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HIPPOS/90: Schwarzwälder Füchse - von Kriegsrossen und Ritterpferden (SB)


Schwarzwälder Füchse - nur duch Schlitzohrigkeit vor dem Aussterben gerettet

Kriegsrosse formten die Kaltblutrasse


Jahrhunderte bäuerlicher Zucht haben den Schwarzwälder Fuchs hervorgebracht, ein Pferd voll starker, kraftvoller Anmut, glänzend wie gedrechseltes Holz, geschaffen für die Feldarbeit. Auch für Pferdekenner irritierend sticht auf dem tiefen dunklen Braun des Fells das hellblonde dichte, leicht gewellte Mähnenhaar als ungewöhnlicher Kontrast ab. Helles Mähnenhaar ist bei Bauernpferden in Süddeutschland, beispielsweise den Haflinger, an sich nichts Ungewöhnliches, an Dunkelfüchsen wie den Schwarzwäldern ist es jedoch einzigartig und eigenartig schön.

Doch selbst mit beispielloser Blicke fesselnden Schönheit konnten die Schwarzwälder ihren Platz nicht gegen die neuen landwirtschaftlichen Maschinen behaupten. 1973 gab es nur noch 190 Tiere. Dem neuentdeckten Schwarzwald-Tourismus und nur so uneigennützigen, "verschrobenen" Pferdenarren wie dem Bauer Alois Ruf ist es noch zu verdanken, daß es heute schon wieder eine stattliche Anzahl der schönen Füchse im Lande gibt.

Kommt man nach Elzach im Südschwarzwald, könnte man sich in Urgroßmutters Zeit zurückversetzt fühlen. Hier geht der Bauer noch mit schweren, gesetzten Schritten hinter der Egge über das Feld. Das schwere Gerät wird von einer Schwarzwälder Kaltblutstute gezogen. Eine junge Frau in ländlicher Tracht und Kopftuch führt das Pferd am Zaumzeug. In einigen Metern Abstand folgt die Bäuerin und setzt Kartoffeln in die Furchen.

"Gut machst du das, Dorle", lobt Bauer Ruf das Pferd. Und als sei sie sich ihrer besonderen Rolle und dieses Lobes bewußt, hebt die elfjährige Stute den Kopf mit der hellen Mähne noch ein wenig höher und stemmt sich noch ein wenig kraftvoller in das Geschirr. Dorle ist einer der letzten Schwarzwälder Füchse, die noch als Zugtier eingesetzt werden. Die Kaltblüter zählen zu den vom Aussterben bedrohten Pferderassen.

Die Feldarbeit mit dem Schwarzwälder Fuchs, wie sie der Rufbauer, seine Frau Hedwig und Tochter Veronika gelegentlich noch auf für den Traktor unwegigen Feldern praktizieren, hat im Schwarzwald eine lange Tradition. Ob pflügen, eggen, pflanzen, säen, Kartoffeln häufeln, düngen, Heu machen oder dreschen: Als Zugtiere waren die robusten, arbeitswilligen Pferde in der Landwirtschaft lange unentbehrlich. Doch so friedlich, wie das Bild erscheint, ist die Geschichte der schönen Kaltblüter nicht, denn ihre Vorfahren waren die kriegerischen Ritterpferde des Mittelalters.

Es ist daher auch mehr dem Zufall zuzuschreiben, daß in den vielen Kriegen seit dem Mittelalter fremden Regimentern so manches Schlachtroß im Schwarzwald abging: so mischten sich spanische, französische, kroatische und russische Tiere als Basis der bäuerlichen Zucht. Die Schwarzwälder entwickelten ihren Ansprüchen gemäß ein kleinrahmiges, jedoch leistungsstarkes, kämpferisches Bauernpferd, den Schwarzwälder Fuchs.

In ihm vereinen sich sowohl die Kraft der schweren Kaltblüter, als auch die Wendigkeit, Wachheit und Einsatzbereitschaft der ehemaligen Kriegsrösser. Die leichtere Kaltblutrasse eignete sich hervorragend als Reit- und Arbeitstier an den steilen Hängen und auf den weichen Böden des Schwarzwalds und war außerdem gut an das rauhe Klima angepaßt.

Als Alois Ruf 1969 den Hof von seinen Eltern übernahm, standen noch eine Anzahl Schwarzwälder Füchse bei den Rufs als Arbeitspferde im Stall. An Zucht war aber zu jener Zeit nicht zu denken, denn das wäre bei den täglichen Strapazen auf dem Acker für die Muttertiere reiner Mord gewesen. Anders als seine Altersgenossen setzte der junge Landwirt nämlich, statt neue Ackergeräte anzuschaffen, zunächst weiter seine Pferde ein. Die Füchse halfen dem jungen Landwirt in der schweren Anfangszeit, wirtschaftlich zu überleben.

Erst 1975, als er sich neue Maschinen für einen Teil der schweren Arbeiten leisten konnte, begann er auch mit der Zucht von Schwarzwälder Füchsen. Heute hält er fünf Schwarzwälder Füchse auf seinem Hof.

Trickreich gerettet

Lange Zeit sah es nicht so aus, als würde ein Schwarzwälder Fuchs im ausklingenden 20. Jahrhundert noch die Egge übers Feld ziehen. Schon 1880 geriet der Fortbestand der Rasse erstmals in Gefahr. Ein Gesetz schrieb damals vor, daß die größeren Belgischen Kaltblüter eingekreuzt werden sollten, damit deren Nachkommen das schwerer werdende Ackergerät ziehen konnten. Die schlitzohrigen Schwarzwälder Züchter wollten die Verfälschung ihrer Pferde aber nicht hinnehmen und sollen zu einem Trick gegriffen haben: Sie ließen rossige Stuten zuerst von Fuchshengsten decken, warteten das Ende der Rossigkeit ab, und ließen erst dann die Stuten wie vorgeschrieben zu den Belgischen Kaltbluthengsten. Auf diese Weise konnten sie die Schwarzwälder Linie zunächst retten.

1973 nur noch zwei Fuchshengste

Vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Schwarzwälder Kaltblutzucht noch einmal einen Aufschwung, weil robuste Arbeitspferde in der Landwirtschaft, im Bergbau und Verkehr benötigt wurden. Mit der zunehmenden Motorisierung begann jedoch der Niedergang der Rasse. 1950 waren kaum noch 1000 Stuten ins Hauptstammbuch eingetragen. 1973, am Tiefpunkt der Schwarzwälder Kaltblutzucht, waren es gerade noch 187 Stuten. Nur zwei Hengste, Duplex und Marquis, überstanden diese schwierige Zeit.

Ende der siebziger Jahre begannen die Fohlenzahlen wieder zu steigen, unter anderem dank der staatlichen Zuchterhaltungsprämien. Während das traditionelle Verbreitungsgebiet des Schwarzwälder Fuchses zwischen dem Kinzigtal und dem nördlichen Hotzenwald liegt, sind heute im Nordschwarzwald, am Bodensee und auf der Schwäbischen Alb ebenfalls gute Zuchtstätten zu finden. Auch in anderen Bundesländern existieren "Zuchtinseln". Dennoch stuft die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen den Schwarzwälder Fuchs weiterhin als gefährdet ein.

Die bodenschonende Arbeit mit Pferden erlebt vor allem in der biologischen Landwirtschaft eine kleine Renaissance. Auch in der Waldwirtschaft besinnt man sich wieder auf die Vorteile von Pferden gegenüber schweren Motorfahrzeugen: Die Tiere brauchen keine breiten Waldwege und beschädigen dank ihrer Wendigkeit die Bäume kaum. Die Hufe verursachen im Gegensatz zu Schlepprädern nur kleinflächige Bodenverdichtungen, die Mikroorganismen im Boden wieder lockern können. Auch Bodenverletzungen, wie sie durchdrehende Profilräder von Schleppern verursachen, treten beim Einsatz von Pferden nicht auf. Nach Meinung von Pferdenarren wie Alois Ruf, der selbst etwa 15 Hektar Wald sein eigen nennt, würde trotz des neuen Trends noch viel zu oft Holz mit dem Schlepper rausgezogen, ungeachtet der vermeidbaren Schäden. Das gehöre zwar zum schnelllebigen Tempo unserer Zeit, dabei würde aber vergessen, daß ein Pferd das Holz am schnellsten und wirtschaftlichsten aus dem Wald zieht.

Wirtschaftlichkeit ist ein Schlüsselwort in der Landwirtschaft. Wenn ein Schwarzwälder Fuchs nur gelegentlich auf dem Feld arbeitet, lohnt sich die Haltung nicht. Der Einsatz als Kutsch- und Wagenpferd ist daher ein wichtiges Zubrot für die meisten Halter der robusten Kaltblüter. Planwagen-, Hochzeits- und Schlittenfahrten rangieren in der Beliebtheit der Kundschaft ganz oben. Es wäre schade, wenn die malerischen, bäuerlichen Gespanne mit ihren prächtigen, eingeflochtenen Mähnen und blinkenden Prunkgeschirren auf einer der örtlichen Festivitäten fehlen würden, sie gehören hier ebenso zur dörflichen Romantik, wie die Trachten, das Bier und der Schwarzwälder Schinken.

Ob der Schwarzwälder Fuchs auch noch eine Zukunft hat, wenn die nächste Generation den väterlichen Hof übernimmt? "Einen Stundenlohn kann man sich bei der Zucht nicht ausrechnen", meint Vater Ruf, der seinen Hof auch bald seinem Sohn Martin übergeben wird. Man muß an den herrlichen Tieren schon einen richtigen Narren gefressen haben (wie man hier sagt) und viel Zeit für dieses Hobby opfern. Ob die Söhne und Töchter, für die sich die Landwirtschaft meist nur als Nebenerwerb rentiert, einmal Zeit übrig haben werden, steht noch in den Sternen.

Erstveröffentlichung 2000
neue, aktualisierte Fassung

19. Juni 2009