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BERICHT/049: Komödianten - Dem Namen verpflichtet, aufs Leben gerichtet (SB)


30 Jahre Theater Die Komödianten in Kiel

Auftakt zur Jubiläumsspielzeit 2013/2014



Sie haben schon an den unterschiedlichsten und ungewöhnlichsten Orten gespielt, in Bussen und Einkaufszentren oder auf den Straßen Edinburghs. Sie waren in Kaliningrad und am Broadway, in Talin, Gdynia, Brest und Ystad, besuchten Israel und Australien, gastierten auf internationalen Theaterfestivals in Moskau und Buenos Aires und traten mit Gedichten von Goethe, Schiller und Shakespeare vor der UNO auf.

Vom Kieler Leuchtturm ließen sie es Weltliteratur regnen, mitten auf der Förde zwischen Kreuzfahrtschiffen und Uferpromenade haben sie im letzten Jahr Salomos alt-testamentarischem Hohen Lied zu einer Weltpremiere verholfen. Und natürlich spielen sie im eigenen Haus an der Wilhelminenstraße in Kiel, das Markus Dentler 1984 als erstes privates Zimmertheater in Schleswig-Holstein gegründet hat. Sie haben mit Formaten experimentiert, haben Zuschauer zu Sklavenhändlern gemacht, Hunde ins Theater geladen, mit dem Menschenzoo ein interaktives Stück gegen das Schubladendenken inszeniert oder Lyrik und Jazz zusammengebracht.

Theaterchef Markus Dentler im bunten Komödiantenrock bei der Präsentation des neuen Spielplans - Foto: © 2013 by Schattenblick

Vollbluttheatermacher Markus Dentler
Foto: © 2013 by Schattenblick

Die Rede ist von den Kieler Komödianten, deren Programm für die Jubiläumsspielzeit 2013/2014, eine Mischung aus altbewährten, erfolgreichen Stücken und neuen Produktionen, Projekten und Aktionen, Theaterchef Markus Dentler jetzt der Presse vorstellte und das beweist, daß den Komödianten auch nach 30 Jahren Erfindungsgabe und Ideenreichtum nicht ausgegangen sind. "Ich wollte ein New York Underground Theater in Kiel", schmunzelt Dentler rückblickend. An 30 Jahre habe er dabei nicht gedacht, eher an eins oder zwei, "da wäre ich schon froh gewesen".

Den Auftakt für die neue Theatersaison bildet Busenfreundinnen von Peter Blaikner, eine freche Komödie um die kleinen Schwächen und großen Stärken des weiblichen Geschlechts, mit Rafaela Schwarzer und Angelina Kamp in den Titelrollen, das am 17. Oktober als deutsche Erstaufführung Premiere hat. "Ein witziges, spritziges Stück", so der Theaterdirektor, bei dem er neugierig sei, wie es bei 'seinem' Publikum ankommen wird.

Für den Dezember dieses Jahres gibt es eine Einladung nach Sovetsk, Kiels russischer Partnerstadt, zur Wiedereröffnung des restaurierten Tilsit-Theaters, "ein uriges Theäterchen", das noch aus deutschen Zeiten stammt. Dort will man russisches und deutsches Theater in einer Vorstellung geben.

NippelJesus von Nick Hornby mit Ivan Dentler in der Hauptrolle, mit dem die Komödianten bereits landesweit Erfolge feierten, ist jetzt auch im eigenen Haus zu sehen, zunächst noch bis zum 12.10.2013.

In Dentlers eigener Collagenkreation Männer-Welt-Theater, so der Arbeitstitel, werden ab Februar 2014 Stücke gezeigt, "die die Welt noch nicht gesehen hat, weil sie entweder zu kurz sind oder niemand sie macht". Darunter Samuel Becketts Breath, das mit 45 Sekunden kürzeste Theaterstück der Welt.

Theaterplakat mit Rafaela Schwarzer und Angelina Kamp - Foto: © 2013 by Klaus Baumgartner

Busenfreundinnen Rafaela Schwarzer und Angelina Kamp
Foto: © 2013 by Klaus Baumgartner

Im Rahmen eines Jubiläumsfestivals soll es im nächsten Frühjahr eine Art von "Best of Komödianten" geben, mit Sex, aber mit Vergnügen von Dario Fo, das seit 1997 im Spielplan ist und seinerzeit eine Woche, nachdem der Autor den Literaturnobelpreis erhielt, Premiere in Kiel hatte, mit Henning Mankells Bagger, seit 2004 im Programm und mit Männer und andere Irrtümer, das die Komödianten 2009 erstmals auf die Bühne brachten.

Ebenfalls im Frühling wird, als zusätzliche Attraktion für die Zuschauer, in einer kreativen Zusammenarbeit mit vielen auch jungen bildenden Künstlern im Probenraum des Theaters eine Galerie eröffnet. Das paßt gut zusammen, "weil das Theater von Natur aus alle Künste in sich vereint, die bildenden und die darstellenden".

Geplant ist auch eine Neuauflage des Projektes "Theater auf der Kieler Förde" für den Juni 2014. Dieses "Culture and Cruise" soll im nächsten Jahr Szenen aus Der Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry auf die schwimmende, 50 Meter lange, offene Bühne auf dem Wasser bringen. "Da sind wir dann sehr laut", sagt Markus Dentler, "das geht nur über Megaphon. Man muß sehr professionell arbeiten, weil das kleinste Räuspern und der kleinste Versprecher große Folgen haben." "Und man muß Bilder neu erfinden", ergänzt Petra Bolek, Pressesprecherin der Komödianten, "die man aus großer Entfernung sehen kann."

Natürlich wird Der Kleine Prinz wie in jedem Jahr auch 2014 vom 11. Juli bis zum 24. August im Innenhof des Kieler Rathauses zu erleben sein. Neu, wenngleich schon lange angedacht, ist die Idee, das Stück in verschiedenen Sprachen zu spielen, so daß "auf jedem Planeten, wo der Prinz hinkommt, eine andere europäische Sprache gesprochen wird." Die Partnerstädte Kiels haben bereits Interesse signalisiert, denn jedes Theater müßte Schauspieler dafür zur Verfügung stellen; einen, der englisch spricht, hätten die Komödianten selbst anzubieten.

Mit Die Frau, die gegen Türen rannte, einem Stück von Roddy Doyle, in dem Anke Pfletschinger erstmals im Februar 2013 beeindruckte, reisen die Komödianten im Oktober zum Maria-Festival nach Kiew. Auf diesem internationalen Frauen-Theater-Festival, benannt nach einer berühmten ukrainischen Schauspielerin, auf dem nur Frauen spielen dürfen, präsentiert sich das Kieler Theater am 6. Oktober zur Primetime um 20.00 Uhr. "Da sind wir genauso neugierig, wie ich das vom Publikum verlange", freut sich Markus Dentler.

Darüber hinaus behält sich der Chef der Komödianten auch für die Jubiläumsspielzeit spontane Aktionen vor, "wenn etwas ganz Brutales passiert."

Markus Dentler - Foto: © 2013 by Schattenblick

Nicht zu zähmen
Foto: © 2013 by Schattenblick

Wie hält man sich über so viele Jahre und Jahrzehnte angesichts leerer Kulturkassen, schmaler werdender Portemonnaies, sterbender Theater? Während man den Spielstätten im neoliberalen Zeitalter aus unberufenem Munde ans Herz legt, ökonomischer zu werden, ihre Häuser wie Unternehmen zu führen und mit angeschlossener Gastronomie und Theatershops für mehr Umsatz zu sorgen, gehen die Komödianten andere, eigene Wege. "Wir sind keine Krämer", sagt Dentler. Man sei ein Experimentiertheater, immer ein bißchen Underground, "aber mit Charme und Witz." Ein Theater müsse von der Kunst geführt werden, authentisch sein, wild und unkonventionell.

Natürlich gab es auch schwierige Zeiten, Depressionen, äußere wie innere. Und natürlich wird nicht jedes Stück, jede Idee zum Erfolg. "Aber wenn es da nicht weitergeht, muß man das Publikum mit etwas anderem locken, Ideen hat man immer." Für Markus Dentler ist das Theater ein Ort der Freiheit und der Widerständigkeit gegen die Obrigkeit. Für beides kann in Zeiten wie diesen nicht genug geworben werden.

26. September 2013