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BERICHT/027: Mirrors And Music von Saburo Teshigawaras Company Karas (SB)


Mirrors And Music von Saburo Teshigawaras Company Karas
-Reflections In A Rear View Mirror-

Sadler's Wells London 15. - 16. Juni 2011

von Britta Barthel


Eindrucksvoll war dieser Abend ohne Frage.
Eindrücke - Derer gab es genau vier und von ihnen gilt es hier zu erzählen. Ich denke mit jenem zu beginnen, der dem ganzen den Boden raubt.
Denn Eindrücke oder auch Impressionen sind ein Schlüssel zu dieser Performance. Ein selbstgewählter Schlüssel ist es und da sind wir am Kern der Bodenlosigkeit.

Die Performance beginnt mit dem Eintauchen in eine aufregende Welt der Dunkelheit. Graue Gestalten bewegen sich in fahlem Licht über den Boden der Bühne. Wechselndes Licht führt dazu, dass die Anzahl der Tänzer nicht zu erkennen ist. Ein der klassischen Ästhetik entgegenlaufender Fluss liegt in den Bewegungen der Gestalten. Erwartungsfreude macht sich breit in Anbetracht der düster feinen Qualität, die sich hier abzuzeichnen scheint und die man sich erhofft, wenn der Name des mit dem japanischen Butoh in Verbindung stehenden Saburo Teshigawara fällt. Ist er auch in seinem Werdegang nahezu gleichermassen stark beeinflusst vom amerikanischen Modern Dance sowie dem klassischen Ballett und natürlich dem Butoh, schaffte es Teshigawara, seine eigene Bewegungssprache zu entwickeln, die, wie dem auch sei, ihre Butoh Wurzeln nicht verbergen kann und es wohl auch nicht will.

Ein Tänzer, Schattenriß - Foto: © by Sakae Oguma

Foto: © by Sakae Oguma

Hier ist der Zuschauer zunächst konfrontiert mit der Erfüllung all seiner Erwartungen. Das Licht wechselt in schneller Abfolge von einem Ort zum anderen, hebt jene grauen Gestalten in unterschiedlicher Anzahl und Position hervor. Das Licht wechselt in schneller Abfolge. Graue Gestalten werden hervorgehoben. Das Licht wechselt in schneller Abfolge. Das Licht wechselt in schneller Abfolge. Man schließt kurz die Augen. Nicht aus Müdigkeit, sondern aus Überdruss. Man ist nicht der Wiederholung überdrüssig. Es ist das, was sich heraus kristallisiert, das was sichtbar wird und was man nicht erwartet hat: Bild und schwarz, Bild und schwarz - Die Bilder sind düster, sie sind stark, doch was sich festigt, ist einzig eine Aneinanderreihung ihrer Gleichheit. Es ist die Erinnerung an kurze Eindrücke, die sich schnell nicht mehr auseinanderhalten lassen.

Die Musik trägt ihren Teil zu dieser geladenen Aneinanderreihung von Eindrücken bei, indem sie laut und leise, rhythmisch wie langgezogen, die Bilder unterstützt sowie ihnen zwischenzeitlich auch entgegenwirkt. Einen Moment lang war mir die Methode des Choreographen und Tänzers Merce Cunningham vor Augen, welcher Musik und Bewegung willkürlich am Tag der Aufführung zusammensetzte und damit ebenso willkürliche Effekte erzielte. Doch dies lag hier eindeutig nicht vor. Diese Arbeit wies die Spuren eines bewussten Zusammenspiels der Elemente Bühne, Licht, Musik und Bewegung auf. Allerdings war alles, was im Zuschauerraum übrig blieb, der Eindruck vom Eindruck selbst. Flüchtig und monoton. Hübsch war er auch in seiner Düsternis, jedoch so übersättigt mit dem Lärm des Lichtes und der allumfassenden Zerrissenheit, dass nicht zu erkennen war, was - ich wage es hier zu behaupten - unter Umständen gar nicht erkennbar ist: die Auswirkung der Idee. Jener Idee, die in manchen Kunstwerken mitten ins Herz geht, in diesem jedoch leider schon die bloße Existenz in Frage gestellt werden muß.

Auf dieser eindrücklichen Grundlage bewegt sich die Performance also fort. Auf schnelles Licht folgen Soli. Der Hell-Dunkel-Kontrast beruhigt sich. Beeindruckend flüssig und doch variationsreich in Dynamik sowie Form bewegen sich die Tänzer zumeist am Platz.

Hier kommt er ins Spiel und somit der zweite maßgebliche Eindruck dieser Performance. Saburo Teshigawara beginnt sein Solo. Im Stil den vorausgegangenen recht ähnlich, ist seine außergewöhnliche Fähigkeit als Bewegungskünstler nicht zu übersehen und nicht zu leugnen. Die gleichen Bewegungen machen in seinem Körper den Eindruck, als wäre er von einer extra Schicht Kontrolle und Fluss umgeben. Es ist fraglos ein atemberaubendes Ausmaß an Können, das sich einem bietet. Doch auch hier folgt das Unglück auf dem Fuße. Denn nach einer unter den Umständen einer Performance unmessbaren Zeit - es könnten zehn Minuten gewesen sein, kommt man ins Grübeln. Man sieht den Tänzer, man sieht den Choreographen und mehr und mehr wird aus dem eben noch schönen Solo eine Plattform des Choreographen, seine Kunstfertigkeit zur Schau zu stellen und dies leider allzu offensichtlich. Und so verschmelzen Eindruck zwei und drei zusammen zu etwas, das hätte schön sein können, wäre es mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl angegangen worden.

Mehrere Tänzer, in Reihe liegend - Foto: © by Sakae Oguma

Foto: © by Sakae Oguma

Zu guter Letzt kulminiert die Aufführung in einer Aneinanderreihung von Licht und Wiederholungen, welche mit denen Pina Bauschs in ihrer Kunstfertigkeit und Durchdachtheit leider nicht vergleichbar sind. Unterbrochen wird dies von scheinbar bedeutungsvollen Bildaussagen, welche dem Publikum allerdings gerade zu wenig geben, um bis in den Bereich der Emotion, geschweige denn des Herzens vorzudringen.

Während einer besonders langen Sequenz einer sich wiederholenden Sprungfolge, in welcher die Anzahl der Tänzer in einem ewigen Fluss variiert, fasse ich in meinem Kopf meinen vierten und letzten Eindruck und damit das Bild, das sich mir hier zeichnet in Worte:
Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder 'Mirrors And Music' ist eine Arbeit, die auf einer Idee basiert, welche jedoch durch eine unglückliche Aneinanderreihung von Fehlentscheidungen für den Zuschauer nicht zu sehen ist. Oder die Verbindung, die zu den im Titel erwähnten Mirrors also Spiegeln besteht, ist der irrende und wirrende Aufbau von Reflexionen, in die man zu Beginn hineingerät und die mehr oder weniger geschickt vertuschen, dass das, was da reflektiert wird, einzig ein düsterer Kompott aus einem Namen, Ruhm und allseits bekannten Harmonien ist.

Sadler's Wells Theatre London - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

22. Juli 2011