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GENTECHNIK/016: Xenotransplantation und Gen Pharming (tierrechte)


tierrechte Nr. 52, Mai 2010
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Xenotransplantation und Gen Pharming

Von Marion Selig


Durch gentechnische Veränderung sollen Tiere den Wünschen und vermeintlichen Erfordernissen der Menschen angepasst werden. So sollen genmanipulierte Schweine als potenzielle 'Organspender' herhalten und Schafe, Ziegen, Kaninchen und sogar Mäuse in ihrer Milch artfremde Eiweiße produzieren.


Schon seit etlichen Jahren wird zur Xenotransplantation geforscht, also zur Transplantation von Organen, Zellen oder Geweben von Tieren auf den Menschen. Auch das Gen Pharming - die Produktion artfremder Eiweiße durch Tiere - ist schon lange Gegenstand der Forschung. Die Ergebnisse sind bislang eher dürftig.


Xenotransplantation - schlechte Aussichten

Das Ziel ist, die Organe von Schweinen in Menschen zu transplantieren, um den Mangel an menschlichen Spenderorganen zu kompensieren. Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts forschten Wissenschaftler u.a. in Großbritannien und den USA vor allem an der Transplantation des Schweineherzens und zum Teil auch von Niere und Leber des Schweines in Menschen. Um die Abstoßungsreaktion abzumildern, die bei der Transplantation eines Tierorgans noch wesentlich stärker auftritt als bei einem menschlichen Spenderorgan, sollten die Schweine gentechnisch entsprechend verändert werden. Dennoch müssten potenzielle Tierorganempfänger lebenslang Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken. In Tierversuchen wurde das Herz genmanipulierter Schweine in Paviane eingepflanzt. Die Tiere überlebten bis maximal einige Wochen oder Monate, brauchten jedoch starke immunsupprimierende Medikamente. Insgesamt gesehen waren die Experimente wenig aussichtsreich, so dass Institute und Unternehmen aus diesem Forschungszweig ausstiegen - 2001 schloss der Pharmakonzern Novartis sein Tochterunternehmen Imutran, das in Cambridge an der Xenotransplantatiaon geforscht hatte. Das schottische Roslin-Institut, in dem auch das Klonschaf Dolly 'erzeugt' wurde, stieg aus der Forschung zu transgenen Schweinen aus.

Derzeit arbeiten Wissenschaftler vor allem an der Übertragung von Schweinezellen, z.B. der Bauchspeicheldrüse, um die Zuckerkrankheit (Diabetes) zu behandeln. Die Abstoßungsreaktion ist weiterhin ein großes Problem, ebenso wie auch die Gefahr, dass durch Organe, Zellen oder Gewebe vom Tier auch Krankheitserreger auf den menschlichen Empfänger übertragen werden können. So beurteilen Forscher die Aussichten der Xenotransplantation mittlerweile sehr vorsichtig und gestehen ein, dass sie kein Ersatz für menschliche Organspenden sei. [1]


Gentechnische Methoden

Neben der Knockout-Technik (siehe auch Artikel auf Seite 10) werden Tiere auch durch die sogenannte Mikroinjektion gentechnisch verändert. Sie wird an einer befruchteten Eizelle außerhalb des Körpers vorgenommen. Um solche befruchteten Eizellen zu erhalten, werden weibliche Säugetiere mit Hormonen behandelt, damit sich möglichst viele reife Eizellen am Eierstock bilden. Die Befruchtung mit Spermien findet bei Mäusen und Ratten unter natürlichen Bedingungen statt. In diesem Fall werden die weiblichen Tiere kurz darauf getötet, um die befruchteten Eizellen zu entnehmen. Bei Rindern werden häufig Eizellen verwendet, die von am Schlachthof geschlachteten Tieren stammen. Diese Eizellen werden in vitro (im Reagenzglas) mit Spermien befruchtet. Die fremden Gene werden dann mit einer sehr dünnen Kapillare unter dem Mikroskop in die befruchtete Eizelle injiziert. Dies geschieht völlig ungezielt. Ob die neuen Gene in das Erbgut eingebaut werden und wenn ja, an welcher Stelle, kann nicht beeinflusst werden.

Die auf diese Weise genmanipulierten, befruchteten Eizellen werden scheinträchtigen weiblichen Tieren in den Eileiter eingepflanzt, wo sie sich zu transgenen Tieren entwickeln sollen. Häufig sterben die Embryonen jedoch ab.

Bei einem anderen Verfahren werden für die Übertragung fremder Gene Viren 'zu Hilfe' genommen. Diese Methode wird z. B. bei der Genmanipulation von Geflügeltieren angewendet. Fische werden durch Mikroinjektion, aber auch durch die Elektroporation gentechnisch verändert. Dabei werden kurze elektrische Impulse genutzt, um die Zellmembran durchlässig für fremde Gene zu machen.


Gen Pharming - zum Mäuse melken

Seit Mai 2008 ist das erste Gen Pharming-Medikament auf dem deutschen Markt - ein Blutgerinnungshemmer, der von Ziegen erzeugt wird, denen ein menschliches Gen zur Produktion dieser Substanz ins Erbgut eingefügt wurde. Die Tiere des US-amerikanischen Unternehmens GTC Biotherapeutics produzieren den Stoff in ihrer Milch, aus der er dann isoliert und weiterverarbeitet wird. Weiterhin hat das niederländische Unternehmen Pharming die Zulassung für Rhucin beantragt, eine Substanz, die von genmanipulierten Kaninchen hergestellt wird und zur Behandlung einer seltenen Erbkrankheit eingesetzt werden soll, die Schwellungen der Blutgefäße verursacht. Vor zwei Jahren hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA die Marktzulassung dieser Substanz verweigert. Jetzt geht Pharming davon aus, diese Zulassung in 2010 zu erhalten. 2009 hat das Unternehmen Verluste in Millionenhöhe gemacht.

Forscher in Moskau haben Mäusen ein menschliches Gen zur Produktion des Eiweißes Lactoferrin ins Erbgut eingefügt, so dass die Tiere 'menschliches' Lactoferrin in der Milch ausscheiden. Dieses Eiweiß kommt in der Muttermilch von Säugetieren vor und hat antimikrobielle Eigenschaften. Um das von den Mäusen produzierte Eiweiß zu erhalten, müssen die Mäuse gemolken werden - in einer sehr aufwendigen und wenig praktikablen Prozedur, bei der die Tiere in Narkose gelegt werden müssen. Selbst Wissenschaftler sprechen davon, dass es ein 'technischer Albtraum' sei, dieses Projekt in größerem Umfang durchzuführen. [2] Ziegen, Kaninchen oder Kühe sollen besser geeignet dafür sein - doch bereits vor etwa 20 Jahren versuchte Pharming aus den Niederlanden, Lactoferrin in Kühen zu produzieren, und scheiterte letztlich daran, es in kommerziellem Rahmen zu tun.

Dabei wäre es nicht erforderlich, Tiere gentechnisch zu verändern, um solche Proteine zu produzieren, bei Lactoferrin kann dies auch z. B. in pflanzlichen Zellen erfolgen.


Tiere in der Genforschung - rasanter Anstieg

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) veröffentlicht jedes Jahr im Herbst die Zahlen der Tiere, die im Jahr zuvor in Deutschland in Tierversuchen eingesetzt wurden. Seit dem Jahr 2000 werden die gentechnisch veränderten (transgenen) Tiere gesondert erfasst. Bei der überwiegenden Anzahl der transgenen Tiere von 2000 bis 2008 handelte es sich um Mäuse, Ratten und Fische. Weiterhin wurden Kaninchen und Schweine sowie Hamster, Schafe, Ziegen, Meerschweinchen und Amphibien genmanipuliert. Die Zahl der zuletzt genannten Arten betrug je nach Art von einzelnen Tieren bis zu mehreren Hundert pro Jahr. Das Diagramm zeigt, wie viele Mäuse seit dem Jahr 2000 insgesamt in Tierversuchen landeten und wie viele davon transgen waren.

Die Statistik zeigt deutlich den Trend: Die Zahl der genmanipulierten Mäuse steigt stark an. Jedoch werden lediglich die Tiere gezählt, bei denen die Genmanipulation geklappt hat und die dann in weiteren Tierexperimenten eingesetzt wurden. Wie viele Tiere bei dem Versuch der gentechnischen Veränderung starben, missgebildet geboren oder bereits als Embryonen abortiert wurden, geht daraus nicht hervor, ebenso wenig wie die Zahl der Tiere, bei denen es misslang, das Erbgut überhaupt zu verändern. Auch die Elterntiere, denen Eizellen entnommen und gentechnisch veränderte Embryonen eingepflanzt wurden und bei denen z.B. ein Kaiserschnitt erfolgte, um die Nachkommen zu entbinden, werden nicht aufgelistet. Daher bildet die Statistik nur einen Ausschnitt aus dem tatsächlichen Tierverbrauch in der Genforschung ab. Wie hoch die Zahl der hierfür tatsächlich verwendeten Tiere ist, kann nur vermutet werden, jedoch dürfte sie um ein Vielfaches höher liegen als die in der Statistik genannten Angaben.


Besser: Investitionen an anderer Stelle

Abgesehen davon, dass Tierversuche sowie auch die Xenotransplantation aus Sicht des Bundesverbandes ethisch nicht vertretbar sind, ist beim Thema Transplantation noch festzustellen, dass nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation organisatorische Gründe zum Organmangel beitragen. So würden viele potenzielle Spender nicht erkannt, da das deutsche System schlecht strukturiert sei. Die Anzahl der Spenden ließe sich durch geeignete Strukturen verdoppeln. [3] Bleibt die Frage, warum Wissenschaft und auch Politik Geld und geistige Kapazität in diese Forschung investieren, die an anderer Stelle besser eingesetzt werden könnten.


[1] Xenotransplantation kein Ersatz für Organspenden, Deutsches Ärzteblatt vom 04.06.2009

[2] Versuchsmäuse produzieren 'menschliche Muttermilch', dnews.de vom 05.06.2009

[3] DSO schlägt Alarm: Deutlich weniger Organspenden in 2008, Pressemitteilung der Deutschen Stiftung Organtransplantation vom 14.01.2009


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Quelle:
tierrechte - Nr. 52/Mai 2010, S. 8-9
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2010