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FRAGEN/005: Zwangsbejagung beenden - aber wie? (tierrechte)


tierrechte 1.14 - Nr. 66, März 2014
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Zwangsbejagung beenden - aber wie?

Die Fragen stellte Christina Ledermann



Nach 10 Jahren Rechtsstreit gelang dem Juristen Günter Herrmann im Juni 2012 ein Durchbruch beim Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR): Das Gericht entschied, dass die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft u.a. gegen die Menschenrechte verstößt. Am 6. Dezember 2013 trat daraufhin in Deutschland das 'Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften' in Kraft. Danach können Grundeigentümer nun einen Antrag stellen, um die Jagd auf ihrem Grundstück zu beenden. Der Gesetzgeber hat jedoch Hürden eingebaut, die den Austritt aus der Jagdgenossenschaft erschweren. tierrechte hat Günter Herrmann befragt, was Grundstückseigentümer beachten sollten.


Tierrechte: Herr Herrmann, Ihr unnachgiebiger Gang durch alle Instanzen hat zu einem großartigen Erfolg geführt. Wie ist der aktuelle Stand: Darf auf Ihrem Grundstück noch gejagt werden?

Günther Herrmann: Nachdem der EGMR in seinem Urteil vom 22.06.2012 unmissverständlich festgestellt hat, dass die Zwangsbejagung auf meinen Grundstücken wegen meiner ethischen Einstellung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt, ist mein Grundeigentum als Streitgegenstand des Verfahrens vor dem EGMR mit Urteilsverkündung per se aus der Zwangsbejagung herausgefallen. Um die hierdurch eingetretene Befriedung in Frage zu stellen, hat nun die zuständige Flurbereinigungsbehörde ein Flurbereinigungsverfahren mit dem Ziel in Gang gesetzt, meine Grundstücke in andere Flurstücke umzuwandeln. Das bedeutet, dass in der betroffenen Gemeinde eine Auflösung der bisherigen Grundstücksgrenzen aller im Bereinigungsgebiet befindlichen Flurstücke erfolgt und den Eigentümern später jeweils von der Behörde am Zeichentisch neu 'gebildete' Grundstücke in anderer Lage und mit geänderten Grenzverläufen zugeteilt werden, wobei meist noch ein Flächenabzug erfolgt. Dagegen werde ich mich aber wehren, zumal das Flurbereinigungsverfahren völlig problemlos durchgeführt werden kann, ohne dass die derzeitige Lage meiner Grundstücke verändert werden muss. Das habe ich der zuständigen Behörde bei der Erörterung des sog. 'Umlegungsplanes' anschaulich nachgewiesen.


Tierrechte: Wenn ein Eigentümer aus der Jagdgenossenschaft austreten möchte, was ist zunächst zu tun?

Günther Herrmann: Grundstückseigentümer, die ihr Eigentum aus der Zwangsbejagung herauslösen wollen, sollten zunächst einen Antrag nach Paragraph 6a Bundesjagdgesetz (BJagdG) bei der 'zuständigen Behörde' stellen. Diese Behörde kann von Bundesland zu Bundesland verschieden sein. In der Regel dürfte es sich dabei um die 'Untere Jagdbehörde' handeln, die auf der Landkreis-Ebene angesiedelt ist. Zur Vermeidung von Fehlern bei der Antragsstellung sollte ein Anwalt hinzugezogen werden, weil Paragraph 6a BJagdG vom Gesetzgeber bewusst mit 'Fallstricken' ausgestattet worden ist. Die zahlreichen Voraussetzungen, unter denen eine Befriedung von Jagdflächen erfolgen muss, können von vielen Jagdgegnern ohne juristische Begleitung schwerlich nachgewiesen werden. Paragraph 6a BJagdG ist auf Druck der 'Jagdlobby' im Wesentlichen als ein theoretisches Recht ausgestaltet worden. Dagegen fordert der EGMR eine effektive und wirkungsvolle Rechtsgrundlage, mit der die Menschenrechte der Jagdgegner effektiv durchgesetzt werden können.


Tierrechte: Das neue Gesetz sieht u. a. vor, dass grundsätzlich solange mit der jagdrechtlichen Befriedung des Grundstückes abgewartet wird, bis der Jagdpachtvertrag abgelaufen ist. Dies kann aber Jahre dauern. Was kann ein Austrittswilliger unternehmen, um die Zwangsbejagung möglichst schnell zu beenden?

Günther Herrmann: Es ist nicht hinnehmbar, dass Grundeigentümer auf die Einhaltung ihrer Menschenrechte noch viele Jahre warten und entgegen ihrer ethischen Grundüberzeugung die Jagd auf ihren Grundflächen dulden müssen. Diese zeitliche Regelung widerspricht eindeutig dem EGMR-Urteil vom 26.06.2012, auch wenn es sich bei Paragraph 6a Abs. 2 BJagdG teilweise um eine Soll-Vorschrift handelt, die der Behörde einen Ermessensspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts der Befriedung einräumt. Unter Hinweis auf das EGMR-Urteil sollten Grundeigentümer eine sofortige Befriedung beantragen. Falls die Behörde sich dem widersetzt, kann der Jagdgegner notfalls mit gerichtlicher Hilfe versuchen, über den Weg des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorzeitige Befriedung zu erreichen. Gleichfalls sollte er erwägen, ein Jagdverbot auf Basis des Zivilrechts durchzusetzen.


Tierrechte: Mit welchen Kosten muss ein Eigentümer für das Verfahren rechnen? Gibt es Hilfe für diejenigen, die die Kosten nicht aufbringen können?

Günther Herrmann: Da jeder Fall anders gelagert ist, können die anfallenden Kosten nicht allgemein vorhergesagt werden. Für den Gerichtsweg steht das Prozesskostenhilfeverfahren offen, über das die jeweiligen Gerichte oder Anwälte beraten. Die Kosten für den Befriedungsantrag sollten unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt werden. Es kann nicht sein, dass ein Jagdgegner seine Menschenrechte dem Staat 'abkaufen muss'.


Tierrechte: Etliche Medienberichte kratzen derzeit am Image der Jagd; z. B. attestierte die im ZDF ausgestrahlte Sendung planet e mit dem Titel 'Jäger in der Falle' den Jägern nicht nur die Lust am Töten als Hauptintention, sondern warf ihnen sogar vor, dem Ökosystem Wald zu schaden. Wird die Jagd in der Öffentlichkeit mittlerweile kritischer wahrgenommen?

Günther Herrmann: Diese Frage kann ich mit einem uneingeschränkten JA beantworten. Durch die mediale Berichterstattung habe ich eine überwältigende Zustimmung von bisher unbekannten Personen sowie aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis erfahren. Leute, die die Jagd bisher nicht gestört hatte, empfinden sie mittlerweile als skandalös. Alle Grundstückseigentümer, die die Jagd aus ethischen Gründen nicht dulden wollen, sind deswegen aufgerufen, Anträge nach Paragraph 6a BJagdG zu stellen und diese Befriedung notfalls bis zum EGMR durchzusetzen. Das EGMR-Urteil hat für den Tierschutz in Feld, Wald und Flur eine Chance eröffnet, die jeder vernünftig denkende Mensch im Sinne der Tiere nutzen muss. Dies gilt umso mehr, als die Jagd nicht nur großes Leid in der Tierwelt verursacht, sondern nach wissenschaftlichen Studien auch das Ökosystem Wald ruiniert. Deshalb: Ende mit diesem Wahnsinn!


Tierrechte: Herr Herrmann, wir danken Ihnen für das Interview.


Eine ausführlichere Fassung dieses Interviews lesen Sie unter:
www.mag.tierrechte.de/83

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Quelle:
tierrechte 1.14 - Nr. 66/März 2014, S. 18-19
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2014