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MELDUNG/2257: Supermittelgewicht - Trennungsschmerzen ... (SB)



Tyron Zeuge will Sauerland Event verlassen

Aktuellen Medienberichten zufolge will Tyron Zeuge nicht mehr für Sauerland Event in den Ring steigen und den Vertrag kündigen. Der Promoter pocht jedoch angesichts des laufenden Vertragsverhältnisses auf sein Recht und plant weiter mit dem Champion. Der reguläre WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht hat über einen Anwalt seinen bis Ende 2019 laufenden Vertrag gekündigt. Offenbar sind die Fronten verhärtet, die beiden Parteien sprechen derzeit nur über Anwälte miteinander. Angesichts dieses Rechtsstreits droht Sauerland der Verlust seines letzten verbliebenen Weltmeisters, die Talfahrt des deutschen Profiboxens setzt sich unter weiterer Auflösung seiner traditionellen Strukturen fort.

Der 25 Jahre alte Zeuge macht unterschiedliche Auffassungen über die sportliche Zukunft und nicht eingehaltene Zusagen geltend. Ein maßgeblicher Grund dürfte auch sein, daß sein Trainer Jürgen Brähmer, der selbst noch als Profiboxer aktiv ist, vor einer Woche seinen Abschied von Sauerland verkündet und dies mit harscher Kritik an seinem ehemaligen Arbeitgeber verbunden hatte. Er habe zuletzt mehr als den Trainerjob ausgefüllt und sich mit seinem Team um das Management gekümmert, Sparringspartner verpflichtet und die Reiseplanung organisiert, so der Schweriner. "Wenn wir sowieso alles selber machen, wozu braucht man dann Sauerland Event?" [1]

Hinzu kamen offenbar Differenzen mit seinem Arbeitgeber, weil er wegen einer Verletzung aus dem hochdotierten Turnier der World Boxing Super Series ausscheiden mußte, während andere Teilnehmer einen Aufschub bekommen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen vorübergehend nicht antreten können. [2] Brähmer hat in seiner Heimatstadt ein Trainingscamp aufgebaut, in dem er Zeuge zum Weltmeister formte. "Prinzipiell kommentieren wir keine rechtlichen Auseinandersetzungen, aber ich kann diesen Schritt absolut nachvollziehen und werde ihn unterstützen", so Jürgen Brähmer zu den Plänen seines Schützlings. [3]

Der Rückzug des ZDF aus seinem millionenschweren Vertrag mit dem Universum-Boxstall Klaus-Peter Kohls hatte dem Hamburger Unternehmen, seinerzeit der größte Boxstall Europas, das Genick gebrochen. Ähnlich scheint es Sauerland Event seit dem Ende der Zusammenarbeit mit der ARD und RTL zu gehen, da sich der notwendige Etat ungeachtet aller Versuche, die Tätigkeit durch Verbindungen nach Skandinavien und England auf breitere Füße zu stellen, nicht mehr im erforderlichen Umfang finanzieren ließ. Sauerland Event sah sich schließlich zu einem Sparkurs gezwungen, es kam zu personellen Einschnitten in der Geschäftsstelle, Boxer und Trainer litten zwangsläufig unter den Einbußen. Akteure wie der frühere Amateurweltmeister Jack Culcay kehrten dem Berliner Boxstall den Rücken.

Seit diesem Jahr überträgt der Spartensender Sport1 die Kampfabende Sauerlands, die Quoten sind bescheiden. Das wiederum schlägt sich in der Qualität der Kämpfe nieder. Das mache keinen Spaß und habe mit Boxen nichts mehr zu tun, wetterte Graciano Rocchigiani, der als Experte für Sport1 jüngst den umstrittenen Sieg Arthur Abrahams gegen den Dänen Patrick Nielsen kommentierte. Der Berliner hatte mit einem knappen Punktsieg sein drohendes Karriereende noch einmal abgewendet, wobei man sich über die Wertung der Punktrichter streiten konnte.

Daß der Berliner Promoter Tyron Zeuge nicht seiner Wege gehen lassen will, ist nur allzu verständlich. Nisse Sauerland hebt den "gültigen, rechtsverbindlichen Vertrag bis Ende 2019" hervor, den man weiterhin erfüllen werde. "Tyron ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unseres Teams." Wie der Promoter in einer Stellungnahme hinzufügte, habe man Zeuge zum Weltmeister gemacht und seit dem ersten Tag als Profi sehr viel in ihn investiert. Team Sauerland sei stolz, daß er seinen Titel mehrfach verteidigen konnte und freue sich auf weitere große Kämpfe mit ihm.

Zeuge, der seinen Titel am 24. März in Hamburg erfolgreich gegen den Nigerianer Isaac Ekpo verteidigt hat, könnte mit Arthur Abraham oder dem aufstrebenden Vincent Feigenbutz zusammengeführt werden. Wie Abraham bereits vor seinem Kampf gegen Nielsen erklärt hatte, wolle er als Weltmeister seine Karriere beenden. Die einzig absehbare Chance, sich noch einmal einen Titel zu sichern, wäre wohl eine Herausforderung Tyron Zeuges. Sollte man bei Sauerland Event diese Option erwogen haben, so schwindet angesichts des Rechtsstreits die Aussicht auf ihre Realisierung.

Der im Berliner Stadtteil Neukölln geborene Tyron Zeuge begann bereits im Alter von sechs Jahren beim SV Stahl Schöneweide zu boxen. Später trainierte er lange Zeit an der Sportschule "Werner Seelenbinder", war Sportsoldat bei der Bundeswehr und boxte in der Bundesliga für die WKG Berlin-Cottbus. Seinen größten internationalen Erfolg als Amateurboxer feierte Zeuge, als er 2009 Junioren-Europameister (U 19) wurde. Nach seinem Wechsel ins Profilager zu Sauerland Event im März 2012 trainierte ihn Karsten Röwer. Am 25. Januar 2014 wurde Zeuge WBO-Junioren-Weltmeister, am 16. August 2014 gewann er den Interkontinentaltitel der IBF.

Nachdem zwei im September und November 2015 angesetzte Kämpfe gegen Eduard Gutknecht wegen Verletzung bzw. Krankheit Zeuges abgesagt werden mußten, kehrte er nach fast einjähriger Pause mit dem amtierenden Weltmeister Jürgen Brähmer als neuem Trainer am 9. April 2016 mit einem Sieg über Rubén Eduardo Acosta erfolgreich in den Ring zurück. Am 16. Juli 2016 forderte er den regulären WBA-Weltmeister Giovanni de Carolis heraus, doch da der Kampf unentschieden endete, behielt der Italiener den Titel. Bei der Revanche gegen De Carolis behielt der Berliner schließlich am 5. November 2016 durch technischen K.o. in der zwölften Runde die Oberhand.

Damit wurde er nach Graciano Rocchigiani der zweitjüngste deutsche Weltmeister im Profiboxen. Er verteidigte den Titel am 25. März 2017 erfolgreich gegen Isaac Ekpo, da der Kampf wegen eines tiefen Cuts nach einen Kopfstoß des Nigerianers in der fünften Runde abgebrochen und der Punktestand gewertet wurde. Am 17. Juni 2017 folgte eine weitere freiwillige Titelverteidigung, bei der er dem Briten Paul Smith das Nachsehen gab. Im März 2018 gewann Zeuge den Rückkampf gegen Ekpo durch technischen K.o. und blieb damit der einzige Weltmeister, mit dem das deutsche Boxgeschäft derzeit aufwarten kann. Wenngleich sein Titel unter dem des WBA-Superchampions angesiedelt ist, macht ihn sein aktuelles Alleinstellungsmerkmal als Champion hierzulande zu einem Faustpfand, dessen Verlust für Sauerland Event besonders schmerzlich wäre.


Fußnoten:

[1] www.tz.de/sport/mehr/gerichtsstreit-droht-box-weltmeister-zeuge-kuendigt-sauerland-vertrag-zr-9829961.html

[2] www.boxen.de/news/tyron-zeuge-will-beim-sauerland-team-aussteigen-43681

[3] www.sueddeutsche.de/news/sport/boxen-box-weltmeister-zeuge-will-sauerland-verlassen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180501-99-125938

1. Mai 2018


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