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MELDUNG/2311: Mittelgewicht - Krösus auf Zeit ... (SB)



"Canelo" schließt hochdotierten Vertrag mit DAZN ab

Saul "Canelo" Alvarez hat einen Fünfjahresvertrag über elf Kämpfe mit dem Streamingdienst DAZN abgeschlossen, der mit 365 Millionen Dollar dotiert ist. Der Kontrakt wurde in Anwesenheit von "Canelos" Promoter Oscar de la Hoya sowie seiner beiden Trainer in einem Hotel am Times Square unterzeichnet. Der 28jährige Mexikaner erhält darüber hinaus für jeden Kampf eine Börse, deren Höhe von der Zahl der Subskriptionen abhängt und jeweils gesondert ausgehandelt wird. Will Alvarez seine Einkünfte in den kommenden Jahren maximieren, muß er gegen die populärsten Konkurrenten wie Gennadi Golowkin, Jermall Charlo, Daniel Jacobs, Demetrius Andrade, Ryota Murata, Sergej Derewjantschenko, David Benavidez, Jose Uzategui oder Jarrett Hurd antreten. Da diese Kandidaten jedoch die gefährlichsten Gegner für ihn wären, wird er wohl in der Regel schwächere Akteure vorziehen. [1]

Bislang bietet DAZN keine Übertragung im gängigen Pay-TV an, bei dem einzelne Kampfabende für eine relativ hohe Summe zwischen 60 und 100 Dollar gebucht werden. Das Geschäftsmodell beruht vielmehr auf einer monatlichen Gebühr von 10 Dollar, die verschiedene Kämpfe einschließt, also auf ein zahlenmäßig größeres Publikum abzielt. DAZN dringt bekanntlich in diversen Sportarten auf breiter Front vor und versucht, die bislang marktbeherrschenden Fernsehsender niederzukonkurrieren. Was nun "Canelo" betrifft, wird er für seine zwei Kämpfe im Jahr, die er an den mexikanischen Feiertagen Anfang Mai und Mitte September auszutragen pflegt, ähnlich hohe Börsen wie bisher verlangen. Um sie zu refinanzieren, wird DAZN vermutlich um ein Mischmodell mit Pay-TV nicht herumkommen.

Seit dem Rücktritt Floyd Mayweathers, der die Boxhandschuhe nur noch für besonders lukrative Spektakel wie den Kampf gegen Conor McGregor von den Mixed Martial Arts oder seinen alten Rivalen Manny Pacquiao anzieht, ist Saul Alvarez die größte Attraktion im Boxsport und hat den Sendern HBO und Showtime enorme Einkünfte beschert. Da HBO jedoch sein langjähriges Engagement beim Boxen endgültig beendet, steht derzeit eine ganze Reihe namhafter Akteure ohne Sender da, was DAZN natürlich enorm begünstigt. "Canelos" Vertrag ist der höchstdotierte, der je mit einem Sportler abgeschlossen wurde, und übertrifft noch die 325 Millionen Dollar, die der Baseballstar Giancarlo Stanton von den New York Yankees 2014 eingefahren hat.

Daß der Mexikaner einen derart lukrativen Vertrag erhält, ist unter sportlichen Gesichtspunkten erstaunlich, da er nach Auffassung vieler Fans und Experten zweimal gegen Gennadi Golowkin verloren hat, aber von den Punktrichtern mit einem Unentschieden und einem Sieg beschenkt wurde. Da seine riesige mexikanische Fangemeinde beiderseits der Grenze jedoch nach wie vor zu ihm hält, bleibt er unter geschäftlichen Gesichtspunkten die allererste Wahl, was die Wertungen zu seinen Gunsten in Las Vegas verständlich macht. "Canelo" füllt einfach zu viele Taschen, als daß man ihn nicht gewinnen ließe, sofern er nicht auf dem Boden landet und liegenbleibt. In diesem Jahr tritt er ausnahmsweise im Dezember auf, da sein für den 5. Mai geplanter Kampf wegen der sechsmonatigen Dopingsperre ins Wasser gefallen war.

Die Zusammenarbeit mit DAZN beginnt für das Aushängeschild der Golden Boy Promotions mit dem Titelkampf im Supermittelgewicht gegen den regulären WBA-Weltmeister Rocky Fielding im Madison Square Garden. Da der 31jährige Brite einen zweitrangigen Gürtel zur Disposition stellt und als Außenseiter gilt, dürfte der Verdacht nichts aus der Luft gegriffen sein, daß sich "Canelo" und sein Promoter dieses Abstechers bedienen, um riskanten Auftritten im Mittelgewicht aus dem Weg zu gehen. Die Ankündigung des Mexikaners, er wolle Geschichte schreiben und in der höheren Gewichtsklasse Weltmeister werden, wirft die Frage auf, was daran so spektakulär sein soll. Auch erinnert dieses Manöver an die Flucht vor Gennadi Golowkin, als Saul Alvarez den WBC-Titel im Mittelgewicht niederlegte, um Mitte September 2016 im Halbmittelgewicht dem überforderten Briten Liam Smith den WBO-Titel abzunehmen.

Sollte Canelo volle fünf Jahre bei DAZN bleiben, dürfte diese Partnerschaft die restliche Zeit abdecken, während der er noch auf hohem Niveau boxen kann. Er wäre dann zwar erst 33 Jahre alt, doch da schnelle Hände seine Stärke ausmachen, wird er bei nachlassender Fähigkeit, Schläge in hoher Geschwindigkeit auszuführen, seiner vergleichsweise geringen Größe und Reichweite Tribut zollen müssen. Ob sich DAZN eine Ausstiegsklausel für den Fall verlorener Auftritte vorbehalten hat, ist nicht bekannt. Doch das ist nur eine unter zahlreichen Fragen, die im Zusammenhang mit diesem neuen Vermarktungsmodell zu beantworten sein werden.

Beim Sender HBO, der nach 45 Jahren im Boxgeschäft das Handtuch wirft, weil sich das Engagement offenbar nicht mehr auszahlt, hat "Canelo" bei seinem ersten Kampf gegen Golowkin im September 2017 mit 1,3 Millionen Buchungen im Pay-TV 50 Millionen Dollar verdient. Käme er bei DAZN auf dieselbe Anzahl von Subskriptionen, fiele der Ertrag sehr viel geringer aus, da die Kunden nur 10 Dollar im Monat bezahlen. Folglich müßte er ein sehr viel größeres Publikum anlocken, um für entsprechende Umsätze zu sorgen. Im Falle unattraktiver Gegner könnte das zu gravierenden Einbrüchen bei den finanziellen Ergebnissen führen.

HBO hätte den Kampf gegen Rocky Fielding am 15. Dezember noch übertragen können, nahm aber davon Abstand, weil angesichts des in den USA so gut wie unbekannten Briten im Pay-TV nur eine schwache Quote zu erwarten wäre. Fielding mußte sich bei seiner bislang einzigen Niederlage im Jahr 2015 seinem Landsmann Callum Smith bereits in der ersten Runde geschlagen geben. Smith ist inzwischen WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht, da er sich am 28. September im Finale der World Boxing Super Series vorzeitig gegen den favorisierten George Groves durchgesetzt und ihm Titel und Turniersieg abgenommen hat. Fielding hat zuletzt sechs Kämpfe in Folge gewonnen und sich durch einen Sieg über Tyron Zeuge den zweitrangigen Gürtel des regulären WBA-Weltmeisters gesichert. Daß "Canelo" nicht gegen den stärker eingeschätzten Smith, sondern gegen Fielding um den minderen Titel kämpft, spricht nicht gerade dafür, daß er sich künftig mit den allerbesten Rivalen messen will, auch wenn er dies stets im Munde führt. Kritiker ziehen die Bilanz, daß der Mexikaner nur deswegen nicht gegen Austin Trout, Erislandy Lara und zweimal Gennadi Golowkin verloren hat, weil er in der Gunst der Branche ganz oben angesiedelt ist. Solange seine Popularität anhält, sind eben nicht die sportlichen Leistungen, sondern die mit seiner Hilfe erzielten Einkünfte das Maß aller Dinge.

Wenig beeindruckt von "Canelos" Vertrag mit DAZN zeigt sich Floyd Mayweather, der geltend macht, daß er mit einem einzigen Kampf so viel Geld verdiene wie der Mexikaner in fünf Jahren. Dieses Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen und vor allem auch kein unprovozierter Angriff aus heiterem Himmel. Saul Alvarez hatte zuvor in einem Interview die Bemerkung fallenlassen, Mayweather wage es sicher nicht, aus dem sportlichen Ruhestand zurückzukehren und sich ein zweites Mal mit ihm zu messen. Das konnte nicht unkommentiert bleiben, wobei der US-Amerikaner sofort den Trumpf seiner enormen Einkünfte aus dem Ärmel zog. Da sich der Mexikaner als sein legitimer Nachfolger an der Spitze der Branche sieht, muß er sich diese Zurechtweisung gefallen lassen. Was die sportliche Seite ihrer Rivalität betrifft, glich ihre erste Begegnung im September 2013 einer regelrechten Lektion für den jungen Mexikaner, der sich damals einstimmig nach Punkten geschlagen geben mußte und die bislang einzige Niederlage seiner Karriere bezog. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/10/canelo-signs-11-fight-deal-with-dazn-for-365m/

[2] www.boxingnews24.com/2018/10/mayweather-criticizes-canelo-about-his-dazn-deal/

20. Oktober 2018


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