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MELDUNG/2289: Schwergewicht - britischer Eintopf à la carte ... (SB)



Anthony Joshua im Frühjahr voraussichtlich gegen Dillian Whyte

Anthony Joshua verteidigt die Titel der Verbände WBA, WBO und IBF im Schwergewicht am 13. April 2019 im Londoner Wembley-Stadion aller Voraussicht nach gegen seinen britischen Landsmann Dillian Whyte. Das sei die wahrscheinlichste Konstellation meint Eddie Hearn, bei dem beide Akteure unter Vertrag stehen. Von einer Überraschung kann keine Rede sein, da sich diese Entwicklung seit geraumer Zeit abgezeichnet hat. Der allseits geforderte Kampf der Weltmeister gegen Deontay Wilder (WBC) ist so gut wie gestorben, nachdem Hearn den US-Amerikaner mit einem unannehmbar niedrigen finanziellen Angebot ausgebootet hat. Da Wilder und sein Team die Kommunikation abgebrochen hätten, seien ihm die Hände gebunden, schiebt der britische Promoter der Gegenseite die volle Verantwortung für das Scheitern der Gespräche zu.

Während Wilder die Hälfte der Einkünfte verlangt, will ihn Hearn mit einer Pauschale von 15 Millionen Dollar abspeisen. Angesichts zu erwartender Einkünfte von gut 100 Millionen Dollar liefe das auf eine Teilung im Verhältnis von 85:15 und damit einen lächerlich geringen Anteil für den US-Amerikaner hinaus. Damit würde sich der WBC-Champion weit unter Wert verkaufen, worauf er sich verständlicherweise nicht einläßt. Da die beiden Seiten in ihren Vorstellungen derart weit auseinander liegen, ist mit einer Einigung nicht mehr zu rechnen. Läge Joshuas Promoter tatsächlich am Zustandekommen dieses Kampfs, müßte er lediglich auf Wilders Forderung eingehen oder sich dieser zumindest erheblich annähern, um dessen Co-Manager Shelly Finkel und Al Haymon zu überzeugen.

Offensichtlich hält Eddie Hearn den WBC-Weltmeister für zu gefährlich, als daß er das Risiko einginge, seinen prominentesten und einträglichsten Akteur dafür aufs Spiel zu setzen. Bezöge der in 21 Auftritten ungeschlagene Brite eine Niederlage in diesem Prestigekampf, wäre das zwar nicht das Ende seiner Karriere oder weiterer gut dotierter Duelle. Allerdings würde er wohl nie wieder riesige Stadien problemlos füllen und astronomische Summen im Pay-TV einfahren. Ihm erginge es vermutlich ähnlich wie Manny Pacquiao, dessen Popularität und Börsen nach der Niederlage gegen Floyd Mayweather im Jahr 2015 dauerhaft absackten. Und da Joshua mit 28 Jahren recht jung ist und noch eine lange Laufbahn vor sich haben dürfte, wäre das schon ein tiefer Einschnitt.

Der 30jährige Dillian Whyte, für den 24 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, soll im Dezember einen Kampf bestreiten, bevor es dann im Frühjahr gegen Anthony Joshua gegen könnte. Hearn hat ihm dafür drei mögliche Gegner angeboten, nämlich Dereck Chisora, Jarrell Miller und Dominic Breazeale. Das britische Publikum würde sicher den 34 Jahre alten Chisora bevorzugen, da eine Revanche der einheimischen Rivalen die höchste Spannung verspräche. Whyte bezweifelt jedoch, daß der Topf groß genug wäre, um die beiderseitigen finanziellen Ansprüche zu befriedigen. Fiele seine Wahl jedoch auf Miller oder Breazeale, wären geringere Einkünfte zu erwarten, so daß Whyte schon das weitaus größere Stück vom Kuchen abbekommen müßte, um auf seine Kosten zu kommen.

Nach Lage der Dinge deutet sich folglich an, daß Whytes Wahl auf einen weniger prominenten Kandidaten fallen könnte, der bereit wäre, sich für eine moderate Börse mit ihm zu messen. Das würde dem Publikum kaum gefallen und deutlich weniger Buchungen im Pay-TV bei Sky Box Office zur Folge haben. Von einem Boxer, der den Aufstieg ins Bezahlfernsehen geschafft hat, könnte man indessen schon Kämpfe gegen namhafte Gegner erwarten. Das galt für Whyte aber nur in zwei Fällen, nämlich 2016 gegen Chisora und zuletzt Ende Juli gegen Joseph Parker. Beide Auftritte hat er laut offizieller Wertung gewonnen, doch nach Auffassung vieler Experten im Grunde verloren. Gegen Dereck Chisora setzte er sich nach turbulentem Kampf nur hauchdünn und umstritten nach Punkten durch, was zu Spekulationen Anlaß gab, die Punktrichter hätten dem für die Branche wichtigeren Akteur den Zuschlag gegeben.

Im Kampf gegen den Neuseeländer bediente sich Dillian Whyte zahlreicher regelwidriger Aktionen, die Ringrichter Ian John Lewis jedoch aus unerklärlichen Gründen nicht ahndete. Nackenschläge, Kopfstöße, gleichzeitiges Halten und Schlagen sowie diverse weitere fragwürdige Manöver des Briten erweckten phasenweise den Eindruck, als sei er ein Akteur der Mixed Martial Arts, der gegen einen Boxer antritt. Überdies rammte er den Gegner in der zweiten Runde mit einem Kopfstoß nieder, der irrtümlich als regulärer Niederschlag gewertet wurde. Der leichtere und beweglichere Neuseeländer boxte ihn aus, was aber von den Punktrichtern nicht gewürdigt wurde, die den mit erlaubten wie unerlaubten Mitteln ackernden und mitunter gefährlich zuschlagenden Whyte favorisierten. Alles in allem bot der Lokalmatador keinen schlechten Auftritt, doch wirkte er in den letzten drei Runden ermüdeter als der Neuseeländer, der gegen Ende immer besser zur Geltung kam. Parker revanchierte sich für einen regulären Niederschlag in der neunten Runde kurz vor dem Schlußgong, indem er den Briten mit einem Volltreffer seinerseits auf die Bretter schickte. Whyte kam jedoch rechtzeitig wieder auf die Beine und rettete sich ins Ziel, ehe Parker nachsetzen und den Sack zumachen konnte.

Ginge es nach Eddie Hearn, käme es wohl zur Revanche mit Chisora, zumal sich damit am meisten Geld verdienen ließe. Der Londoner ist jedoch ein anspruchsvoller Kontrahent, sofern er in guter körperlicher Verfassung antritt und fokussiert zu Werke geht. Das unterstrich er im Vorprogramm des Duells zwischen Parker und Whyte, als er kurzen Prozeß mit einem so anspruchsvollen Gegner wie Carlos Takam machte. Aber auch Miller und Breazeale sind derart gefährlich, daß Whyte das Risiko scheuen dürfte, seinen Kampf gegen Joshua durch eine mögliche Niederlage im Dezember zu gefährden. Das wäre durchaus verständlich, aber nicht gerade ein Ruhmesblatt für den Ranglistenersten des WBC, der von sich behauptet, es ohne weiteres mit Anthony Joshua und Deontay Wilder aufnehmen zu können. [1]

Anthony Joshua bestreitet seine nächste Titelverteidigung am 22. September im Wembley-Stadion gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin. Da der Russe körperlich unterlegen ist und seine besten Tage hinter sich haben dürfte, gilt der Weltmeister als klarer Favorit. Daher wird dieser Auftritt als eine nicht allzu problematische Zwischenetappe eingeschätzt, bevor es dann im April abermals im Wembley-Stadion, dessen Fassungsvermögen von 90.000 auf 100.000 Plätze erweitert wird, zum eigentlichen Höhepunkt kommen soll.

Deontay Wilder wollte ursprünglich gegen seinen Landsmann Dominic Breazeale antreten, hat aber ein Angebot des britischen Promoters Frank Warren erhalten, sich im November mit Tyson Fury zu messen. Da dieser Kampf jedoch immer noch nicht offiziell angekündigt worden ist, mehrten sich zuletzt Zweifel. Sowohl Eddie Hearn als auch der für gewöhnlich gut unterrichtete Dan Rafael von ESPN wollten auf informellem Weg erfahren haben, daß es nicht dazu kommen werde. Dies dementierten wiederum Warren und Fury, wobei der ehemalige Champion mitteilte, er habe den Vertrag bereits unterschrieben und der Gegenseite zugeschickt. Man darf also gespannt sein!


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/08/hearn-says-dillian-whyte-likely-joshuas-opponent-for-april-13/

31. August 2018


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