Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → FAKTEN

HAUSTIER/121: Wie der Hund zum Menschen kam (TIER-ABC)


TIER-ABC - Ausgabe Nr. 7+8/2007
Nachrichten über Natur, Mensch und Tier

Gezähmt, geliebt, gegessen - Wie der Hund zum Menschen kam

Von Judith Knöbel-Methner


Hunde und Menschen gehören einfach zusammen. Schon die alten Römer haben gezielt Hundezucht betrieben und, bereits mehrere spezifische Rassen unterschieden. Doch der Hund war schon lange vor der Antike der beste Freund des Menschen, bereits seit der letzten großen Eiszeit ...


Bei dem Begriff "Hund" denken wir zuallererst an die Haushunde, die uns Menschen in unzähligen Rassen auf nahezu dem ganzen Erdball zur Seite stehen und die unterschiedlichsten Aufgaben erfüllen. In Deutschland lebt in einem Viertel aller Haushalte ein Hund. Es sind Hofhunde, Hirtenhunde und auch Jagdhunde; die meisten von ihnen leben jedoch, ohne eine derartige spezifische Aufgabe zu erfüllen, einfach als Freund, Kamerad oder als Spielgefährte fast wie ein menschliches Mitglied im Familienverband.

Das war allerdings nicht immer so. Denn so eng und emotional die Beziehung zwischen Mensch und Hund heute ist - ursprünglich waren die Vierbeiner gefährliche wilde Raubtiere, die erst einmal wenig Lust auf Gassigehen hatten.

Die ersten Wildhunde entwickelten sich vor etwa 20 Mio. Jahren. Viele Gattungen existieren noch heute, beispielsweise Füchse, Marderhunde, Schakale, Kojoten und Wölfe. Die modernen Hunde wie Dackel, Schäferhund und Dogge gab es damals jedoch noch nicht.

Seit hunderten von Jahren haben Menschen versucht, die Abstammung der Haushunde zu entschlüsseln. Man glaubte zunächst, die unterschiedlichen heutigen Rassen gingen auf verschiedene Wildhundarten zurück. Im 18. Jahrhundert erkannte Naturforscher Karl von Linné, dass alle modernen Haushunde eine gemeinsame Art bilden. Welcher Wildhund allerdings ihr Stammvater war, blieb wiederum lange Zeit umstritten. Erst in den letzten Jahrzehnten konnte die Haustierforschung anhand von Kreuzungsversuchen, Gentests, archäologischen Funden etc. die Abstammung des Haushundes vom Wolf zweifelsfrei belegen.

Vermehrte Knochenfunde zeigen, dass schon in der jüngeren Altsteinzeit (etwa 25.000-18.000 v. Chr.) das Verhältnis von Wölfen und Menschen enger wurde. Von welcher Seite diese Annäherung ursprünglich ausging - ob sich das Tier dem Menschen anschloss, weil es in dessen Essensabfällen Futter fand, oder ob der Mensch seinem natürlichen Pflegetrieb folgend, Wolfswelpen aufzog und so zähmte -, ist nicht mehr erschließbar. Die Theorie, dass der Mensch sich die Wölfe schon früh als Wächter und Beschützer zunutze gemacht haben soll, ist allerdings unwahrscheinlich, da Wölfe kaum bellen.

In jedem Fall waren Mensch und Wolf aufgrund einiger Übereinstimmungen im Sozialverhalten (Rangordnung, Aufgabenteilung, Fürsorge etc.) für ein Zusammenleben prädestiniert. Wolfskieferknochen von mittel- und osteuropäischen Fundplätzen aus der jüngeren Altsteinzeit zeigen bereits dieselben Veränderungen in der Zahnstellung, wie die heutiger Wölfe, die nicht mehr wild leben, sondern in Zoos gehalten werden. Zum Teil sind diese sogar genetisch fixiert, sodass man daraus schließen kann, dass sich die zahmen Wölfe der Eiszeitjäger bereits untereinander gepaart haben.

In den folgenden rund 10.000 Jahren wurde das Verhältnis Mensch - Wolf immer enger. Wahrscheinlich schlossen sich in erster Linie die weniger dominanten Tiere, die in freier Wildbahn möglicherweise weniger Überlebenschancen gehabt hätten, den Menschengruppen an. Wiederum wäre es denkbar, dass diese auch bevorzugt die Vermehrung der ruhigeren und umgänglicheren Wölfe förderten.

Diese sehr wahrscheinliche natürliche und künstliche Auslese führte gemeinsam mit der gleichzeitigen Isolation von den wilden Artgenossen, allmählich zu genetischen Veränderungen bei den Tieren und beeinflussten Verhalten und Aussehen der "Hauswölfe". Die ersten Nachweise "echter" Haushunde, die eindeutig nicht mehr dem Wolf entsprachen, sind Knochenfunde, die aus der spätesten Phase der Altsteinzeit (13.0009.000 v. Chr.) stammen. Interessanterweise gilt dasselbe für alle Orte auf der Erde, wo sich Hunde ursprünglich entwickelt haben wie Nordamerika, Vorderasien und Sibirien; der Domestikationsprozess muss also ungefähr gleichzeitig in vielen verschiedenen Regionen stattgefunden haben.

Dass die Beziehungen zwischen Herr und Hund schon damals sehr eng gewesen sein müssen, zeigt sich besonders in der Tatsache, dass die meisten Haushundknochenfunde aus menschlichen Gräbern stammen. In vielen frühen Hochkulturen findet sich noch dieser Brauch, Hunde in Menschengräbern zu bestatten. Dass aber auch die altsteinzeitlichen Menschen einem Tier bereits eine Bestattung zukommen ließen, ist bedeutungsvoll, da sich ihr Verhältnis zur Tierwelt ansonsten fast ausschließlich über die Nahrungsgewinnung definierte.

Entsprechende Fundumstände weisen allerdings ebenso darauf hin, dass unsere steinzeitlichen Vorfahren von Zeit zu Zeit auch Hunde verspeisten. Da diese als Fleischfresser normalerweise aber auf dieselben Nahrungsquellen angewiesen waren wie der Mensch, ist die Annahme einer gezielten Hundehaltung zur Fleischgewinnung eher unwahrscheinlich. Nur in Extremsituationen wie bei Hungersnöten werden die Menschen auch ihre Hunde gegessen haben.

Von ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten aus gelangten die Hunde bis etwa 7.000 v. Chr. auch in die Regionen, in denen der Wolf nicht heimisch gewesen war, z. B. nach Afrika und Südamerika. Vielerorts in den südlichen Erdteilen verwilderten sie bald wieder und bildeten ganz neue Wildhundarten, so beispielsweise die Dingos in Australien.

Nach dem Ende der letzten Eiszeit verbreitete sich die Hundehaltung offenbar sehr schnell in ganz Europa. Die nun zahlreichen Knochenfunde zeigen, dass die Tiere eine Schulterhöhe von 50-60 cm hatten und, verglichen mit heutigen Rassen, am ehesten den Schäferhunden ähnelten. Spezielle Aufgaben erfüllten diese allerersten Hunde sehr wahrscheinlich noch nicht. Ihre ursprünglichste Funktion war wohl die eines Begleiters und Kameraden, was auch in unserer Zeit für viele Menschen noch der wichtigste Aspekt bei der Hundehaltung ist. Über ihren Einsatz z. B. als Jagdhelfer beim Aufstöbern des Wildes kann nur spekuliert werden. Die gezielte Zucht und Entwicklung verschiedener, funktionsabhängiger Rassen und deren entsprechende Nutzung hat aber vermutlich erst bei den ersten Hochkulturen des Vorderen Orients, also einige tausend Jahre später, begonnen.


*


Quelle:
TIER-ABC, Nr. 7+8/2007, S. 8-9
Die Zeitung mit Nachrichten über Natur, Mensch und Tier!
Postfach 5366, 76035 Karlsruhe
Tel.: 0721/2 28 20, Fax: 0721/2 96 86
E-Mail: redaktion@tier-abc.de
Internet: www.tier-abc.de, www.tierschutz-abc.de

Erscheinungsweise: monatlich
Bezugspreis für das Jahresabonnement: 24,- Euro
Einzelheft: 2,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2007