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BERICHT/109: Scratch Lab - im Alltag der Projekte ... (SB)



Sich nach vorn beugende Tänzerin im Schneidersitz - Schwarz-Weiss-Foto: © 2018 by Shana Rochelle Photography

Plakat SCRATCH LAB Hamburg
Foto: © 2018 by Shana Rochelle Photography
Design: © 2019 by Svantje Buchholz

SCRATCH LAB - ein Labor, Kräfte frei zu setzen, Ideen in Bewegung zu bringen, noch Verborgenes ans Licht zu holen. Zu diesem Abend hatte das Kulturcafé Komm du Tänzerinnen und Tänzer, Choreographen und Choreographinnen sowie ihre Anwärter eingeladen. Am Mittwoch Abend, den 22. Januar 2020, feierte Scratch Lab Premiere in Hamburg.

Die Idee brachte Svantje Buchholz aus London mit über den Kanal. Ursprünglich durch ein Tanzprojekt 2016 an der University of East London UEL entstanden und von der Tanzstudentin jährlich zweimal fortgeführt, wollte sie dieses Labor nun nach vier Jahren auch in Hamburg präsentieren, wo sie derzeit lebt und arbeitet.

Ihrer Meinung nach gibt es zu wenig Events, bei denen aufstrebende Künstler ihre Choreographien, die erst in der Entstehungsphase sind, zeigen können. Da das Komm du Künstlern verschiedenster Sparten für ihre Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge sowie Puppentheatern eine Darstellungsmöglichkeit bietet, paßt das Konzept von Scratch Lab genau.

Was ist Scratch Lab? Bei diesem Event führen Künstler ihre Tanzstudien vor. Es brauchen keine fertigen Stücke zu sein - können es aber. Es werden teils auch Ausschnitte aus bereits fertigen Produktionen dargeboten, an denen die Tänzerin oder der Tänzer gerne noch weiter forschen möchte. Hier sollen "Work-in-Progress" Studien, noch im Entstehen befindliche Tanzprojekte, eine Plattform bekommen und auch Unterstützung durch das Feedback des Publikums erfahren.

In Form von aufgeschriebenen Notizen bekommen die Künstler einen Eindruck, was ihre Arbeiten bei den Zuschauern auslösen, werden inspiriert und können mit diesen Informationen - sowohl Korrekturen als auch Zuspruch ist erwünscht - weiter an ihren Tanzstücken arbeiten. Zettel und Stifte lagen im Komm du auf allen Tischen bereit. Die Initiatorin, die selbst ein Tanzstück präsentierte, bestätigte, daß es für die Künstler hilfreich sei, sowohl konstruktive Kritik als auch positives Feedback zu erhalten.


Moderator mit Mikrophon auf der Bühne - Foto: © 2020 by Schattenblick

Moderator Alassane Jensen bereicherte den Abend
Foto: © 2020 by Schattenblick

Insgesamt gab es 14 Präsentationen. Der Beginn der Veranstaltung zögerte sich etwas hinaus, da der Moderator Alassane Jensen, genannt AJ, noch von seinen Schülern, die er wöchentlich im Song- und Raptexteverfassen unterrichtet, aufgehalten wurde. Aber das Warten lohnte sich. AJ führte engagiert und mit Humor durch das Programm. Er bezog stets das Publikum mit ein und erwähnte beständig den Sinn dieser Veranstaltung, der den Besuchern ja eine Aufgabe zugedacht hatte.


Anand trommelt, Damini tanzt - Foto: © 2020 by Schattenblick Anand trommelt, Damini tanzt - Foto: © 2020 by Schattenblick

Links: Anand
Rechts: Damini
Fotos: © 2020 by Schattenblick


Das erste Stück "Let me think" wurde präsentiert von Damini und Anand. Anand spielte Flöte und trommelte, während Damini tanzte. Beide stammen aus Indien und studieren an der Contemporary Dance School Hamburg.

Während die Musik begann, wollten Daminis Arme wie von allein der Musik folgen. Die Tänzerin versuchte, ihren Körper unter Kontrolle zu bekommen, aber er war der Musik verfallen. Es war ein erstes langes Stück. Das Publikum ging mit, ließ sich zum Mitklatschen verführen. Am Ende war der Tanz wie eine Lobpreisung für eine bestimmte Person. Es schien, als neige sich die Tänzerin dieser in Liebe zu.


Vier Flamencotänzerinnen auf der Bühne - Foto: © 2020 by Schattenblick

Rechts außen: Iris Lange, Inhaberin des La Resaca Flamencostudio
Schülerinnen des La Resaca: Claudia, Franca, Genia
Foto: © 2020 by Schattenblick

Die folgende Darbietung "Tango de Málaga" wurde von vier Tänzerinnen des La Resaca Flamencostudios aufgeführt. Die Choreographie stammte von Iris Lange, Profi-Tänzerin und Inhaberin der La Resaca Flamenco-Tanzschule in Hamburg. Die Schule existiert bereits seit zehn Jahren.

Die kleine Truppe führte vor, was Flamencobegeisterte bei La Resaca lernen können. An diesem Abend traten die vier Damen Iris, Claudia, Franca und Genia über den Abend verteilt gleich dreimal auf. Der zweite Tanz "Sevillanas" war ein Stück mit Fächern, der dritte Auftritt "Bulerias por Fiesta" ein fröhlich, lustiges Stück, Zwischenrufe der Zuschauer waren erwünscht. Die Tänze bezogen mehrere der klassischen Elemente des Flamenco wie Klatschen, Summen und Gesang mit ein. Iris Lange tanzte zum Abschluß der Veranstaltung noch ein viertes Mal - ein Duett mit Tanzpartner Bruno.


Schwarzgekleidete Tänzerin hebt die Arme, die Sprecherin steht am Rand der Bühne und trägt vor - Foto: © 2020 by Schattenblick

Links: Almut Wregg tanzt
Rechts: Sarah Just trägt vor
Foto: © 2020 by Schattenblick

"Ich küss dich glücklich." Diese Text- und Tanzperformance wurde präsentiert von Sarah Just und Almut Wregg, beide studieren an der MSH Medical School Hamburg. Das Stück war eine Art Hommage an den Künstler Henry Charles Bukowski, der seine Prosawerke stets mit harter und direkter Sprache verfaßte und in seinen Geschichten die schmuddeligen Aspekte des menschlichen Lebens nicht aussparte. So war auch dieses Stück sehr provokant und von Sarah Just überaus beeindruckend vorgetragen: "... der Dreck ist nicht ein Geruch ..." Und der Refrain lautete: "... maybe we read Bukowski once too offen last week ..." Bei der tänzerischen Darbietung war zu merken, dass sie noch in der "Work-in-Progress" Phase steckt.


Swing auf dem Tanzboden - Foto: © 2020 by Schattenblick

Meena Singh
Foto: © 2020 by Schattenblick

Mit "Topsy" legte Meena Singh eine kurze, flotte Swing-Tanz-Choreographie auf das Parkett. Meena Singh hat 2005 ihren Abschluss zur Tanzpädagogin an der Lola Rogge Schule in Hamburg absolviert. Sie unterrichtet Stepptanz. Näheres kann erfragt werden. Der Swing war mitreißend getanzt. In manchen Posen wirkte die Tänzerin etwas schüchtern. Nur Mut Meena, du kannst es!


Moderne Solointerpretation einer traditionellen Tarantella - Foto: © 2020 by Schattenblick

Alina Tereschenko
Foto: © 2020 by Schattenblick

"Tarantella del Gargano" wurde präsentiert von Alina Tereschenko. Das Solo hat eine moderne Interpretation einer traditionellen Tarantella zum Thema. Inspiriert wurde es durch einen Ausschnitt aus einer Dokumentation über die berühmte Tänzerin und Choreographin Pina Bausch. Dieses Musikstück wurde bereits im Juli letzten Jahres als Bestandteil eines Tanztheaters verwendet. Hier als Solo wird der Tanz noch einmal neu interpretiert.

Bei dieser Darbietung zeigte sich, wie wichtig Musik sein kann, die dem Tanz zusätzlich Ausdruck und Stärke verleiht.


Anand im Stehen - Foto: © 2020 by Schattenblick

Anand
Foto: © 2020 by Schattenblick

Anand hatten wir bereits als Flötist und Trommelspieler zu Beginn kennengelernt. Mit seinen Bewegungen, die Elemente des indischen Tanzes aufwiesen, wollte er folgendes ausdrücken: "Moment in movement. Make the moment important, vital, and worth living. Do not let it slip away unnoticed and unused moves and space."[1] Anand brachte den Moment in Bewegung, machte ihn bedeutend, vital und lebenswert. Anand wollte uns aufmerken lassen, den Augenblick nicht verrinnen, nicht unbemerkt und ungenutzt die Bewegungen verstreichen zu lassen, den Raum auszufüllen.


Diesen sieben Performances folgte eine Pause, in der die Zuschauer das Event in Form von Hutgeld unterstützen konnten. Außerdem wurden die reichlich geschriebenen Post-its an eine Wand geheftet und von den Tänzerinnen und Tänzern gespannt erwartet. Mit Namen und Nummern der Vortragenden versehen, die auf den Programmzetteln zu lesen waren, konnten die Post-its leicht zugeordnet werden. Anhand dieser erfuhren die Künstler auch untereinander, was es für Vorschläge und Ideen zum Weiterarbeiten von Seiten der Zuschauer gab. Auch nach Part II des Abends landeten weitere Notizen an der WIP-Wand[2]. Es war vorgesehen, daß die Künstler später ihre Hinweise mit nach Hause nehmen konnten.


Nana in Bewegung - Foto: © 2020 by Schattenblick

Nana Anine Jorgensen
Foto: © 2020 by Schattenblick

"Tomorrow I Was Raining" ist eine Produktion von Nana Anine Jorgensen. Die Musik kreierte Max Barth. Das Stück stammt ursprünglich von einer größeren Installation her, welche Nana in Island erarbeitet hat. Die Produktion beschäftigte sich mit relativen Realitäten aus ihren undurchsichtigen, bedenklichen und fragwürdigen aber auch schönen Blickwinkeln. Dazu fallen Nana Begriffe wie "die Norm", "Geisteskrankheit" und "das kreative Gehirn" oder "der absolute Intellekt" ein. Nana stellte sich die Fragen: "Ist es notwendig, die Grenzen der Vernunft zu verschieben, um dem Kreativen gegenüber ehrlich zu bleiben? Ist Kreativität tatsächlich eine übernatürliche Kraft?"[3] Nana will das Publikum in ein Universum versetzen, in dem alle Sinne verschmelzen und die Wirklichkeit zur Frage wird, dabei arbeitete sie mit Wiederholungen in ihren tänzerischen Ausführungen. Dies sind interessante Aspekte. Die Präsenz der Darbietenden war spürbar und ihr Können sichtbar.

Es wurde deutlich, wird Tanz dem Publikum vorgesetzt ohne Musik, ohne Worte, ohne Erklärung, tauchen Empfindungen bei dem Betrachter auf, die nur die eigenen sind. Will der Tänzer, der Akteur, der Künstler aber verstanden werden, braucht es mehr als ein Medium, auch Ton und Sprache oder Begrifflichkeit wollen zum Verständnis beitragen.


Tänzerin steht mit ausgestreckten Armen vor der Wand - Foto: © 2020 by Schattenblick

Svantje Buchholz
Foto: © 2020 by Schattenblick

"M - about trying to love someone into their potential only to realize that its just this - potential."[4] Bei "M", präsentiert von Svantje Buchholz, geht es um das Gefühl, sich aufgrund eines wahrgenommenen Potentials eines Menschen, sich in diesen zu verlieben, um dann zu erkennen, dass es eben nur dies ist - Potential: Kraft, Stärke, Sicherheit, Können, Energie, Initiative, Feuer, Fähigkeiten, Dynamik, Wille, Mut, Leistungsfähigkeit, Frische, Reserven, Schwung, Temperament, Lebenskraft ... Dinge, die man selbst zum Leben benötigt, nach denen man sich sehnt, aber dieses Potential macht eben nicht den Menschen aus, der da vor einem steht. Das Gefühl mag nur ein Trugbild sein. Die Bewegungen der Tänzerin sind geschmeidig und fließend, die Mimik ausdrucksstark, Musik und Tanz entsprechen sich und lassen, was gesagt werden soll, herüberwachsen.

Svantje schloss mit 21 Jahren ihre Ausbildung zur Tanzpädagogin in Hamburg an der Erika Klütz Schule ab und ging wenig später nach London, um dort 2018 ihren Bachelor in Urban Dance Practice an der University of East London abzuschließen. Im Rahmen ihres Studiums kreierte sie regelmäßig mit SCRATCH LAB eine Plattform für Tänzer und Künstler, um "Work-in-Progress" Tanzstudien zu präsentieren und führt dies auch noch nach ihrem Studienabschluß in London weiter. Neben ihrer Tätigkeit im Eventmanagement des Kulturcafés Komm du ist sie als Tanzproduzentin tätig in Produktionen wie dem weltweit führenden Experimental Festival OPEN YOUR MIND London und weiteren Formaten wie dem SYNERGY Dance Battle für das Bremer Theater, sowie als Tänzerin im Stück "Sabra et Chatila" des iranischen Choreographen Afshin Ghaffarian.


Große Augen blicken in die Welt - Foto: © 2020 by Schattenblick Große Augen blicken in die Welt - Foto: © 2020 by Schattenblick

Ilka Erdmann
Fotos: © 2020 by Schattenblick


"Land unter!" wurde choreografiert von Ilka Erdmann im Rahmen ihrer Ausbildung zur Tanzpädagogin an der Erika Klütz Schule in Hamburg. Das Thema war: Das Tier in mir. Ilka faszinieren Wale und so wandte sie sich dem Blauwal zu: "Der Blauwal - Gigant des Ozeans - ist über Jahrhunderte vom vergleichsweise kleinen Vierbeiner zum größten Säugetier des Planeten herangewachsen. Nur noch sein Skelett verrät, dass an Stelle von Flossen einmal Beine seinen Körper getragen und den Wal in sein LAND UNTER Wasser geführt haben. Ist nicht auch ein Stück Blauwal in mir? Wenn ich den Status quo nicht als Ziel, sondern als Anfang setzte? Wenn ich weiter auf der Suche nach dem Land bin, in dem ich mich entfalten und wachsen kann? Ich habe einen Blauwal in mir. Und Sie? Vielleicht finden Sie es ja heraus, während Sie mich auf die Reise in mein LAND UNTER begleiten."[5]

Auf die Reise wurde der Zuschauer wahrhaftig mitgenommen und nicht nur das, er fühlte sich, als schwämme er selbst im Ozean und werde von den riesigen Kulleraugen eines Kumpanen in dessen Bann gezogen.


Wie ein Vogel auf einem Bein - Foto: © 2020 by Schattenblick

Marie Schröder
Foto: © 2020 by Schattenblick

Die Choreografie "Oder doch grau" ist ebenfalls im Rahmen der Solostudien zum Thema "Das Tier in mir" an der Erika Klütz Schule entstanden. Marie Schröder fand ihr Thema im Bereich der Vögel: "Die Choreographie beschäftigt sich mit der Elster in mir, die den Wunsch zu fliegen hegt, aber durch meinen menschlichen Körper am Boden und an meine Weltsicht gefesselt ist. Es geht um Schwarz-Weiß-Sicht und unseren Umgang mit uns selbst und mit anderen Menschen, wenn es uns gut geht, aber auch wenn wir unseren Tiefpunkt erreichen."[6]

Eine Choreographie mit Worten einzuleiten ist für den Betrachter hilfreich, kann aber auch bereits zu viel offen legen und ihm mehr vorgeben und verraten, was seine Empfindungen und Bewertungen dem Stück gegenüber einschränkt und festlegt.

Bei der Vorstellung der Elster hätte weniger Text verwendet werden können. Allein zu wissen, daß es um das Tier in uns geht und wir sogar den Anhaltspunkt haben, welchem Tier wir hier begegnen, ist verbindlich genug, um den Betrachter in den Tanz und die Beschäftigung mit sich selbst einzubinden. Die tänzerische Darbietung war grazil und gelungen, ein Vogel stand auf der Bühne.


Jon mit verrenkten Gliedern - Foto: © 2020 by Svantje Buchholz

Jon Sky
Foto: © 2020 by Svantje Buchholz

Jon Sky ist professioneller Tänzer, Choreograph, Tanzlehrer und Gründer des "HopeFam - Hip-Hop Community Project" in Saarbrücken. Über "Inside Out" sagt er: "Nach einem Blackout an einem Sonntag Abend - alles womit du zurückgelassen wirst, sind die Gedanken in deinem Kopf, welche ihre Möglichkeit nutzen, dich endlich mit sich zu konfrontieren."[7] Eine ausdrucksstarke Performance, heftig, aber bemerkenswert und man wundert sich, wozu unsere Körper befähigt sein können, wie gelenkig und verrenkbar sie gebraucht werden mögen. Die heftige Geschichte, die dem Stück innewohnte, konnte nicht anders als verstanden werden.

Aufgewühlt nach Jon Sky, rundeten Iris Lange und Bruno mit ihrem Duett "Sevillana" den Abend ab. Zum Abschluß sprach der Moderator AJ einen Dank an das Kulturcafé aus und hob hervor, wie wichtig es doch ist, daß hier Künstler zusammen treffen können. Ein weiterer Dank ging an die Initiatorin Svantje. Zuletzt dankte der Moderator allen Künstlern, die sich für dieses Event zur Verfügung gestellt hatten. Denn gerade wenn noch an einem Projekt gearbeitet wird, kostet es meist Überwindung, das unfertige Stück schon zur Schau zu stellen. Aber hier liegt der Reiz und der Sinn von Scratch Lab, an den Dingen zu forschen, sich zu zeigen und Unterstützung erfahren.

Als Musiker, der auch mit Worten umzugehen gelernt hat, trug AJ in eigener Sache zum Abschluß noch einen Text über Dummheit und Ignoranz vor: "... vergiß die Existenz der Zeit, vergiß die Zwänge dieser Woche, sei ganz du selbst ..."

Der Zuspruch des Publikums in Form von Anmeldungen zum Event, auf den Beginn des Abends gespannt zu warten und nicht zuletzt den Interpreten auch Rückmeldung zu geben, zeigte, daß das Format Scratch Lab auf Begeisterung sowohl von Seiten der Vortragenden als auch der Zuschauer stößt. Hier agieren beide Seiten zusammen und kommen sich näher. Zwar kam auf die Aufforderung des Moderators, ob noch jemand etwas vortragen wolle, noch kein Zuschauer auf die Bühne gestürzt, aber das kann sich leicht bei Scratch Lab 2.0 ändern, wenn die Zuschauer wissen, worauf sie sich einlassen und worauf sie sich freuen können.

*

Im Vorfeld der Veranstaltung konnte der Schattenblick der Initiatorin einige Details zur Premiere von Scratch Lab Hamburg entlocken.


Svantje macht eine Ansage zum Abend - Foto: © 2020 by Schattenblick

Svantje Buchholz
Foto: © 2020 by Schattenblick

Schattenblick: Ist mit weiteren Veranstaltungen dieser Art in Hamburg zu rechnen?

Svantje Buchholz: "Diese WIP-Plattform wird sich in nächster Zeit, in den nächsten Jahren, etablieren, da bin ich mir sicher. Es gibt auch schon die nächsten Termine für Editionen im Komm du, voraussichtlich im Mai und im Oktober dieses Jahres. Wer mitmachen möchte, kann sich schon einmal über Scratch Lab schlau machen und die Augen für die genauen Termine offen halten. Wir möchten dann wieder AJ als Host dabei haben, es ist einfach phantastisch, wie er das Publikum zusammenführt, mit allen Späßchen machen kann, aber trotzdem jeden Künstler für sich ernst nimmt.

SB: Wer kann an Scratch Lab teilnehmen, gibt es Auswahlkriterien?

S.B.: Wir möchten eigentlich jedem eine Chance geben, seine Kunst zu zeigen. Aber es muß auch in Richtung Qualität gehen. Scratch Lab ist etwas für Menschen, die im Tanzbereich arbeiten und für die Tanz ein emotionales und kreatives Ausdrucksmittel ist.

SB: Wird ein spezielles Thema für den Abend vorgegeben?

S.B.: Bei Scratch Lab nicht, da kann jeder zeigen, woran er gerade arbeitet. Bei dem Festival von OPEN YOUR MIND, das ich ebenfalls in London organisiere, geben wir ein Konzept, die Musik und einen Zeitrahmen vor. Da müssen die Tänzer genau in dem Moment präsent sein.

SB: Im Gegensatz zur Malerei, die Bilder als etwas Beständiges hinterläßt, ist Tanz nur im Augenblick präsent, zeitlich gebunden und vergänglich - außer man schaut sich ein Video an, aber das ist nicht dasselbe. Könntest du dir vorstellen, Tanz und Malerei zu kombinieren?

S.B.: Künstler, die Tanz und Malerei verbinden und daraus eine Installation machen, gibt es bereits. An einem Tanzpainting habe ich großes Interesse und es ist auch schon in Planung, braucht aber viel Vorbereitungszeit. Im Moment liegt dahingehend nicht mein Fokus. Aber ich finde es gut, Verbindungen mit anderen künstlerischen Ebenen zu schaffen, Connections zu haben und neue Projekte anzugehen. Es gibt so viele Möglichkeiten. Deshalb arbeite ich vorwiegend an Projekten, die auch präsentiert werden. Meist scheitern solche Projekte allerdings an finanziellen Mitteln.

SB: Wie sieht es finanziell mit Scratch Lab aus?

S.B.: Scratch Lab ist momentan machbar. Dank dem Komm du können wir die Räume und diese Bühne nutzen. Alle größeren Projekte - oder wenn Scratch Lab sich erweitert und ans Theater geht - brauchen Sponsoren. In London stehen uns die Räume der Universität kostenfrei zur Verfügung. Daran scheitert ein Event oft schon. Und ich und mein Host arbeiten dort ebenfalls umsonst.

SB: Du selbst trittst auch bei Scatch Lab auf, woran arbeitest du gerade choreographisch?

S.B. Es geht mir um die zwischenmenschlichen Beziehungen. Zum Beispiel, wie es sich heutzutage anfühlt, als Frau und auch als Mann Solo zu sein. Wie es ist, wenn du dann auf ein Date gehst, wie unfaßbar abartig miteinander umgegangen wird und wie austauschbar der Mensch wird.

SB: Was hat dich bewegt, in die tänzerische Laufbahn einzusteigen?

S.B.: Für mich war immer klar, daß ich in einem künstlerischen Rahmen arbeiten wollte. Und ich hatte zwei Vorbilder, mit denen ich auch immer noch arbeite - meine Freundin Britta Barthel, die an der Middlesex University in London Choreographie studierte, und der Choreograph Johnny Lloyd.

SB: Kannst du etwas über Scratch Lab London erzählen?

S.B.: In London geht Scratch Lab im Februar in die 8. Runde. Das Event dort findet hauptsächlich für Studenten statt. Aber es werden zusätzlich auch Künstler aus der Londoner und internationalen Tanzszene eingeladen, die dann ebenfalls auftreten.

SB: Wie groß ist das Event?

S.B.: Neben den Teilnehmenden kommen meistens zwischen 80 und 90 Zuschauer, teils ebenfalls Studenten, aber auch externe Leute und wie gesagt Künstler aus der internationalen Tanzszene hinzu. Der Hintergrund ist, wir laden speziell Leute einladen, die schauen, ob sie mit einzelnen Tänzern weiterarbeiten wollen. Scratch Lab ist eine Plattform, auf der man sich austauschen und Verbindungen schaffen kann. Die Studenten sollen zum einen Inspirationen erhalten, zum anderen Networking betreiben und die Künstler kennenlernen, vielleicht mit ihnen ins Gespräch kommen, um in absehbarer Zukunft mit ihnen arbeiten zu können.

SB: Wie sieht die Planung für Scratch Lab Hamburg aus?

S.B.: Wir möchten diese "Work-in-Progress" Veranstaltung regelmäßig anbieten, damit die Hamburger Szene eine Plattform bekommt, auf der aktuelle Studien gezeigt werden können. Das Besondere ist eben, daß hier gerade auch kurze Stücke von nur zwei bis zehn Minuten gezeigt werden, die noch unfertig sein dürfen. Künstler erfahren so Unterstützung bei ihren ersten Ideen. Außerdem gibt es keinen Druck. Qualität ist gewünscht, aber es soll kein Druck entstehen. Wir wollen eine sichere Atmosphäre schaffen. Man muß hier nicht perfekt sein, denn das sind wir alle nicht.

SB: Vielen Dank Svantje für die Informationen und daß du deine Ideen mit uns geteilt hast.


Anmerkungen:

[1] Anands englische Beschreibung zum Inhalt seiner Choreographie

[2] WIP ist die Kurzform von Work-in-Progress

[3] Nana Anine Jorgensens Gedanken zum Stück in deutscher Übersetzung

[4] Svantje Buchholz beschreibt in englischen Worten das Gefühl hinter ihrem Tanz

[5] Gedanken zu "Das Tier in mir" von Ilka Erdmann

[6] Arbeitskonzept zum Thema von Marie Schröder

[7] Jon Sky zu seinem Stück


6. Februar 2020


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