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BERICHT/080: Langwieriger Prozeß der Resozialisierung von Affen (JOGU Uni Mainz)


[JOGU] Nr. 207, Januar 2009
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Affentheater im Waisenhaus
Langwieriger Prozess der Resozialisierung

Von Rebecca Geyer und Elisa Nitzsche


Morgens, halb acht in Sambia, mitten im Busch: Die Arbeit hat vor einer Stunde begonnen. Es ist ein sonniger, aber sehr kalter Morgen in Chimfunshi, ein Waisenhaus für Schimpansen. Zwei Mainzer Biologiestudentinnen stehen als Volontäre auf der Ladefläche eines zwanzig Jahre alten Trucks, die Füße versinken in zermatschten Tomaten und Orangen. Die Aufgabe lautet: Obst und Gemüse sortieren, denn die Schimpansen, die in der Auffangstation des Chimfunshi Vereins zum Schutz bedrohter Umwelt e.V. in Sambia leben, warten schon auf ihr Frühstück.

Nur zweimal in der Woche fährt der Truck in die nächste Stadt namens Chingola, um Obst und Gemüse, das der örtliche Supermarkt spendet, abzuholen. Ansonsten ist die Auffangstation von der Außenwelt abgeschottet. Die meisten der Schimpansen in Chimfunshi wurden als Babys durch Wilderer zu Waisen und auf Märkten verkauft. Sie kamen dann in Zoos, Zirkussen oder privaten Haushalten. Viele von ihnen wurden misshandelt, mussten in Bars die Bierflaschen der Gäste öffnen oder Zigaretten verteilen und wurden schließlich selbst Alkohol- und Nikotinabhängig. Wurden die Schimpansen dann zu groß und somit unberechenbar, fanden die Besitzer keine Verwendung mehr für sie.

Die über lange Zeit gequälten und unter grauenvollen Umständen gehaltenen Menschenaffen finden in Chimfunshi ein neues und friedliches Zuhause. Eine Auswilderung kommt nicht in Frage, da die Menschenaffen sonst mit großer Wahrscheinlichkeit wieder in die Hände von Wilderern geraten würden. Die Geschichte Chimfunshis begann mit Sheila und David Siddle, die im Norden Sambias eine Rinderfarm betrieben. Eines Tages im Jahre 1968 wurde ein verwaistes Schimpansenjunges zu ihnen gebracht. Mittlerweile sind es 126 Schimpansen, das halbzahme Flusspferd Billy, einige Papageien und andere Tiere. So entwickelte sich die Farm zu einem weltweit bekannten Zufluchtsort. Dort mit anzupacken, den bedrohten Tieren zu helfen und zugleich wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Menschenaffen zu sammeln, ermöglichte den beiden Biologiestudentinnen ein Volontariat. Die Planung des Aufenthalts, der Reise und Unterkunft stellten dabei eine besondere Herausforderung dar, denn die Mitarbeit am Projekt lässt sich zwar als Exkursion im Hauptstudium anrechnen, wurde aber von den Biologinnen eigenständig organisiert.

Die erste Station für neu ankommende Menschenaffen stellt das Waisenhaus dar, eine gesonderte Station, in der die Tiere behutsam auf ihre neue Umgebung vorbereitet werden Die Tiere werden hier erst einmal an ihre Artgenossen gewöhnt bis sie schließlich in eine Gruppe integriert werden können. Damit beginnt der langwierige Prozess der Resozialisierung. Bildet sich eine Gruppe mit circa 15 Tieren heraus, können diese dann in das eigentliche "Projekt" umgesiedelt werden. Hier leben die Gruppen in fünf Hektar großen Freigehegen, in denen ein artgerechtes Leben ermöglicht wird. Einzig die Fütterung liegt in den Händen der Menschen. Eine weitere Aufgabe war die Hilfe bei dem Bau eines neuen Geheges. Das ist eine ganz besondere Aufgabe mitten im Busch Afrikas, wo der Strom ausschließlich aus Solarzellen oder Generatoren kommt.

Bei sogenannten Bushwalks haben Touristen und Volontäre die Möglichkeit mit jungen Schimpansen spazieren zu gehen. "Der intensive Körperkontakt mit den Tieren hat sich als unvergesslich schöne Erinnerung in unser Gedächtnis eingebrannt", fassen die beiden zusammen. Dennoch hat es einen traurigen Hintergrund, da das Projekt finanziell auf die Touristen angewiesen ist. Auch hier mitten im Nirgendwo geht eben nichts ohne das nötige Kleingeld.

Neben freiwilligen Helfern und Volontären aus der ganzen Welt kommen jährlich amerikanische Studenten, um das Verhalten der Affen zu untersuchen und zu erforschen.

Die ausgeprägte Individualität der Affen beeindruckt die Wissenschaftler dabei am meisten. Und angesichts der genetischen Übereinstimmung von 98,7 Prozent sollte die Ähnlichkeit zwischen Menschen und Schimpansen keine Verwunderung auslösen.

Eine weitere Kooperation besteht zwischen Chimfunshi und der Universität Oxford. In diesem Rahmen untersucht der Primatologe und Manager des Projekts Innocent Mulenga die Verwandtschaftsverhältnisse der vier Schimpansen-Unterarten. Anhand von Kotproben werden DNA-Sequenz-Analysen durchgeführt und zur Stammbaumerstellung verwendet.

Der unvergesslichen Zeit in Afrika trauern die beiden Biologiestudentinnen sehnsuchtsvoll nach: "Selbst jetzt, einige Monate nach unserer abenteuerlichen Reise, müssen wir täglich an die lieb gewonnenen Affen denken. Die Sehnsucht wird wohl nie versiegen."

Information: www.chimfunshi.com


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Quelle:
[JOGU] - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 207, Januar 2009, Seite 13
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: AnetteSpohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009