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BERICHT/094: "Bio" oder "faules Ei"? (PROVIEH)


PROVIEH Heft 4 - Dezember 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

"Bio" oder "faules Ei"?
Vertrauen ist gut. Warum Kontrolle besser ist.

Von Stefan Johnigk


Reinhard S. ist Mitglied von PROVIEH und ein aufmerksamer Mensch. In seiner Nachbarschaft steht ein Legehennenbetrieb, dessen Hühner in Bodenhaltung, aber auch in den neuen, qualvoll engen Kleingruppenkäfigen gehalten werden. Freilaufflächen rund um die Ställe gibt es nicht. Deshalb war unser Mitglied verwundert, als ihm aus genau diesem Betrieb Packungen mit Bio-Eiern in die Hände fielen. Die EU-Biorichtlinie schreibt für Legehennen einen Auslauf ins Freie vor. Waren hier etwa Eier einfach umgestempelt worden, um von der wachsenden Wertschätzung der Verbraucher für artgerechtere Hühnerhaltung zu profitieren? Herr S. wandte sich mit der Bitte um Rat an PROVIEH und wir wurden tätig.

Alle Betriebe, die Produkte mit dem EU-Biosiegel herstellen, werden regelmäßig überwacht. Folgerichtig war auf der Verpackung der fragwürdigen "Bio-Eier" auch die Nummer der zuständigen Öko-Kontrollstelle zu finden. Eine kurze Recherche im Internet lieferte die Kontaktdaten und wir riefen an. Die zuständige Ansprechpartnerin war sehr kooperativ. Sie kannte den Betrieb schon und erläuterte, dass dieser Eier aus Biohaltung von einem anderen Hof zukaufe, um sie unter eigener Marke zu vertreiben. Hellhörig geworden, wiesen wir auf die Möglichkeit hin, dass man mit entsprechender krimineller Energie eigene Eier aus Käfighaltung unter dem Bio-Deckmäntelchen versilbern könnte. Das Problem war auch der Kontrollstelle bewusst. Dementsprechend genau achtet sie auf den "Warenstrom", also die Menge der zugekauften und der weiterverkauften Bio-Eier des kontrollierten Betriebes. Werden mehr Bio-Eier unter Eigenmarke weiter verkauft, als nach vorliegenden Daten der Kontrollstelle bei Bio-Legehennenhaltern eingekauft wurden, muss etwas faul sein. Nach Auskunft der Kontrollstelle waren in diesem Fall aber keine Unregelmäßigkeiten zu finden.

Wir wollten sicher gehen. Eier aus Käfighaltung unterscheiden sich von Bio-Eiern. Sollte ein Hof Eier aus Käfighaltung falsch ausgezeichnet als "Bio-Eier" in den Handel bringen, müsste das bei genauerem Hinsehen an den Eiern erkennbar sein. PROVIEH-Mitglied Reinhard S. schickte unserem Fachteam eine Stichprobe mit Eiern der Bio-Eigenmarke des fraglichen konventionellen Betriebes. Auf den Eiern war, wie verordnet, ein Stempel mit dem Code des Erzeugers zu finden. Der Code sagte aus, dass die Eier aus Biohaltung und von einem deutschen Legehennenbetrieb stammen. Wie Tierschützern bekannt ist, steht die Ziffer "0" am Anfang des Codes für Eier aus Biohaltung. Dahinter folgt ein Buchstabenkürzel für das Erzeugerland, in diesem Fall die Buchstaben "DE" für Deutschland. Die Zeichenfolge hinter dem Ländercode steht für einen ganz speziellen Erzeugerbetrieb. Diesen galt es nun für uns ausfindig zu machen.


Eierdatenbank im Internet

Einige Eierkontrollstellen machen es den Kunden leicht, die Herkunft von Eiern zu prüfen. So kann man zum Beispiel auf der Webseite des "Vereins für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V." (KAT) mit Hilfe der Legebetriebnummer aus dem Eiercode den Erzeugerbetrieb herausfinden. In dieser Datenbank [1] sind alle durch KAT und die "Gütegemeinschaft Eier" kontrollierten Eierlieferanten aus europäischen Ländern erfasst.

In unserem Fall stellte sich allerdings heraus, dass der Bio-Betrieb, von dem die Eier an den Wiederverkäufer geliefert wurden, nicht von KAT kontrolliert wird. Es galt also, weiter nach der zugehörigen Öko-Kontrollstelle zu suchen. Eine Internet-Recherche [2] und mehrere Telefonate führten uns schließlich zur Firma Ecocert in Northeim. Auf freundliche Nachfrage teilte man uns die Adresse des Biohofes mit, zu dem die Legebetriebnummer auf den Bio-Eiern gehört.

Woran lässt sich aber nun herausfinden, ob die Eier tatsächlich von dem betreffenden Biohof stammen? Anhand der Schalenfärbung, an Spuren auf der Oberfläche, an Druckbild und Farbe des Stempels und anhand der Dotterfärbung kann man auch ohne aufwendige Laboruntersuchungen viel über die Herkunft von Eiern erfahren. Wir schauten genauer hin.

In der Stichprobe, die wir von Herrn S. erhalten hatten, befanden sich braune und weiße Eier der Gewichtsklasse M. Ein Huhn legt seiner Rasse gemäß entweder nur braune oder nur weiße Eier. Also musste der Herkunftsbetrieb unserer Eier mindestens zwei verschiedene Legehennenrassen halten. Bei vielen Bio-Betrieben ist das der Fall. In industriellen Betrieben werden oft nur Legehennen einer Rasse eingesetzt. Im Normalfall besonders auf Hochleistung getrimmte und auf die Käfighaltungsbedingungen selektierte Legehybride. Der Bio-Betrieb, von dem unsere Eier stammen sollten, setzt tatsächlich "Braunleger" und "Weißleger" ein.


UV-Test auf Käfigspuren

Eier haben auf ihrer Schale eine hauchdünne Schutzschicht. Darin entstehen feine Abrollspuren, wenn ein Ei über ein Drahtgeflecht rollt, beispielsweise in einem Hennenkäfig. Mit Hilfe einer UV-Lampe kann man diese Spuren sichtbar machen. Manche kleineren Bio-Legehennenbetriebe sammeln ihre Eier noch von Hand aus den Legenestern. Bei solchen Eiern kann man keine Abrollspuren finden, bei Käfigeiern dagegen schon. Allerdings haben auch größere Bio-Betriebe oft schon automatische Transportsysteme, auf denen die Eier aus den Legenestern im Stall zur Größensortierung und zum Kennzeichnungsdrucker im Verpackungsraum befördert werden. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass Abrollspuren auf der Schale zurück bleiben. In unserem Fall handelte es sich um solch einen großen Bio-Betrieb. Der UV-Test kam daher für uns als Unterscheidungshilfe nicht in Frage.

Druckbild und Farbe des Stempels für den Eier-Code sind gute Unterscheidungsmerkmale. Manche Betriebe verwenden blaue Druckfarbe, manche lieber grün oder rot. Einige drucken nur den erforderlichen Code auf das Ei. Andere wiederum setzen noch einen Markennamen, ein Logo oder das Wort "Bio" hinzu.

In unserem Fall stimmten Druckbild, Farbe und Zusatz auf den Eiern mit dem Stempel des Bio-Herkunftsbetriebes überein. Er liefert bereits gestempelte lose Eier in zwei verschiedenen Größenklassen an den konventionellen Wiederverkäufer, der diese dann in den Verpackungen seiner Eigenmarke verkauft. Wollte jemand mit betrügerischer Absicht den Eier-Code eines Bio-Erzeugers fälschen und auf Eier konventioneller Herkunft drucken, müsste er schon erheblichen technischen Aufwand betreiben. Davon war in unserem Fall nicht auszugehen.


Ei-Gelb oder Ei-Rot?

Einen weiteren Unterschied zwischen industriellen Qualeiern und Bio-Eiern kann man erkennen, wenn man das Dotter näher untersucht. Die EU-Ökoverordnung untersagt den Zusatz von Farbstoffen zum Hühnerfutter. Im konventionellen Futter werden billige Farbstoffe eingesetzt, wie sie zum Beispiel auch in Orangenlimonaden verwendet werden. Die Eier erhalten dadurch eine auffallend intensive Dotterfärbung, die von Orange bis ins Rötliche gehen kann. Dagegen erscheinen Bio-Dotter in der Regel in natürlichem Ei-Gelb. Auch in unserem Fall waren die Dotter gelb, und nicht orange, wie eine Vergleichsprobe aus konventioneller Haltung aufwies.

Reinhard S. kann beruhigt sein, keinen Eierbetrug in der Nachbarschaft aufgedeckt zu haben. Aber seine Wachsamkeit ist vorbildlich, denn uns gegenüber geben selbst Insider aus der Eierindustrie mittlerweile offen zu, viel zu lange mit der Umstellung auf alternative Eier-Erzeugung gewartet zu haben. Unser anhaltender Kampagnendruck wirkt. Der Lebensmitteleinzelhandel würde gerne so schnell wie möglich ganz auf Eier aus Boden-Freiland- oder Ökohaltung umsteigen, erhält zurzeit aber nur Quoten der bestellten Eier. Damit diese Situation nicht von einzelnen Erzeugern mit krimineller Energie ausgenutzt wird, braucht es die wirksame Kontrolle der Zertifizierungsstellen und verantwortungsbewusster Mitmenschen wie Herrn S., dessen Beispiel wir ausdrücklich zur Nachahmung empfehlen.

Käfig-Ei bleibt Quälerei. Damit unser Fachteam aber nicht auf Monate hinaus von Rührei leben muss, bitten wir alle wachsamen Hennenschützer und Tierfreundinnen herzlich, zunächst die oben geschilderten Untersuchungen selbst vorzunehmen und PROVIEH erst dann einzuschalten, wenn sich ein konkreter Betrugsverdacht erhärtet hat. Vielen Dank!


[1] https://www.qualitrail.de/wsade/index.jsf
[2] http://www.oekolandbau.de/service/adressen/oeko-kontrollstellen


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Quelle:
PROVIEH Heft 4, Dezember, 2009, Seite 36-39
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2010