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MELDUNG/2242: Mittelgewicht - taktischer Rückzug in bedrängter Lage ... (SB)



Saul "Canelo" Alvarez sagt Kampf gegen Gennadi Golowkin ab

Gennadi Golowkin verteidigt die Titel der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO im Mittelgewicht am 5. Mai in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas, die bis zu 17.000 Zuschauer faßt. Nach der Absage des Mexikaners Saul "Canelo" Alvarez hat es Promoter Tom Loeffler vorgezogen, den Kampf nicht wie ursprünglich geplant in der größeren T-Mobile Arena mit ihren 20.000 Plätzen auszutragen, da etwas weniger Zuspruch vor Ort erwartet wird. Die Übertragung erfolgt jedoch nach wie vor beim Sender HBO im Pay-TV, wo man offenbar darauf setzt, daß die Popularität des Kasachen nach dem ersten Duell mit "Canelo" im September 2017 hinreichend gestiegen ist, um auch ohne einen besonders beliebten Kontrahenten für einen relevanten Umsatz zu sorgen.

Der Mexikaner war im Februar bei Trainingskontrollen der Antidopingagentur VADA zweimal positiv auf Spuren der verbotenen Substanz Clenbuterol getestet worden, die er auf den Verzehr verunreinigten Fleisches in Mexiko zurückführt. Nachfolgende Tests fielen dann negativ aus. "Canelo" muß sich am 18. April einer Anhörung vor der Sportkommission von Nevada stellen, die darüber entscheidet, ob er für eine gewisse Frist suspendiert wird. Nach wochenlangen heftigen Kontroversen über die Glaubwürdigkeit seiner Argumente hat er es vorgezogen, auf den Kampf zu verzichten, und damit Golowkin freie Hand gegeben, sich einen anderen Gegner auszusuchen. Die Entscheidung des Mexikaners dürfte damit zusammenhängen, daß sich seit zwei Wochen die Hinweise verdichten, die Kommission könnte eine Sperre verhängen.

Golowkins Promoter steht dennoch jede Menge Arbeit ins Haus, kurzfristig eine Alternative zu finden. WBO-Weltmeister Billy Joe Saunders hat den letzten Titel in seinem Besitz, der dem Kasachen noch zur Komplettierung seiner Sammlung fehl. Der Brite wäre also ein idealer Ersatz, doch ist er derzeit verletzt und hat zudem für den 23. Juni einen Kampf gegen Martin Murray vereinbart. Nach den Worten seines Promoters Frank Warren wäre man sofort bereit, im Juni gegen Golowkin anzutreten, der jedoch den Termin nahe des mexikanischen Feiertags Cinque de Mayo nicht aufgeben wird, an dem traditionell bedeutende Boxkämpfe unter großer Beteiligung des Publikums ausgetragen werden.

In Frage kämen auch Jermall Charlo, der jedoch am 21. April gegen Hugo Centeno antreten will, oder Daniel Jacobs, für den am 28. April Maciej Sulecki als Gegner vorgesehen ist. Sergej Derevianschenko wäre ein anspruchsvoller Herausforderer, ist aber dem US-Publikum kaum bekannt, was letztlich auch für den Linkshänder Demetrius Andrade gilt, der eigenen Angaben zufolge sofort einspringen würde, bekäme er denn die Gelegenheit dazu. Die besten Aussichten, mit Golowkin in den Ring zu steigen, hat derzeit der zähe Ire Gary O'Sullivan, der kräftig zuschlagen kann und für einen attraktiven Kampf gut sein dürfte. Auch für ihn gilt allerdings, daß er nicht einmal entfernt mit der Popularität und Zugkraft "Canelos" mithalten kann, die dem Mexikaner aus seiner riesigen Fangemeinde erwächst. Möglicherweise gelänge es ja, die irischen Boxfans von der Ostküste nach Las Vegas zu locken, wenn sich dort ein Landsmann mit dem gefürchteten Kasachen mißt.

Saul Alvarez wird zweifellos versuchen, trotz allem eine Freigabe seitens der Sportkommission oder wenigstens nur ein kurze Sperre zu erwirken. Als wahrscheinlichster Ausgang der leidigen Affäre gilt derzeit eine Suspendierung von wenigen Monaten, die es dem Mexikaner erlauben würde, die ausgefallene Revanche gegen Golowkin Mitte September nachzuholen, da dann mit dem Unabhängigkeitstag der zweite wichtige mexikanische Feiertag des Jahres abermals beste Umsätze verspricht. Anfang Mai und Mitte September waren die beiden Termine, an denen Floyd Mayweather aufzutreten und seine riesigen Börsen einzufahren pflegte. Nach seinem Karriereende hat "Canelo" diesen Platz eingenommen, den ihm nun Gennadi Golowkin streitig macht.

Der Präsident der Golden Boy Promotions, Eric Gomez, hatte die Absage des Kampfs gegen Golowkin damit begründet, daß nach der Anhörung am 18. April nicht mehr genügend Zeit bleibe, die Revanche angemessen zu bewerben. Da der Kasache sehr viel Geld verdienen und die Frage der Vorherrschaft im Mittelgewicht abschließend klären kann, wenn er abermals gegen "Canelo" antritt, wird er für seinen Auftritt im Mai vermutlich einen nicht allzu riskanten Gegner aussuchen. Gary O'Sullivan wäre insofern die naheliegendste Option, als auch andere potentielle Herausforderer in den USA nicht wesentlich populärer sind und der Ire kaum Runde für Runde weglaufen und auf diese Weise den Kampf unattraktiv machen würde. Außerdem wird Golowkin in Kürze 36 Jahre alt und will dennoch weiter ungeschlagen bleiben wie auch die Strecke seiner erfolgreichen Titelverteidigungen weiter ausbauen. [1]

Im Rahmen einer Pressekonferenz in Los Angeles begründete Saul Alvarez seinen Verzicht auf den Kampf gegen Golowkin im Mai und versicherte abermals, daß er stets ein sauberer Sportler gewesen und sich keiner Schuld bewußt sei, was den positiven Dopingbefund im Februar betrifft. Er wird sich also bei der Anhörung nicht schuldig bekennen, sondern auf der Version beharren, das Ergebnis der damaligen Probe müsse mit seinem Fleischverzehr zusammenhängen. Dieses Argument wurde in der Vergangenheit von positiv getesteten mexikanischen Boxern schon des öfteren ins Feld geführt, so daß es sich einerseits anbietet, andererseits aber inzwischen ausgedient zu haben scheint.

Vermutlich hätte es die Mehrzahl der Fans lieber gesehen, wenn "Canelo" weiterhin auf den Kampf Anfang Mai gesetzt hätte, da das seiner Glaubwürdigkeit zuträglich gewesen wäre. Die Begründung von Eric Gomez, daß nach der Anhörung zu wenig Zeit bleibe, läßt sich in Frage stellen. Die Golden Boy Promotions hatten schon zuvor auf eine Pressekampagne mit Auftritten in mehreren Städten verzichtet, da sie der Auffassung waren, daß sich der Rückkampf wie von selbst verkaufen würde. Warum unter diesen Umständen drei Wochen nicht mehr ausreichen sollten, Werbung zu machen, ist daher kaum nachvollziehbar. Möglicherweise hatte die turbulente Kontroverse um das Für und Wider des Dopingvorwurfs die Vorbereitung des Mexikaners auf den Kampf derart beeinträchtigt, daß er nicht mehr in Ruhe arbeiten und sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren konnte. Sollte das der Fall gewesen sein, wurde es jedoch mit keinem Wort erwähnt. [2]

Der Mexikaner entschuldigte sich bei Gott und der Welt, daß er sie leider enttäuschen müsse, weil er vorerst nicht in den Ring steigen werde, vergaß dabei aber, Gennadi Golowkin zu erwähnen, der ja ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird. Der Kasache hat sich wochenlang gezielt auf die Kampfesweise des Mexikaners vorbereitet und konnte mit der höchsten Börse seiner Karriere rechnen, die ihm vorerst entgeht. Daß "Canelo" bei der Entschuldigung all seine Sponsoren aufzählt, aber den Gegner keines Wortes würdigt, läßt tief blicken. Diese Einstellung korrespondiert mit seinem früheren Verhalten dem Kasachen gegenüber, dem er sich aus unerfindlichen Gründen überlegen zu fühlen scheint. Sein wortgewandter Promoter Oscar de la Hoya sprang mit der Einlassung für seinen Boxer in die Bresche, "Canelos" Charakter unterscheide sich signifikant von allem, was er in seinen mehr als 25 Jahren in diesem Geschäft erlebt habe. Er könne allen versichern, daß sich "Canelo" stets so professionell und hingebungsvoll verhalten habe, wie man das in diesem Sport leider allzu oft vermisse, so De la Hoya. [3] Etwas weniger dick aufzutragen und Saul Alvarez nicht schon wieder über den Klee zu loben hätte es sicher auch getan und dem Mexikaner womöglich größere Sympathien beschert, die er jetzt so dringend braucht.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/golovkin-i-will-be-defending-my-titles-on-cinco-de-mayo-in-las-vegas/#more-260244

[2] www.boxingnews24.com/2018/04/has-canelo-alvarez-done-the-right-thing/#more-260219

[3] www.boxingnews24.com/2018/04/canelo-i-have-always-been-a-clean-fighter/#more-260240

7. April 2018


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