Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

GEFAHR/075: ... und noch immer tötet Bindegarn ... (KRITISCHE Ökologie)


KRITISCHE Ökologie - Zeitschrift für Umwelt und Entwicklung
Nr. 78 Ausgabe 27 [1] - Herbst 2012

... und noch immer tötet Bindegarn ...

von Axel Goldau



Während das Auslegen von Giftködern mit klarer Tötungsabsicht von Greif- und Rabenvögeln sowie anderer Lebewesen geschieht, denen ihr Existenzrecht abgesprochen wird, sterben noch immer vor allem Vögel in unserer Kulturlandschaft unbeabsichtigt qualvoll, weil Bindegarn aus Land- und Forstwirtschaft achtlos zurückgelassen bleibt. Nachdem wir während einer Horstkontrolle und Beringung südlich von Berlin einen Baumfalken (Falco subbuteo) aufgefunden hatten, der an sein Küken gefesselt in der Nähe seines Horstbaumes abgestürzt und zusammen mit dem Küken qualvoll verendet war (Abb.), hat die Kritische Ökologie zusammen mit der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg »die Bindegarnproblematik« wieder aufgegriffen (s. GOLDAU 2010).

Foto: © Kritische Ökologie / ag

Abb.: Dieser erwachsene Baumfalke wurde im Horst mit Bindegarn an sein etwa 10-14 Tage altes Küken gefesselt. Dann ist er zusammen mit dem Küken in Horstnähe abgestürzt, und beide sind elendig verendet.
Foto: © Kritische Ökologie / ag

Die Problematik wurde erneut dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) vorgetragen, der sich bereits im Oktober 2002(!) stark dafür gemacht hatte, Verpackungen und Maschinenanleitungen mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen. Immerhin kam es unter der Federführung des Deutschen Bauernverbands (DBV) zu mehreren Treffen der einschlägigen Verbände und im Mai 2011 zu einer gemeinsamen Informationsschrift, worin »...der Deutsche Bauernverband (DBV), der VDMA Landtechnik und die Bundesverbände der Lohnunternehmen (BLU) und Maschinenringe (BMR) sowie der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) alle Landwirte, die Bindegarne, Netze oder Folien verwenden, [dazu aufrufen], diese Materialien sachgerecht und vollständig zu entsorgen« (s. DBV u. a. Mai 2011).

Trotz dieser äußerst zu begrüßenden Initiative, ist die Liste von Bindegarn-Opfern immer länger geworden (s. Tab. und Graphik): Von August 2010, worin bereits »unsere Baumfalken« mit erfasst sind, auf August 2012 sind 58 weitere Opfer bekannt geworden, und die Liste der betroffenen Arten hat sich um Uhu, Kleiber und Star auf 46 Arten erhöht. So würden bei Entsorgungsbetrieben jetzt wohl häufiger auch gebrauchte Bindegarne eingeliefert werden, entsprechende Warnhinweise auf den Verpackungen oder Betriebsanleitungen gibt es auch 2012 noch immer nicht, wie ein Mitarbeiter eines Entsorgungsbetriebs versichert.

Ähnlich wie bei den Vergiftungen ist auch bei der Bindegarn-Problematik die Konzentration in einem Bundesland (hier: Brandenburg) auffällig: Dies liegt zum Einen daran, dass das Land im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch über größere Bestände der betroffenen Arten wie z.B. dem Weißstorch verfügt oder gar - wie im Falle der Großtrappe - noch das einzige Land ist, in dem Brutbestände dieser großen [Agrar-] Steppenvögel überhaupt vorkommen, während sie in allen anderen Bundesländern durch die Modernisierung der Landwirtschaft längst vernichtet sind. Bei den anderen, über Brandenburgs Grenzen hinaus auch noch häufiger vorkommenden Arten, liegt der hohe Anteil der dokumentierten Bindegarn-Opfer an der Dichte von Horstbetreuungen und Jungvogel-Beringungen im Horst im Lande Brandenburg.

Auch hier gilt - wie im Falle der Vergiftungen für Nordrhein-Westfalen: Nur wer sucht, findet auch! Und weiterhin: Die Dunkelziffer dürfte außerordentlich weit über den bekannten Fällen liegen!

Tab.: Übersicht der gemeldeten Bindegarn-Opfer

Tab.: Übersicht der gemeldeten Bindegarn-Opfer: Die ersten 10 (bzw. 11) - Tendenz steigend (jeweils aktualisiert von T. LANGGEMACH, Staatl. Vogelschutzwarte Brandenburg: BRG.)


Angaben nach:
DBV, VDMA, BLU, BMR, DRV & BVA (2011): Bindegarne, Netze und Folien sachgerecht und vollständig entsorgen - Gefahr für Tiere und Umwelt
GOLDAU, A. (2010): Das Bindegarn ist des Falken Tod; Kritische Ökologie Nr. 75 - 25[2]: 4-6. 2010


Bindegarnunfälle bei Wildtieren - vor allem bei Vögeln - bitte melden bei:
Dr. Torsten Langgemach
Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg
Dorfstraße 34
14715 Buckow bei Nennhausen
Tel.: 03 38 78 - 60 257; Fax - 60 600
torsten.langgemach@lua.brandenburg.de

*

Quelle:
Kritische Ökologie, Nr. 78 Ausgabe 27 [1] Herbst 2012, Seite 7-8
Herausgegeben vom Institut für angewandte Kulturforschung (ifak) e.V.
Redaktionsanschrift:
Malteserstraße 99k, 12249 Berlin
Telefon: 030/76 70 34 98, Fax: 030/76 70 34 99
E-Mail: redaktion@kritische-oekologie.de
Internet: www.ifak-goettingen.de
 
Abo (2 Hefte in Folge): privat ab 14 Euro,
Institutionen ab 28 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2013