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MELDUNG/2231: Schwergewicht - in die Jahre gekommen ... (SB)



Alexander Powetkin und David Price in Joshuas Vorprogramm

Am 31. März treffen die Weltmeister Anthony Joshua (WBA/IBF) und Joseph Parker (WBO) vor 80.000 Zuschauern in Cardiff aufeinander, um die Titel zusammenzuführen und die Flurbereinigung im Schwergewicht voranzutreiben. Der Kampf im riesigen Principality Stadium, das über ein Schiebedach verfügt und damit witterungsunabhängig ist, wird für das britische Fernsehpublikum von Sky Sports im Pay-TV und von Showtime Sports in den USA übertragen. Beide Akteure sind ungeschlagen, wobei Joshua 20 Kämpfe vorzeitig gewonnen und Parker 24 Gegnern das Nachsehen gegeben hat. Nach dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London und dem Wechsel ins Profilager wurde Anthony Joshua von seinem Promoter Eddie Hearn zum populärsten Boxer des Landes aufgebaut, der seine Auftritte vor gewaltiger Kulisse über die Bühne bringt.

Als der Brite 15 Siege eingefahren hatte, lockte Hearn den frischgebackenen IBF-Weltmeister Charles Martin mit einem lukrativen Angebot nach London, wo ihm Joshua spielend leicht den Titel abnahm. Das war ein glänzender Schachzug, da der US-Amerikaner als schwacher Champion galt und dem Briten ein Gürtel in den Schoß fiel, der seine Position erheblich aufwertete. Kritische Stimmen, Eddie Hearn habe dank seines Einflusses und der wohlgefüllten Kriegskasse von Matchroom Sports seinem Zugpferd einen Titel gekauft, hielten den rollenden Zug nicht auf. Auch das Vorhaben, im US-Geschäft Fuß zu fassen, ist von langer Hand geplant und soll in diesem Jahr in Angriff genommen werden. Den WBC-Titel hält Deontay Wilder, der als schärfster Konkurrent des Briten gilt und bereit wäre, sich im Sommer mit ihm zu messen.

Sollte Joshua gegen Parker die Oberhand behalten, kämen im nächsten Schritt neben Wilder auch Jarrell Miller, Dillian Whyte und unter Umständen Tyson Fury als Gegner in Frage. Insbesondere ein Duell mit dem US-Amerikaner Miller könnte dazu beitragen, einen Kampf gegen Deontay Wilder im Herbst aufzuwerten. Allerdings gilt der 29jährige als gefährlicher Kandidat, der seinerseits gewaltig zuschlagen kann, so daß es sich Hearn sicher dreimal überlegen wird, ob er dieses Risiko eingehen will. Das gilt natürlich auch für Joseph Parker, dem Joshua jedoch aufgrund des WBO-Titels, den der Neuseeländer mitbringt, nicht aus dem Weg gehen kann. Im April letzten Jahres hatte der 41jährige Wladimir Klitschko die Schwächen des Briten offengelegt. Der Neuseeländer hofft, das zu Ende zu bringen, was der Ukrainer versäumt hat, obgleich er Anthony Joshua am Haken hatte. Viel wird davon abhängen, wie der 26 Jahre alte Parker die frühen Runden übersteht, in denen der Brite seine Stärken auszuspielen pflegt. Mit steigender Rundenzahl läßt der muskulöse Joshua nach, da ihm die Luft ausgeht und er immer längere Erholungspausen einlegen muß. [1]

Im Vorprogramm tritt Alexander Powetkin, ehemals regulärer Weltmeister der WBA im Schwergewicht, gegen David Price an. Der 38jährige Russe kann mit 33 Siegen und einer Niederlage aufwarten, während der vier Jahre jüngere Brite mit einer Bilanz von 22 gewonnenen und vier verlorenen Auftritten nicht nur auf dem Papier als Außenseiter daherkommt. Dies könnte einer jener Kämpfe werden, die schneller beendet sind, als die letzten Zuschauer Platz genommen haben. Daß Powetkin dieses Duell überhaupt angenommen hat, obgleich Price im Grunde kein relevanter Gegner für ihn ist, dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, daß er beim Verband WBA Pflichtherausforderer Anthony Joshuas ist. Mit seinem Auftritt in Cardiff könnte sich der Russe beim britischen Publikum ins Gespräch bringen und für einen Titelkampf womöglich noch vor Ende des Jahre empfehlen.

Wenngleich David Price natürlich nicht völlig chancenlos in den Ring steigt, müßte er wohl schon einen ausgesprochenen Glückstreffer landen, um Powetkin die Leviten zu lesen. Im Oktober 2013 schickte er seinen Landsmann Audley Harrison gleich in der ersten Runde mit einer wuchtigen Rechten auf die Bretter, auch Sam Sexton und Matt Skelton mußten rasch die Segel im Kampf mit ihm streichen. Doch seither sind etliche Jahre ins Land gezogen, in denen Price erheblich nachgelassen und bittere Niederlagen bezogen hat. Er ist langsamer geworden, und seine Kondition läßt zu wünschen übrig, was seinerzeit bereits Tony Thompson schonungslos offengelegt hat. Obgleich er fast zehn Jahre älter war, setzte er den Briten bei ihrer Revanche Runde für Runde unter Druck, bis dieser völlig erschöpft und sturmreif geschossen war. Dennoch redet sich David Price Mut zu und kündigt wieder einmal an, diesmal gehe es für ihn um alles oder nichts. Dieser Kampf könne sein Leben ändern, weshalb er alles daransetzen werde, den Ring als Sieger zu verlassen.

Natürlich muß Powetkin auf der Hut sein, da ihn eine Niederlage aller Aussichten auf einen Kampf gegen Anthony Joshua berauben würde. Er wäre dann nicht mehr Pflichtherausforderer und stünde wieder so weit hinten in der Schlange, daß er kaum noch zum Zuge käme. Da Price erheblich größer ist und der Russe mit hochgewachsenen Kontrahenten wie Wladimir Klitschko, Christian Hammer und Mariusz Wach beträchtliche Probleme hatte, könnte dies womöglich die einzige Trumpfkarte des Briten sein. Powetkins gefährlichste Waffe ist der linke Haken, sofern er ihn nicht nach oben schlagen muß, da er dabei an Wucht verliert. Gelingt es Price, seinen Kopf aus der Reichweite des Gegners zu bringen, hätte er bessere Aussichten, den Kampf zumindest in die Länge zu ziehen.

Ob er jedoch dem Druck des Russen konditionell standhalten kann, muß mit einem Fragezeichen versehen werden. Bislang ist es nur Wladimir Klitschko gelungen, den Drang dieses Gegners zu bremsen und ihn zu besiegen. Bei ihrem Titelkampf im Jahr 2013 nahm er Powetkin jedesmal in den Klammergriff, sobald ihm dieser zu nahe kam. Der Ringrichter ließ den Weltmeister gewähren, der mit diesem ständig wiederholten Manöver den Herausforderer neutralisierte. Eines derartigen Vorgehens hat sich David Price jedoch noch nie bedient, so daß nicht zu erwarten steht, daß er es gegen Powetkin ins Feld führen könnte. Allerdings legten dessen Kämpfe gegen Christian Hammer und Andrej Rudenko nahe, daß er den Zenit seines Könnens überschritten hat und nicht mehr dieselbe Schlagwirkung wie früher entfalten kann. Schien er in der Vergangenheit nahezu unbesiegbar zu sein, mußte er sich zuletzt doch sichtlich abmühen, um gegen eher durchschnittliche Kontrahenten die Oberhand zu behalten.

Da Christian Hammer und Erkan Teper den Briten vorzeitig besiegt haben, wäre es keine Überraschung, wenn Powetkin dasselbe gelänge. Dies würde Joshua und Parker zwar nicht besonders beeindrucken, aber sicher das Interesse der britischen Zuschauer wecken, den Russen bald wiederzusehen. Daß sich David Price seit geraumer Zeit auf dem absteigenden Ast befindet und auch Alexander Powetkin nachgelassen hat, ist natürlich all jenen bekannt, die den Boxsport interessiert verfolgen. Beim Durchschnittspublikum käme ein spektakulärer Ausgang des Kampfs jedoch sicher gut an, weshalb der Russe in diese Kerbe schlägt und eine beeindruckende Darbietung ankündigt. Er werde eine großartige Vorstellung geben und gegen Ende des Jahres den Sieger des Kampfs zwischen Joshua und Parker herausfordern. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/joshua-vs-parker-showtime-mar-31/#more-255867

[2] www.boxingnews24.com/2018/02/david-price-faces-alexander-povetkin-march-31/#more-255560

7. Februar 2018


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