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BERICHT/070: Ein Altersheim für Kühe (tierrechte)


tierrechte 1.08 - Nr. 43, Februar 2008
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Hilfe für 'Milchkühe'
Ein Altersheim für Kühe

Von Marion Selig


Das Bewusstsein für die Problematik der sogenannten Milchkühe ist in der Gesellschaft noch nicht besonders groß. Im Sommer haben sie Auslauf auf der Weide, im Winter stehen sie im warmen Stall und schließlich ist Milch gesund - so die weit verbreitete Auffassung. Selbst Vegetarier verwenden Milch und Milchprodukte, denn schließlich werden die Kühe gemolken und nicht getötet, um die Milch zu erhalten. Doch wie weit die Ausbeutung der 'Milchkühe' wirklich geht und unter welchen Bedingungen die Milch erzeugt wird, ist Vielen nicht präsent. Seit Kurzem gibt es nun ein Altersheim für ausgediente 'Milchkühe'. Marion Selig vom Bundesverband war vor Ort.


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Ein kleines Dorf im Vogelsberg

Auf einem Fachwerkhof betreibt die angehende Tierärztin Natascha Hirschmann für die Tierschutzorganisation Animals' Angels das erste Kuhaltersheim - einen Gnadenhof für 'Milchkühe', deren 'Milchleistung' nicht mehr wirtschaftlich war oder die keine Kälber mehr bekommen haben und deshalb geschlachtet werden sollten.


Neue dauerhafte Bleibe

Es ist ein sonniger Nachmittag im Herbst. Die bislang acht Bewohnerinnen des Kuhaltersheims sind auf den außerhalb des Ortes gelegenen Weiden. Zusammen mit Natascha Hirschmann statte ich ihnen einen Besuch ab. Die Rinder leben in zwei Gruppen zu je vier Tieren auf großen, durch Bäume und Hecken strukturierten Weiden. Den Winter verbringen die Tiere auf dem Hof, wo sie Ställe mit Außenauslauf zur Verfügung haben. Zwei Kälber sind unter den acht Tieren - zwei der ausgedienten 'Milchkühe', die vor dem Schlachthof gerettet werden konnten und auf dem Anwesen eine neue Bleibe fanden, waren tragend. Ihre Kälber kamen im Kuhaltersheim zur Welt.

Die Tiere im Kuhaltersheim haben Glück gehabt - auf dem Hof von Frau Hirschmann können sie dauerhaft bis an ihr Lebensende weitgehend ihrer Art gemäß leben.


Das Leiden der 'Milchkühe'

Die allermeisten Kühe jedoch haben weitaus weniger Glück. Für ihre Haltung gibt es bislang keine bindenden gesetzlichen Vorgaben. Zwar werden sie - vor allem in der nördlichen Hälfte Deutschlands - in Boxenlaufställen gehalten, in denen sich die 'Milchkühe' einigermaßen bewegen können, und teilweise werden die Tiere zumindest im Sommerhalbjahr auf der Weide gehalten. Sehr oft müssen 'Milchkühe, aber in Anbindehaltung - mitunter ganzjährig - leben. Das bedeutet, sie stehen tagein, tagaus angebunden im Stall auf Betonboden, der noch nicht einmal mit Stroh eingestreut sein muss.

'Milchkühe' müssen jedes Jahr ein Kalb gebären. Nur dann produziert der Organismus auch entsprechend Milch. Die Kälber werden den Müttern in der Regel kurz nach der Geburt weggenommen und mit 'Milchaustauscher' ernährt; die Milch der Kuh landet in der Molkerei.

Die Haltung von 'Milchkühen' bringt umso mehr Geld, je mehr Milch die Kuh gibt. Die sogenannte Milchleistung hat sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts vervielfacht. Gab eine Kuh in den fünfziger Jahren im Durchschnitt etwa 700 Liter pro Jahr, so liegt der 'Spitzenwert' heute bei 14.000 Litern. Allein innerhalb des vergangenen Jahrzehnts steigerte sich die jährliche 'Milchleistung' um 1500 Liter pro Kuh.

Die Kehrseite dieser hohen Leistung, welche die Kuh bis an den Rand ihrer körpereigenen Leistungsfähigkeit und darüber hinaus bringt, sind oftmals erhöhte Krankheitsanfälligkeit und verminderte Fruchtbarkeit, d. h. die Kuh wird nicht mehr trächtig und gibt infolgedessen auch immer weniger Milch. Solchermaßen unwirtschaftliche Tiere werden von den Landwirten ausgemustert und landen im Schlachthof. Das führt dazu, dass Kühe oft schon nach der zweiten oder dritten Geburt - also im Alter von etwa vier oder fünf Jahren - geschlachtet werden. Sie könnten jedoch bis zu 25 Jahre alt werden.


Was ist notwendig?

Um das Leiden der 'Milchkühe' zu unterbinden sind gesetzliche Vorgaben zu ihrer Haltung notwendig. Die Anbindehaltung muss unbedingt verboten werden. Jedoch sollten Verbraucher auch über ihren Konsum von Milch und Milchprodukten nachdenken. Beides ist für eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung nicht notwendig.

Bis der Gesetzgeber jedoch aktiv wird, können Einrichtungen wie das Kuhaltersheim zumindest einigen Tiere ein besseres Leben bieten. So haben Natascha Hirschmann und Animals' Angels noch viel vor. Damit mehr Tiere Platz im Kuhaltersheim finden, wird ein weiterer Hof in Ortsrandlage mit direktem Zugang zum Weideland gesucht. Umbauarbeiten und die Anschaffung einiger Geräte und Maschinen sollen die bislang sehr aufwendige Arbeit, wie z. B. das Misten per Hand, erleichtern. Wer das Kuhaltersheim unterstützen und sich noch weiter informieren möchte, findet im Internet die nötigen Angaben: www.kuhaltersheim.de


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Bundesverband unterstützt Kuhaltersheim

Der Bundesverband sieht die Notwendigkeit, für 'Großtiere' wie Rinder oder Pferde Auffangmöglichkeiten zu schaffen, damit ausgemusterte, oder beschlagnahmte Tiere gut untergebracht werden können. Daher haben wir das Kuhaltersheim, in dem inzwischen 12 Tiere leben, mit einer größeren Spende unterstützt, die aus einer zweckgebundenen Erbschaft stammte.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 43, Februar 2008, S. 18-19
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2008