Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2278: Schwergewicht - Gefahrenzulage verschmäht ... (SB)



Wer fürchtet sich vor Kubrat Pulew?

Der bulgarische Schwergewichtler Kubrat Pulew wartet nach wie vor auf einen Gegner, der es wagt, mit ihm einen Ausscheidungskampf der IBF zu bestreiten, obgleich dessen Sieger die Herausforderung des Weltmeisters Anthony Joshua winkt. Epic Sports hat die Versteigerung der Austragungsrechte an diesem Kampf mit einer relativ hohen Summe gewonnen und will ihn in Bulgarien über die Bühne bringen, wo Pulew sehr populär ist und den Heimvorteil auf seiner Seite hätte. Das dürfte der entscheidende Grund sein, warum mögliche Kandidaten kalte Füße bekommen und das Risiko scheuen. Zunächst war der Brite Dillian Whyte nominiert, der bei Promoter Eddie Hearn unter Vertrag steht. Whyte, der noch nie einen attraktiven Kampf abgelehnt hat, machte diesmal einen Rückzieher. Dann kam der US-Amerikaner Jarrell Miller an die Reihe, der jedoch nach reiflicher Überlegung ebenfalls darauf verzichtete. Als nächster könnte nun Hughie Fury zugreifen, der an Nummer fünf der IBF-Rangliste notiert wird.

Der 23 Jahre alte Cousin des früheren Weltmeisters Tyson Fury hat 21 Auftritte gewonnen und einen verloren. Für den 37jährigen Kubrat Pulew, der schon sehr viel länger im Geschäft ist, stehen 25 Siege und eine Niederlage zu Buche. Er hat im Laufe seiner Karriere vergleichsweise wenige Kämpfe bestritten, was unter anderem auf die Turbulenzen beim Niedergang seines früheren Promoters Sauerland Event zurückzuführen ist. Der Bulgare gilt als erfahrener und robuster Boxer, der über einen ausgezeichneten Jab verfügt und noch immer zu den anspruchsvollsten Akteuren im Schwergewicht zählt. Er zog lediglich im Jahr 2014 gegen Wladimir Klitschko den kürzeren, der damals noch in erstklassiger Verfassung war. Einen im Oktober 2017 anberaumten Titelkampf gegen Anthony Joshua mußte Pulew aufgrund einer Trainingsverletzung kurzfristig absagen.

Dies könnte Hughie Furys Chance sein, den Beweis anzutreten, daß er doch in die oberen Ränge der Königsklasse gehört. Viele Fans sind der Überzeugung, er sei lediglich im Kielwasser seines prominenten Cousins mitgespült worden und habe darüber einen Bekanntheitsgrad erlangt, der ihm ohne diese Protektion nie zuteil geworden wäre. Da der jüngere Fury in den Ranglisten der Verbände WBA, WBC und WBO nicht besonders günstig positioniert ist, kann er nur als Pflichtherausforderer der IBF in die Nähe Joshuas kommen, wozu er allerdings Kubrat Pulew überwinden müßte. Noch hat sich der Brite nicht geäußert, ob er die Gelegenheit beim Schopf ergreifen möchte oder doch lieber davon Abstand nimmt.

Wie es um Furys Können steht, zeigte sich im vergangenen Jahr bei der Punktniederlage gegen den früheren WBO-Weltmeister Joseph Parker. Wollte man den Auftritt des Briten wohlwollend werten, müßte man ihm den taktischen Fehler attestieren, zwölf Runden in Bewegung geblieben zu sein, statt häufiger in die Offensive zu gehen und zu punkten. Nimmt man Furys Darbietung kritischer unter die Lupe, ist er ständig vor dem Neuseeländer weggelaufen, um dessen gefährlichen Schlägen zu entgehen. Hätte er seinerseits ernsthaft angegriffen, wäre er vermutlich auf den Brettern gelandet. Daß die Niederlage dennoch sehr knapp ausfiel, lag an dem Heimvorteil, den ihm die Punktrichter zukommen ließen.

Es wäre sehr mutig, würde sich Hughie Fury mit Kubrat Pulew in Bulgarien messen, nachdem die stärker einzuschätzenden Dillian Whyte und Jarrell Miller dies abgelehnt haben. Daß es die Anerkennung wert wäre, sich von Pulew vermöbeln zu lassen, darf indessen bezweifelt werden. Der Brite könnte nur dann zwölf Runden mit dem Bulgaren überstehen, wenn er nach der Blaupause des Kampfs gegen Joseph Parker verfährt. Das liefe jedoch auf eine klare Punktniederlage hinaus, da er das Kampfgericht diesmal nicht auf seiner Seite hätte. Vernünftigerweise müßte er also die Finger von dieser Option lassen, doch da die Furys nicht gerade für Bescheidenheit und eine nüchterne Einschätzung der eigenen Talente bekannt sind, ist alles möglich. [1]

Jarrell Miller, der in den USA lebt, aber wie Joshua und Whyte bei Eddie Hearn unter Vertrag steht, taucht an Nummer drei der IBF-Rangliste auf und hat bislang 21 Siege sowie ein Unentschieden eingefahren. Sein Co-Promoter Dimitri Salita begründet die strategische Entscheidung, dem gefährlichen Pulew aus dem Weg zu gehen, mit dem Austragungsort. Man wäre einverstanden gewesen, in den USA oder wenigstens auf neutralem Boden gegen ihn anzutreten, nicht aber in Bulgarien. Miller schlug damit eine Börse von rund 527.000 Dollar aus, die bislang höchste seiner Karriere. Wenngleich man noch nie davon gehört hat, daß Pulew vor heimischem Publikum regelrecht bevorteilt worden wäre, ist sich das Team des 29jährigen US-Amerikaners offenbar seiner Sache ebenso wenig sicher wie zuvor Dillian Whyte, der noch nie im Ausland gekämpft hat.

Miller strebt nun als Alternative einen Kampf gegen Manuel Charr an, den regulären Weltmeister der WBA. Dieser trifft am 29. September in Köln auf Fres Oquendo, der seit Jahren nicht mehr im Ring gestanden hat und deshalb als Außenseiter gilt. Für Jarrell Miller ist das ein Weg, sich auf vergleichsweise leichte Weise einen Titel zu sichern, wenngleich dieser unter dem des Superchampions der WBA angesiedelt und damit nachrangig ist. Charr, der es bislang auf 31 Siege und vier Niederlagen gebracht hat, vermarktet sich in Eigenregie. Er sollte indessen nicht unterschätzt werden, ist er doch eine Kämpfernatur und in der Vergangenheit schon des öfteren über sich hinausgewachsen. [2]

Im Laufe der letzten beiden Jahre hat sich Miller gegen seinen Landsmann Gerald Washington, den Polen Mariusz Wach und Johann Duhaupas aus Frankreich durchgesetzt. Wie insbesondere sein letzter Auftritt zeigte, dürfte er vorerst nicht in der Lage sein, den Weltmeistern Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF) und Deontay Wilder (WBC) Paroli zu bieten. Das steht ohnehin nicht vor 2019 an, wobei er mit dem regulären WBA-Titel in der Tasche eine etwas günstigere Verhandlungsposition hätte. Geplant ist ein zwischenzeitlicher Aufbaukampf im Herbst, für den noch ein geeigneter Gegner gefunden werden muß. Miller hat einen Vertrag mit dem Sender HBO, der wohl auch diesen Auftritt übertragen wird. Nach dem Rückzieher im Falle Pulews steht der US-Amerikaner unter einem gewissen Druck, seine Qualitäten zu beweisen, um sich für einen künftigen Kampf gegen Anthony Joshua zu empfehlen, bei dem er soviel Geld wie nirgendwo sonst verdienen könnte. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird letzten Endes Eddie Hearn entscheiden. Joshua ist sein Flaggschiff und seine Goldgrube, so daß der britische Promoter niemals einen unbedachten Zug tun würde, der sein größtes Kapital über Gebühr gefährden könnte.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/07/hughie-fury-next-up-for-kubrat-pulev-in-ibf-eliminator/#more-266534

[2] www.boxingnews24.com/2018/07/jarrell-big-baby-miller-turns-down-kubrat-pulev-fight/#more-266532

12. Juli 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang