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MELDUNG/2243: Schwergewicht - alter Bekannter in neuem Milieu ... (SB)



Marco Huck will sein Glück in der Königsklasse versuchen

Nach vierzehn Jahren im Cruisergewicht steigt der frühere WBO-Weltmeister Marco Huck ins Schwergewicht auf, wo er am 16. Juni in München auf Yakup Saglam trifft. Während für den 33jährigen Berliner 40 Siege, fünf Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, hat sein acht Jahre älterer Gegner 40 gewonnene und vier verlorene Auftritte vorzuweisen. Mit einer Größe von 1,93 m verfügt der in Deutschland lebende Türke Saglam über eine ausgezeichnete Statur, und daß er gehörig zuschlagen kann, belegen diverse vorzeitige Siege in seiner zwölf Jahre währenden Profilaufbahn. Allerdings setzte er sich dabei gegen Kontrahenten von begrenzten Qualitäten durch. Traf er auf anspruchsvollere Akteure wie Michael Wallisch, Manuel Charr, Odlanier Solis und Joseph Parker, mußte er sich geschlagen geben, wobei ihm Charr (2013) und Parker (2015) jeweils binnen zwei Runden das Nachsehen gaben.

Marco Huck war von 2009 bis 2015 sechs Jahre lang WBO-Weltmeister im Cruisergewicht und hat diesen Titel dreizehnmal erfolgreich verteidigt. Bei einem Abstecher ins Schwergewicht verlor er im Februar 2012 nur knapp nach Punkten gegen den damaligen regulären WBA-Weltmeister Alexander Powetkin. Nicht wenige Fans und Experten hielten ihn damals sogar für den besseren Boxer, da er Runde für Runde die klareren und wirksameren Treffer erzielte. Für den Russen war dies jedenfalls einer der schwersten Kämpfe seiner Karriere, wenn man einmal von seiner Niederlage gegen Wladimir Klitschko im Jahr 2013 absieht. Huck neigte nach diesem respektablen Auftritt dazu, es nicht bei einem einmaligen Ausflug in die Königsklasse zu belassen, doch bewogen ihn sein Promoter Wilfried Sauerland und Trainer Ulli Wegner dazu, als amtierender Champion im Cruisergewicht zu bleiben, wo sie sich bessere Chancen für ihn ausrechneten.

Damals war Huck 27 Jahre alt, voller Zuversicht und machte technische Mängel durch sein Ungestüm wett. Seither hat er jedoch jede Menge Schlachten gegen Firat Arslan, Ola Afolabi, Dimitro Kucher, Krzysztof Glowacki, Mairis Briedis und Oleksandr Ussyk geschlagen und dabei Federn gelassen. Nach seiner Trennung von Sauerland und Wegner vermarktete er sich in Eigenregie und gab im August 2015 sein Debüt in den USA. Er traf dabei auf den ungeschlagenen Polen Glowacki, der als Außenseiter galt. Der Titelverteidiger ging mit aller Macht auf den Herausforderer los, um ihn niederzuzwingen, lief dabei aber ins offene Messer, da er sich durch K.o. in der elften Runde geschlagen geben mußte. Er lag zu diesem Zeitpunkt nach Punkten in Führung und hätte den Vorsprung bei einer besonneneren Kampfesweise sicher nach Hause boxen können. Zwangsläufig machten Erwägungen die Runde, daß ihm das mit Ulli Wegner in seiner Ecke, der vordem das Temperament des Heißsporns zu zügeln verstand, nicht passiert wäre.

In seinen letzten beiden Kämpfen unterlag er Briedis und im Viertelfinale der World Boxing Super Series dem Ukrainer Ussyk, wobei er in beiden Fällen keine allzu gute Figur abgab. Am 1. April 2017 mußte er sich in der Dortmunder Westfalenhalle dem Letten im Kampf um den vakanten Interimstitel des Verbands WBC klar nach Punkten geschlagen geben. Zum Auftakt des hochklassig besetzten Turniers traf er dann am 1. Juli 2017 auf Ussyk, der durch hervorragende Beinarbeit und variable Kombinationen bestach, worauf er durch technischen K.o. die Oberhand behielt. In den letzten drei Jahren ging es also mit Hucks Karriere bergab, so daß ungewiß ist, ob er im Schwergewicht noch einmal Tritt fassen und in den höchsten Rängen mithalten kann.

Im stark besetzten Cruisergewicht hätte er inzwischen wohl nicht mehr viel zu melden, zumal er der jüngeren Konkurrenz an Schnelligkeit und Konditionsstärke kaum noch gewachsen ist. Sollten die Rückschläge in jüngerer Zeit jedoch vor allem von Gewichtsproblemen herrühren, könnte ihm der Wechsel ins höhere Limit durchaus Spielraum verschaffen. Im Kampf mit Powetkin legte er eine beeindruckende Schlagwirkung an den Tag, doch liegt diese Sternstunde inzwischen sechs Jahre zurück. Ob er diese Wucht im Schwergewicht noch immer aufbieten kann, dürfte entscheidend für seine künftigen Erfolgsaussichten sein, da er nie ein technisch oder taktisch überragender Boxer war. Auch scheinen ihn die jüngsten Niederlagen viel von seiner früher so unerschütterlichen Zuversicht genommen zu haben, jeden Gegner niederkämpfen zu können.

Zudem ist er mit seinen 1,88 m Größe vergleichsweise klein für das heutige Schwergewicht, so daß er es mit körperlich überlegenen Gegnern zu tun bekommen wird. Mariusz Wach, Charles Martin, Johann Duhaupas, Lucas Browne, Dominic Breazeale, Alexander Ustinow und möglicherweise auch Kubrat Pulew könnte er dennoch gewachsen sein, kaum jedoch den Weltmeistern Deontay Wilder (WBC) und Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF). Sein kommender Kampf gegen Yakup Saglam ist ein erster Prüfstein, bei dem sich abzeichnen dürfte, wie gut Huck mit größeren und schwereren Kontrahenten fertig wird. Dazu bedarf es natürlich eines Ringrichters, der ihn auch in der Halbdistanz und im Infight gewähren läßt. Jüngst mußte der Neuseeländer Joseph Parker im Kampf zweier Weltmeister gegen Anthony Joshua in Cardiff die leidvolle Erfahrung machen, jedesmal vom Referee ausgebremst zu werden, wenn er dem Briten zu Leibe rücken wollte. [1]

Der Berliner wäre sicher gut beraten, sich nach Yakup Saglam mit einer Reihe weiterer nicht allzu gefährlicher Kontrahenten zu messen und Siege steigender Bedeutung einzufahren. Es würde wohl zwei Jahre dauern, bis er sich auf diese Weise in den Ranglisten so weit nach vorn gekämpft hat, daß er an die Tür eines Weltmeisters klopfen kann. Das meiste Geld ließe sich in einem Titelkampf gegen Anthony Joshua verdienen, für den Marco Huck jedoch noch lange kein Thema ist. Diverse namhaftere Schwergewichtler stehen Schlange, um von dem Briten und seinem Promoter Eddie Hearn auserwählt zu werden: Allen voran der amtierende WBC-Weltmeister Deontay Wilder, zudem der Pflichtherausforderer Alexander Powetkin, der US-Amerikaner Jarrell Miller und der ehemalige Champion Tyson Fury, um nur die prominentesten Namen zu nennen. Huck muß zuallererst den Beweis antreten, daß er sich im Schwergewicht durchsetzen kann, und zugleich seine Reputation mit attraktiven Darbietungen aufpolieren, um die Platzhirsche auf sich aufmerksam zu machen.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/marco-huck-moving-up-to-heavyweight/#more-260727

11. April 2018


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