlos Takam erheblich leichter in den Ring steigen und mithin nicht so schnell aus der Puste kommen, hat er beim offiziellen Wiegen mit gut 115 kg mehr denn je auf die Waage gebracht.

Der in 19 Auftritten ungeschlagene Joshua trifft bei seiner vierten Titelverteidigung vor rund 75.000 Zuschauern in Cardiff auf den Franzosen, für den 35 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen. Takam ist für den ursprünglich vorgesehenen Bulgaren Kubrat Pulew aus dem Team Sauerland eingesprungen, der sich im Training an der Schulter verletzt hat. Eine Woche später bekommt es Deontay Wilder im Barclays Center in Brooklyn ebenfalls mit einem Pflichtherausforderer zu tun, wenn er zu einer Revanche mit Bermane Stiverne in den Ring steigt.

Sollten beide Weltmeister ihre Auftritte unbeschadet überstehen, stünde ihrem Duell im kommenden Jahr laut Joshua nichts mehr im Wege. Er würde dazu auch in den USA antreten, da er wie vordem sein Landsmann Lennox Lewis auch diesen so wichtigen Markt erschließen will. Eddie Hearn räumt unumwunden ein, daß es nicht leicht sei, der britischen Szene eine Zeitlang den Rücken zu kehren, wo mit 75.000 Zuschauern in Cardiff oder 90.000 in Wembley Rekordkulissen möglich seien, wie man sie in den USA nicht bekommen werde. Anthony Joshua sei jedoch ein Weltmeister und eine globale Marke, weshalb der US-Markt unverzichtbarer Bestandteil der Zukunftsplanung werde. Joshua hat zwar seit seinem Sieg über Wladimir Klitschko die Nase vorn, was die Prominenz seiner Gegner betrifft, aber nur halb so viele Kämpfe bestritten und vorzeitig gewonnen wie Wilder. Amerika sei nun einmal das Mekka des Boxsports, weshalb er dorthin reisen und seinen Teil zu dem herausragenden Kampf beitragen werde, auf den keiner von beiden verzichten könne, wolle er eine Ära an der Spitze des Schwergewichts begründen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/10/wilder-says-hell-fight-whyte-hes-given-guaranteed-joshua-fight/#more-245880

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/21166164/anthony-joshua-fight-deontay-wilder-next-year

29. Oktober 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang