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BERICHT/101: Falknerei zwischen Kulturerbe, Stierkampf und Gefängnis (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2011

Falknerei zwischen Kulturerbe, Stierkampf und Gefängnis

Von Dr. Einhard Bezzel


Zwei Ereignisse, die fast auf den Tag zusammenfallen, aber gegensätzlicher kaum sein könnten, haben auch außerhalb der elitären Ordenszirkel der Falkner in letzter Zeit von sich reden gemacht. Das eine betrifft ein Stück auf internationaler Bühne: Am 16.11.2010 hat die UNESCO die Falknerei in die "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit" aufgenommen. Das andere einen Tag zuvor scheint dagegen mehr aus dem Repertoire eines regionalen Theaters zu stammen: Über zwei Jahre Haftstrafe für Klaus S., Falkner und Inhaber eines Zoogeschäftes in Pirmasens. Zwei Ereignisse, die nicht miteinander vergleichbar sind und auch nicht kritiklos gegeneinander ausgespielt werden sollten, aber eben doch zwei Seiten einer Medaille beleuchten, die keineswegs so stark glänzt, wie Leute mit Lederhandschuh und dekorativem Hütchen in waidgerechter Sprache glauben machen wollen.


Falknerei als Kulturerbe - was steckt dahinter?

Definitionsgemäß gilt als "immaterielles Kulturerbe" ein Kulturgut, das nicht stofflicher Natur und damit nicht greifbar ist. Es steht damit im Gegensatz zu Bauten, Naturdenkmälern oder beweglichen Gegenständen und ist nicht mit Weltkulturerbe, Weltnaturerbe oder Weltdokumentenerbe zu verwechseln. Im Sinne des Übereinkommens sind unter immateriellem Kulturerbe alle Praktiken, Darbietungen, Ausdrucksformen, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die damit verbundenen Instrumente, Objekte, Artefakte und Kulturräume zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Individuen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.

Falknerei also Bestandteil des Heimatmuseums? Dagegen ist sicher nichts einzuwenden, wenn sie denn Kulturerbe der Region ist. Aber das muss offensichtlich gar nicht objektiv festgestellt werden, es genügt ja, wenn Gruppen und gegebenenfalls Individuen sie als Kulturerbe sehen. Und deutsche Falkner bemühen sich seit Jahren, einer breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung der Falknerei nahezubringen und den vereinigten Antifalknereiideologien entgegen zu treten, um es mit den Worten der auf Falconaria-Produkte ausgerichteten "Beizjagd.de" auszudrücken. Natürlich kann sich die Falknerei auf das epochale Werk "De arte venandi cum avibus" des letzten Staufenkaisers berufen. Aber die deutschen Falkner haben das Problem, ihr Kulturerbe konkret nur auf die Wiedereinführung der Falknerei durch den Kunstmaler Renz Waller in den 1920er Jahren zurückführen zu können, die dann als Deutscher Falkenorden in nachfolgenden schlimmen Zeiten ideologisch vereinnahmt wurde. Das wiederum darf kein Anlass sein, sie heute zu verdammen. Aber zum immateriellen Kulturerbe schreibt Beizjagd.de: "Dieses Fenster der Gelegenheiten gilt es zu nutzen, um in der breiten Öffentlichkeit das Bewußtsein für die kulturelle Bedeutung der Falknerei zu fördern. Denn, dass die Falknerei auch ein Teil der kulturellen Identität Deutschlands ist, steht außer Frage!" Bei solch arrogantem, pauschalem Identitätsanspruch erlaube ich mir schon, bescheiden einige Fragen anzubringen. Na ja, im Hickhack zum Stierkampf in Spanien hört man ja ähnliche Töne - es scheint wohl in der Zeit zu liegen.

Übrigens: Die deutsche Bundesregierung hat bis jetzt eine Ratifizierung der Konvention zum immateriellen Kulturerbe aus grundsätzlichen Überlegungen abgelehnt. Es könnte also noch etwas dauern, bis Falkner ihr zugegeben kunstvolles Schaffen als Kulturerbe ganz offiziell dekorieren können. Aber auch wenn diese politische Hürde genommen wäre, bleibt immaterielles Kulturerbe jeweils auf die Region beschränkt, für die das Prädikat beantragt wird und die Kriterien der Liste gelten. Wenn die Corrida für Spanien tatsächlich als Kulturerbe aufgewertet werden sollte, bleibt für Deutschland nur die Option Falknerei, wenn sie ihren Beitrag zur kulturellen Identität des Landes überzeugend dartun kann.


Die Dimensionen eines Geschäftes

Die Sache mit der Falknerei in Deutschland betrifft aber eher Peanuts. Der Antrag auf Anerkennung als immaterielles Kulturerbe wurde am 20.8.2009 von Belgien, Frankreich, Katar, Marokko, der Mongolei, Saudi-Arabien, der Slowakei, Spanien, Südkorea, Syrien, der Tschechischen Republik und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet und der UNESCO übergeben, ausgerechnet in Abu Dhabi. Dort steht das Abu Dhabi Falcon Hospital, in dem nach eigenen Angaben jährlich 3200 Falken versorgt werden. Alles legal und nach CITES-Bestimmungen, wird versichert. Auch wenn daran keine Zweifel bestehen sollten, fragt sich doch, wer da im Geschäft ist, in dem wohl Hunderttausende von Dollars umgesetzt werden, möglicherweise sogar Millionen. Die Initiative arabischer Größen, von denen sich eine mit Präsident George Bush jr. und einem Gerfalken in Beizjagd.de ablichten ließ, ist verständlich.

Mögen die Geschäfte auch legal sein. Wie viele Gerfalken gehen in der Wüstenhitze jämmerlich zugrunde? "Highly prized in falconry, with unknown numbers taken annually", heißt es lakonisch im Handbuch der Vögel der Welt zu diesem nordischen Falken. Vor Jahren klagten mongolische Kollegen über zunehmende Plünderungen von Nestern der Würgfalken in ihrem Land und Verkauf der Vögel in die Länder Arabiens. Jetzt hat man schon Nistkästen ausgebracht, damit man leichter an Eier und Junge kann. Auch aus Bulgarien werden Nestplünderungen für den Tierhandel gemeldet (FALKE 2010, H. 12). Im Welthandbuch der Vögel lesen wir beim Würgfalken in Übersetzung: "Sehr gesucht von Falknern, besonders in Arabien. Der daraus resultierende exzessive Handel kann durch Fang von Vögeln, vor allem Weibchen, und Diebstahl von Jungen die Bestände gefährden." Mongolen und Araber waren einträchtig beisammen als Initiatoren des Antrags.

Allerdings muss man die Kirche im Dorf und die Moschee in der Oase lassen: Unbestritten ist die Falkenjagd ein arabisches Erbe, das der große Kenner der arabischen Welt Kaiser Friedrich II. in Mitteleuropa bekannt machte. Und noch heute beherrschen Mongolen und Kasachen die Kunst, mit Adlern, vor allem mit Steppenadlern, zu jagen. Vielleicht könnte das Prädikat "immaterielles Kulturerbe" dazu beitragen, Traditionen zu legalisieren und sie besser als bisher aus dem Schatten illegaler Machenschaften herauszuholen. Eine bessere Kontrolle des Greifvogelhandels in aller Welt ist nötig und wurde teilweise auch schon erreicht. Alle Länder, denen die Anerkennung ausgesprochen wurde, verpflichten sich vertragsgemäß zum Schutz, zum Erhalt und zur Förderung der Falknerei beizutragen. Es sind sogar staatliche Fördergelder zur Ausrichtung von großen Falknertagungen oder anderen falknerisch-kulturellen Tätigkeiten, wie Ausstellungen oder Dokumentationen, denkbar. Klingt durchaus nicht schlecht, nur vermisse ich bei den vertraglichen Verpflichtungen an geeigneter Stelle das Wort Falken oder Greifvögel.


Vor der eigenen Türe kehren

Falkner und Tierhändler S. hat in den Jahren 2001 bis 2007 große Mengen streng geschützter Adler, Habichte, Falken und Eulen illegal nach Deutschland eingeführt und anschließend über ein Unternehmen namens "Vogelparadies" international verkauft. Mit Bescheid vom 13. November 2008 musste der Leiter des städtischen Ordnungsamtes Primasens insgesamt 157 Bescheinigungen zurücknehmen, die seine Mitarbeiter in den letzten Jahren für 2 Bartgeier, 26 Schmutzgeier, 6 Gänsegeier, 8 Mönchsgeier, 4 Schreiadler, 3 Zwergadler, 9 Steinadler, 13 Habichtsadler, 2 Mäusebussarde, 4 Adlerbussarde, 4 Wespenbussarde, 8 Habichte, 3 Rohrweihen, 4 Rotmilane, 4 Wanderfalken, 8 Rötelfalken, 15 Baumfalken, 15 Rotfußfalken, 16 Uhus, 1 Waldkauz und 1 Schneeeule ausgestellt hatten. Eine schreckliche Bilanz. Das Amtsgericht Pirmasens hat den Händler am 15.11.2010 wegen illegalen Geschäften mit geschützten Greifvögeln sowie wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten sowie zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann in 21 Fällen gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen und bei der zuständigen Naturschutzbehörde in 144 Fällen Bescheinigungen für illegal erworbene Adler, Geier und andere Greifvögel erschlichen hatte. Der für die Erteilung der falschen Dokumente zuständige Beamte der Stadtverwaltung Pirmasens wurde wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt. So die Meldung des Komitees gegen den Vogelmord, auch nachzulesen im Internet.

Erfreulich, dass hart durchgegriffen wurde. In ihren Auswirkungen ist die Angelegenheit aber sicher nicht erledigt, denn es muss ja auch Abnehmer für die Greifvögel geben, die das Geschäft lohnend werden lassen. Das sind nicht jene Falkner, die sich elitär in Orden absondern und dann und wann einem staunenden Publikum oder der Fernsehkamera ihre Kunst vorführen. Wie steht es aber mit kommerziellen Greifvogelschauen und "Falkenhöfen", die sich immer noch gewisser Beliebtheit erfreuen und teilweise auch gute Informations- und Aufklärungsarbeit leisten? Ihre Zahl ist - wohl eher aus rein kommerziellen Gründen - in den vergangenen zehn Jahren deutlich kleiner geworden. Kontrollen greifen besser, Gesetze lassen weniger Schlupflöcher.

Für die Zukunft der Falkner bei uns und anderswo ist entscheidend, sich von Auswüchsen und Missbräuchen nicht nur zu distanzieren, sondern auch bei ihrer Bekämpfung mitzuwirken. Die Zucht von Großfalken in Gefangenschaft ist eine große Leistung. Mit Recht distanziert sich der Deutsche Falkenorden vom Herumzüchten an Falkenhybriden zu Bedarfszwecken des Tierhandels. Das reicht aber nicht. Wenn bei einer Stichprobe am ungarischen Westrand der Würgfalkenpopulation 21 % der Individuen genetische Bestandteile aufweisen, die auf Beizvogelhybride zurückgehen, muss man schleunigst wirkungsvoll gegen gewissenlose oder auch nur unüberlegte, egoistische Falknerpraktiken vorgehen. Die Behauptung der Falkner, der Wanderfalke als frei lebende Art sei durch "ausgewilderte" Zuchtvögel von ihnen gerettet worden, stimmt so nicht. Falknerischer Einsatz und falknerisches Können haben ihren Anteil daran; nackte Zahlen von frei gelassenen Vögeln können ihn jedoch nicht adäquat beschreiben.

Markige Sprüche wecken Misstrauen. Ebenso wenig darf man sich aber an den schwarzen Schafen, die mit sehr hoher statistischer Wahrscheinlichkeit überall zu finden sind, festbeißen. Kritisch nachdenken sollte man jedoch schon und unzeitgemäße Praktiken abschaffen, auch wenn es sich hierzulande um Ordensbrüder handelt.


Dr. Einhard Bezzel hat wissenschaftliche und pädagogische Examina in Biologie, Geographie, Chemie und Sozialwissenschaften für das Lehramt an Gymnasien abgelegt und wurde in Zoologie promoviert. Seit 62 Jahren beobachtet er Vögel.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2011
58. Jahrgang, Januar 2011, S. 27-29
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011