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BERICHT/108: Waschbären - Plagegeister oder friedliche Zeitgenossen? (TIER-ABC)


TIER-ABC - Ausgabe Nr. 1/2011
Nachrichten über Natur, Mensch und Tier

Waschbären: Plagegeister oder friedliche Zeitgenossen?

von Knut Kade


Im Jahr 1934 hat man am Edersee in der Nähe von Kassel zwei Waschbärenpaare ausgesetzt. Heute leben schätzungsweise eine Million Exemplare der ursprünglich in Nordamerika beheimateten Tiere in Deutschland.


Nordhessen und Niedersachsen sind ihr "Eldorado", Kassel ist die europäische Waschbären-Hauptstadt. Diese possierlich wirkenden Tiere verursachen aber gerade in den Städten so manche Pein. Waschbären gelten als Opportunisten, deshalb haben sie kein Problem, sich den jeweiligen Lebensumständen anzupassen. Ob im Kaminschacht, Dachboden, Holzschuppen oder Gartenhäuschen, überall finden sie Unterschlupf. Solange sie sich von Wohnhäusern fernhalten, sind kaum Schäden zu befürchten. Haben sie diese aber "erobert," kann es durchaus für den Hausbesitzer teuer werden. Exkremente und der nicht gerade zimperliche Umgang mit dem Haus selbst hinterlassen mitunter ein "Chaos". Manche Bewohner sind daran schon verzweifelt, genervt haben sie ihr Domizil aufgegeben.

Was sind die Ursachen dieser "Massenvermehrung"? Waschbären haben hierzulande keine natürlichen Feinde, zweifelsohne trägt es zur Ausbreitung sowie erhöhten Populationen bei. Höchstens unerfahrene Jungtiere fallen gelegentlich dem Uhu zum Opfer. Aber wie so oft ist falsch verstandene Tierliebe des Menschen eine der Hauptursachen derartiger "Invasionen". Gefüttert im Garten, auf der Terrasse oder anderswo kann man sehr bald eine Waschbärenfamilie sein eigen nennen. Solch unbedachte Handlungen bringen zwangsläufig Probleme, die irgendwann nicht mehr beherrschbar sind. Ähnliches kennen wir von der Fütterung von Tauben. Wissenschaftliche Studien belegen, das regelmäßiges Verabreichen von Futter die Fortpflanzung begünstigt. Außerdem werden die Tiere davon abhängig und somit träge, sich auf natürliche Art Nahrung zu suchen. Logisch, dass sich die unhaltbaren Zustände nicht ändern, solange unbelehrbare Zeitgenossen den Waschbären "Speisen auf dem silbernen Tablett servieren".

Weit ab von den Städten, in den Wäldern, dem eigentlichen Lebensraum des Waschbären, sind die Probleme weniger dramatisch. Häuser werden hier schon mal nicht in Mitleidenschaft gezogen, zudem bleibt jegliche "Belästigung" zwischen Zwei- und Vierbeiner aus. Im natürlichen Umfeld entwickeln die dämmerungs- und nachtaktiven Waschbären ganz andere (Über-)Lebensstrategien als im städtischen Bereich. Hier meiden sie eher den Menschen, als dass sie sich ihm anschließen. Futter gibt es nicht frei Haus, ein wesentlicher Faktor, der sich auf die Vermehrungsraten auswirkt. Wie bereits erwähnt, produzieren zugefütterte Waschbären mehr Nachwuchs als solche, die sich ihre Nahrung (Allesfresser, ein Großteil pflanzlich) selbst suchen müssen. Eine ähnlich strittige Situation ergibt sich bei der Bewertung der angeblichen "Schädlichkeit" dieser Spezies.

Die Befürchtungen, Waschbären könnten die Bodenbrüter- und Niederwildbestände erheblich dezimieren, haben sich trotz anderslautender Behauptungen nicht bestätigt.


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Quelle:
TIER-ABC, Nr. 1/2011, S. 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2012