Schattenblick →INFOPOOL →THEATER UND TANZ → FAKTEN

SCHAUSPIEL/002: Die Zweisprachenoper (UNI-INFO der Uni Oldenburg)


UNI-INFO Nummer 4 - Mai 2010
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Die Zweisprachenoper

• Studierende aus Oldenburg und Towson arbeiten an einer eigenen Version des Brechtschen Klassikers "Dreigroschenoper"
• Uraufführung im Mai


Die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht", dichtete Brecht kurz vor der Weltwirtschaftskrise 1928 im Libretto der berühmten "Dreigroschenoper". Das hatte Stil, war gewollt düster pessimistisch und klingt dabei heute merkwürdig aus der Zeit geraten. Doch bei genauerem Hinsehen gibt es Parallelen zwischen dem Heute und dem Damals, wie etwa die beiden Weltwirtschaftskrisen von 1929 und 2008. Nun haben sich Musik- und KunststudentInnen der Universität Oldenburg und der Partneruniversität Towson University in Baltimore (USA) zusammengetan, um Brechts wohl bekanntestes Werk wiederaufzuführen. Dabei arbeiten sie an einer weltweiten Premiere: Erstmals soll die Dreigroschenoper zweisprachig aufgeführt werden.

Das Besondere: Die Liedtexte mit der Musik von Kurt Weill werden auf Deutsch gesungen, während die Dialoge durchweg englisch gesprochen werden. Fünf Lehrende und 51 Studierende sind an dem Projekt beteiligt und haben gemeinsam ein Konzept für Kostüme, Gesangsstil, Lichteffekte und Schauspiel erarbeitet. "Unsere Dreigroschenoper wird zeitlos inszeniert sein", verrät Projektleiter Peter Vollhardt schon einmal im Vorfeld. Die Uraufführung findet am 27. Mai in Oldenburg statt.

Bis dahin bleibt abzuwarten, wie genau es aussieht und klingt, wenn ein deutscher Macheath die Liebesszene mit einer amerikanischen Polly spielt. Die Szenen müssen exakt geprobt werden, denn die Schauspieler sollen ihre Rollen nach Belieben tauschen können. Und reibungslos Sätze sagen können wie "Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht." Klar, dass das verbindliche rollende "r" dabei besonders die amerikanischen Studierenden vor Herausforderungen stellen dürfte. Und die Deutschen, die sich an den englischsprachigen Dialogen abarbeiten? Sie stimmen sich über Skype-Sitzungen bei Bedarf mit ihren amerikanischen KollegInnen über Aussprache und Acting ab.

Neben der intensiven schauspielerischen Arbeit kommen auch lebhafte Diskussionen nicht zu kurz, weiß Vollhardt. "Die provokative Haltung des Brechtschen Theaters regt unsere Studierenden an, die Aussagen der Dreigroschenoper mal zu überprüfen und zu schauen, was da dran ist." Aus Brechts provokativ-pauschalierendem Pessimismus seien so auch mal abgewandelte Thesen entstanden, so Vollhardt. Zum Beispiel "Der Mensch ist schlecht, aber der einzelne nicht".


Interview zum Thema

UNI-INFO: Herr Vollhardt, wie ist die Idee zu einer zweisprachigen Aufführung der Dreigroschenoper entstanden?

VOLLHARDT: Wenn man mit Partnern zusammenarbeitet, die auf derselben Wellenlänge senden, entsteht schnell der Wunsch: Wir wollen was zusammen machen. Wir haben uns dann gefragt: Wo treffen wir uns am besten? Und sind schnell auf Kurt Weill gekommen, der bekanntlich die Musik der Dreigroschenoper komponiert hat - für die Amerikaner ist er ein amerikanischer Komponist, für die Deutschen ein deutscher Komponist.

UNI-INFO: Warum wird die Dreigroschenoper zweisprachig aufgeführt?

VOLLHARDT: Die Dreigroschenoper ist ja ursprünglich von John Gay und damit ein englischsprachiges Stück. Sie wurde in großen Teilen von Elisabeth Hauptmann, der Mitarbeiterin von Brecht, übersetzt. Somit sind wir nah dran an der ursprünglichen Vorlage und erhalten zugleich das typisch Brechtsche: die Songtexte, die wir auf Deutsch lassen werden.

UNI-INFO: Wie sollen Zuschauer in Baltimore die Songtexte verstehen?

VOLLHARDT: Wir arbeiten mit Projektionen, das gab es schon in der Uraufführung von 1928. Auf Projektionsflächen - ganz typisch für den Stil des Brechtschen Theaters - werden die kommenden Szenen kurz beschrieben. Auf der einen Seite bekommt der Zuschauer auf Deutsch erklärt, was in der nächsten Szene passiert, da die Dialoge ja auf Englisch sind. Auf der anderen Seite bekommt der amerikanische Zuschauer den Song auf Englisch kurz erklärt, bevor er dann deutsch gesungen wird.


Serviceinformationen:
Kurt Weill/Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper in einer zweisprachigen Version,
Do. 27. Mai, Fr. 28. Mai, Sa. 29. Mai, jeweils 20.00 Uhr,
Aula der Universität;
Do. 30. September, Fr. 1. Oktober, Sa. 2. Oktober, 8 p.m.,
Towson University, Stephens Hall;
Karten: 10,- EUR, ermäßigt 6,- EUR,
Kartenvorbestellung: karten@die3groschenoper.de

Das Projekt wird gefördert vom Transatlantik Programm der Bundesrepublik Deutschland und von der Universitätsgesellschaft Oldenburg (UGO).


*


Quelle:
UNI-INFO Nr. 4 - Mai 2010, Seite 5
37. Jahrgang
Herausgeber: Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
26111 Oldenburg
Telefon 0441/798-54 46, Fax 0441/798-55 45
E-Mail: presse@uni-oldenburg.de
Internet: www.uni-oldenburg.de/uni-info

Das UNI-INFO erscheint in der Vorlesungszeit monatlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2010