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MELDUNG/2267: Halbmittelgewicht - wie man in den Wald ruft ... (SB)



Jarrett Hurds Replik auf Kell Brooks leichtfertigen Worte

Der in 22 Kämpfen ungeschlagene Jarrett Hurd, Weltmeister der Verbände WBA, IBF und IBO im Halbmittelgewicht aus den USA, ist derzeit nicht besonders gut auf Kell Brook zu sprechen. Auf YouTube läßt sich der Brite in Interviews unter anderem darüber aus, daß Hurd überschätzt werde und er gegen ihn antreten wolle, sofern dabei ein Titel auf dem Spiel stehe. Wie der 27jährige US-Amerikaner dazu anmerkt, habe er nicht nur einen, sondern gleich drei Gürtel zu bieten und sei jederzeit bereit, die Herausforderung anzunehmen, falls Brook das tatsächlich vorhabe. Wenngleich dieser ziemlich klein für einen Boxer des Halbmittelgewichts sei, könne er gerne sein Glück versuchen und herausfinden, ob er dieser Aufgabe gewachsen ist.

Hurd hat sich bei seinem letzten Auftritt am 7. April in einem Kampf zweier Weltmeister knapp nach Punkten gegen Erislandy Lara durchgesetzt und ihm den Gürtel des WBA-Superchampions abgenommen. Es war ein schweres und nahezu ausgeglichenes Gefecht, in dem sich der technisch überlegene Kubaner nur deshalb geschlagen geben mußte, weil sein Gegner in den letzten vier Runden den Druck erhöhte. Kurz vor Ende konnte Lara froh sein, nicht vorzeitig zu verlieren.

Kell Brook und sein Promoter Eddie Hearn werden sich indessen von Hurds Replik kaum zu einem Kampf gegen ihn verleiten lassen. Sie wollen im Herbst ein hochdotiertes innerbritisches Duell mit Amir Khan auf die Beine stellen, dem nichts in die Quere kommen darf. Wäre Jarrett Hurd nicht talentierter als Sergej Rabschenko, mit dem Brook am 3. März bereits in der zweiten Runde kurzen Prozeß gemacht hat, sähe die Sache anders aus. Dann würde das britische Gespann wohl ernsthaft in Erwägung ziehen, sich auf denkbar einfache Weise diese Titel zu sichern.

Der US-Amerikaner ist jedoch kein bloßer Weltmeister auf dem Papier und kein Platzhalter, den man herumschubsen kann. Wagte sich Brook an ihn heran, müßte er mit der dritten vorzeitigen Niederlage in seinen letzten vier Kämpfen rechnen. Gennadi Golowkin stoppte ihn im September 2016 in der fünften Runde, und gegen Errol Spence mußte er im Mai 2017 im elften Durchgang die Segel streichen, wobei er in beiden Fällen eine Fraktur an der Augenhöhle davontrug. Kaum besser erging es dem 31jährigen Amir Khan, der im Mai 2016 gegen Saul "Canelo" Alvarez eine schwere K.o.-Niederlage in der sechsten Runde einstecken mußte. Trotz dieser Mißgeschicke ließe sich ein Kampf zwischen Brook und Khan in England ausgezeichnet vermarkten. Diese lukrative Perspektive würde Kell Brook sicher nicht preisgeben, indem er das Risiko eingeht, Jarrett Hurd in der Hoffnung herauszufordern, ihm die Titel im Halbmittelgewicht abzujagen.

Davon abgesehen war der Brite sicher nicht glücklich darüber, daß Sadam Ali am vergangenen Wochenende den WBO-Titel in dieser Gewichtsklasse verloren hat. Der Mexikaner Jaime Munguia setzte mit seinem vorzeitigen Sieg in der vierten Runde ein starkes Zeichen, daß mit ihm künftig zu rechnen ist. Kell Brook galt als Anwärter auf diesen Gürtel, den er für eine vergleichsweise leichte Beute erachtet haben dürfte. Nachdem ihm nun Munguia mit seinem Paukenschlag einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, steht der Brite abermals mit leeren Händen da, ist doch kein Titel in dieser Gewichtsklasse mehr in Sicht, den er sich leichterdings sichern könnte. [1]

Kaum hatte sich der Rauch seines spektakulären Triumphs über Sadam Ali verzogen, als Jaime Munguia auch schon den WBC-Champin Jermell Charlo zum Duell der Weltmeister aufrief. Könnte sich der 21jährige Mexikaner diesen prestigeträchtigen Titel sichern, würde ihm das schlagartig eine Popularität bescheren, die weit über die Wahrnehmung seines jüngsten Erfolgs hinausreichte. Während Ali wenig bekannt war und ihm nicht ernsthaft Paroli bieten konnte, gilt der in 30 Kämpfen ungeschlagene Charlo derzeit als namhaftester Akteur dieser Gewichtsklasse. In Mexiko wird die Trophäe des World Boxing Council traditionell mehr als sonst irgendwo als die wichtigste, wenn nicht gar einzig relevante erachtet. Und so unterstrich auch Munguia, wie sehr ihm an diesem speziellen Gürtel liege, den er unbedingt in seinen Besitz bringen wolle.

Der erhoffte Kampf gegen Jermell Charlo, dessen eine Minute älterer Zwillingsbruder Jermall unterdessen das Mittelgewicht unsicher macht, muß jedoch noch eine Weile auf sich warten lassen. Der Verband WBO hat keine Zeit verloren und den neuen Weltmeister bereits wenige Tage nach seinem Titelgewinn aufgefordert, in Verhandlungen mit dem Pflichtherausforderer Liam Smith aus England zu treten, für den 26 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen. Dessen Promoter Frank Warren rechnet damit, daß dieser Kampf im August oder September über die Bühne gehen könnte. Sollten sich die beiden Lager nicht bis spätestens 15. Juni auf die Konditionen geeinigt haben, kommt es wie in solchen Fällen üblich zur Versteigerung der Austragungsrechte.

Dabei würden beide Parteien oder auch weitere Interessenten verdeckte Gebote beim Verband abgeben, worauf dann der Meistbietende den Zuschlag erhält. Eine Möglichkeit, die zunächst gebotene Summe zu erhöhen, um die Gegenseite doch noch zu überbieten, gibt es bei diesem traditionellen Verfahren nicht. Wer großen Wert darauf legt, die Rechte zu ersteigern, muß also sicherheitshalber mit einem relativ hohen Betrag einsteigen. Die Summe des Meistbietenden ist zugleich die Gesamtbörse des Kampfs, die sich die beiden Lager nach einem bestimmten Schlüssel teilen. Da die Verbände bei Titelkämpfen prozentual mitkassieren und somit von hohen Börsen profitieren, haben sie kein Interesse daran, den seit langer Zeit üblichen Modus der Versteigerung zu ändern.

Munguias Promoter Fernando Beltran würde zunächst eine freiwillige Titelverteidigung in Mexiko vorziehen, ehe der WBO-Champion auf Liam Smith trifft. Sollte die WBO ihre Zustimmung geben, würde dies vermutlich mit der Auflage verbunden sein, gegen einen Kontrahenten aus den Top 15 der WBO-Rangliste anzutreten. Auch Jaime Munguia hofft, sich sofort seinen Landsleuten zu Hause als Champion vorstellen zu dürfen. Er könnte sich eine Titelverteidigung in Tijuana gut vorstellen, wo ein großes Stadion zahlreichen Zuschauern Platz böte. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/jarrett-hurd-offers-kell-brook-a-world-title-shot/#more-263289

[2] www.boxingnews24.com/2018/05/jaime-munguia-wants-jermell-charlo-for-his-wbc-belt/#more-263294

18. Mai 2018


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