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ETHIK/038: Gefangen im Ressentiment (Ingolf Bossenz)


Gefangen im Ressentiment

Ingolf Bossenz über den weiten Weg zu einer tiergerechten Gesellschaft

Von Ingolf Bossenz, 23. Dezember 2014



Nietzsches Diktum, der Mensch habe mehr von einem Affen als so mancher Affe, ließe sich gewiss auch umkehren. Auf jeden Fall zeigt sich spätestens mit Blick auf die Menschenaffen, wie definitorisch unzulänglich, biologisch fragwürdig und ethisch falsch die üblicherweise zwischen Tier und Mensch gezogene Speziesgrenze ist. Ein juristischer Beleg dafür wurde jetzt in Argentinien erbracht, wo Tierschützer vor Gericht die Freilassung eines Orang-Utan-Weibchens erstritten. Erfolgt keine Berufung, kann das 29-jährige Tier seine verbleibenden Lebensjahre (in freier Wildbahn bis zu 50) in einem brasilianischen Schutzgebiet verbringen.

Die Tierrechtsanwälte hatten moniert, die Äffin müsse im Zoo von Buenos Aires eine »ungerechtfertigte Gefangenschaft« erleiden. Damit folgen sie der Argumentation der internationalen Initiative »Great Ape Project«: Bestimmte menschliche Grundrechte sollten auch für die anderen Mitglieder der Familie der Menschenaffen - Great Apes: Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans - gelten, so das Recht auf Leben und der Schutz der individuellen Freiheit. Dass es schon beim Umgang mit diesen hoch entwickelten Tieren keinen Durchbruch gibt, zeigt, wie weit der Weg zu einer tiergerechten Gesellschaft ist. Es könnte helfen, wenn der Papst, ein Argentinier, für diese elenden Kreaturen auch ein paar Worte fände.

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Quelle:
Ingolf Bossenz, Dezember 2014
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 23.12.2014
URL: http://www.neues-deutschland.de/artikel/956396.gefangen-im-ressentiment.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2014