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BERICHT/090: Die teure Angst vor der Schweinegrippe (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03 / 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Die teure Angst vor der Schweinegrippe

Von Sievert Lorenzen


Die Schweinegrippe stammt vom Schwein, speziell dem amerikanischen, und nicht vom Menschen, so die US-Seuchenbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Das aktuell gefürchtete Schweinegrippe-Virus A-H1N1 ist also keine neu entstandene Mischung aus Humangrippe-, Vogelgrippe- und Schweinegrippe-Viren, wie gelegentlich vermutet wurde. Es kann vom Schwein auch auf den Menschen und dann von Mensch zu Mensch übertragen werden. Der Verlauf der Grippe ist zwar lästig bei Schwein und Mensch, aber fast immer milde.

Wenn das Virus nahezu zeitgleich im April 2009 in Mexiko und in den USA aus grippekranken Menschen isoliert wurde, die vorher nicht im jeweils anderen Land waren, so ist zu vermuten, dass das Virus in beiden Staaten aus den jeweiligen Schweineställen in die menschliche Bevölkerung gelangte. Diese Gleichzeitigkeit wäre kein Wunder, denn der Schweinegigant Smithfield Foods, zu dem auch Carroll gehört, unterhält riesige Schweine-Fabriken in USA und Mexiko und verschmutzt in beiden Ländern die Umwelt in unerträglicher Weise, wie eine Studie der US-amerikanischen Nonprofit Organisation Food & Water Watch vom Januar 2008 belegt.

Smithfield baut seine Schweinefabriken vor allem dort, wo viel Armut herrscht und der Widerstand gegen Umweltverschmutzung noch beherrschbar erscheint. Die Gülle kann höchstens teilweise auf die Felder ausgebracht werden. Der Überschuss wird in künstlichen Lagunen gelagert, die bis zu drei Hektar groß sind und zum Himmel stinken. Als Folge leidet die jeweils örtliche Bevölkerung unter Asthma, Allergien, Schwächung des Immunsystems und Depressionen, und dies nicht nur in La Gloria im mexikanischen Valle de Perote (siehe Ausgabe 2/2009 dieses Magazins), sondern auch in armen Gegenden von Polen, Rumänien und den USA. Auch die Anfälligkeit gegen Infektionskrankheiten wie Schweinegrippe wächst. Bei seinen Eroberungsfeldzügen scheint Smithfield keinen Wert anzuerkennen außer Profit.

Wer zahlt für die Schäden, die Smithfield und andere Agrargiganten auf ihren globalen Eroberungsfeldzügen anrichten? Wir alle, und wir werden es vermehrt tun, wenn die Giganten auch weiterhin staatliche Förderung erhalten, für die wir natürlich auch bezahlen. Wie hoch allein der gesundheitliche Schaden sein kann, den die Agrargiganten uns zumuten, hat die Weltbank im Oktober 2008 für das Vogelgrippe-Virus A-H5N1 ausgerechnet. Gesetzt den oft beschworenen Fall, dieses Virus würde eine weltweite Grippewelle in der Menschheit erzeugen mit bis zu 71 Millionen Toten, so würde ein finanzieller Schaden von 3.000 Milliarden Dollar entstehen. Das sind 3,1% des weltweiten jährlichen Bruttosozialprodukts. Für die Schweinegrippe wird ein ähnlich hoher Schaden beschworen. Für die Vogelgrippe ist er nicht eingetreten, für die Schweinegrippe wird er es sehr wahrscheinlich auch nicht. Aber allein die Vorsorgemaßnahmen gegen diese möglichen Schäden werden sich auf hunderte Milliarden Dollar belaufen - ein Reibach für den Tamiflu Hersteller Roche und den US-Patentinhaber von Tamiflu, Gilead Sciences, dessen Hauptaktionär der dubiose frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist.

Die Bundesrepublik Deutschland hat in diesem Jahr 50 Millionen Impfdosen gegen die Schweinegrippe bestellt. Sollten sie in Deutschland vollständig zur Impfung eingesetzt werden, würde ein Schaden von 1,5 Milliarden Euro entstehen. Er könnte noch höher werden, wenn gesunde Menschen wegen Schweinegrippe in ihrem Umfeld nicht zur Arbeit gehen dürfen oder wenn die Impfungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führen.

Empörender ist, dass die Brutstätten für die Viren, für deren Bekämpfung wir so viel Geld ausgeben, nach wie vor erhalten bleiben und durch Subventionen sogar gefördert werden. So darf eine verantwortliche Politik nicht aussehen! Stattdessen muss sie danach trachten, die üblen Missstände der industriellen Massentierhaltung endlich abzuschaffen.

Aus diesem Grunde gehört PROVIEH zu den Mitunterzeichnern einer Petition der Nichtregierungsorganisation AVAAZ, in der die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) aufgefordert werden, mögliche Gefahren der industriellen Schweinehaltungen zu untersuchen und einzudämmen. Am 27. Mai 2009 wurde die Petition mit 225.000 Unterschriften an die WHO-Zentrale in Genf übergeben. 225 Schweineschilder symbolisierten je 1.000 Unterschriften.

Wer an der Grippe erkrankt, braucht nicht in Panik zu verfallen und sollte folgende Dinge beachten, die für jede Grippewelle gelten: Das Virus wird durch den Kontakt zu Menschen übertragen, zum Beispiel in vollen Wartezimmern, im Bus oder Büro. Wer zuhause bleibt und sich kuriert, tut sich und seinen Mitmenschen damit etwas Gutes. Medikamente sollten nur nach Rücksprache mit dem Hausarzt eingenommen werden. Gerade Tamiflu kann zahlreiche unangenehme Nebenwirkungen haben. Und eine gute gesundheitliche Konstitution ist immer noch die beste Vorsorge gegen jede ansteckende Krankheit.


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03/2009, Seite 28-29
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2009