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TIERHALTUNG/418: Vogelspinnenstammtisch an der Uni (H1 - Uni Bielefeld)


H1 - Das Magazin der Universität Bielefeld - Ausgabe 01.2007

Vogelspinnenstammtisch an der Uni
"Keine Streicheltiere aber faszinierend"

Von Norma Langohr


Sie haben acht Beine, sind behaart und lösen bei den meisten Menschen Angstgefühle und Gänsehaut aus - die Vogelspinnen. Völlig unbegründet, finden Marco Wilde und Norbert Sand. Die beiden Studenten sind von den Tieren fasziniert und suchen Gleichgesinnte in der Universität. Jeden ersten Freitag im Monat laden sie Neugierige, Einsteiger, Halter und Sammler zu einem Vogelspinnenstammtisch ein. Hier soll unter anderem gefachsimpelt, getauscht und beraten werden. Auch gemeinsame Fahrten zu Messen und Börsen können sich die beiden vorstellen.


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Marco Wilde studiert Psychologie und hält seit sieben Jahren Vogelspinnen. Seine erste bekam er geschenkt, mittlerweile sind es mehr als einhundert. "Aber davon sind mehr als die Hälfte Spiderlinge, also Babyspinnen", relativiert der 32-Jährige, der sich im Laufe der Zeit ein enormes Fachwissen angeeignet hat. Zurzeit richtet er in seiner Wohnung in Minden ein separates Tierzimmer ein. Marco hat viele verschiedene Vogelspinnenarten, doch besonders begeistert ihn die Ornamentvogelspinnen mit ihren wunderschönen Zeichnungen, zum Beispiel seine Poecilotheria ornata subfusca aus Indien. "Die lateinischen Namen der Spinnen zu kennen und zu gebrauchen gehört in den Sammlerkreisen dazu", erläutert der junge Mann, der bereits als Kind von Insekten fasziniert war. Doch was macht die Faszination aus, die nur die wenigsten Menschen nachvollziehen können? Vielleicht sei es die Perfektion dieser Überlebenskünstler, deren Körperbau sich seit Jahrmillionen nicht verändert habe, sinniert Marco. Es mache Spaß, sie zu beobachten - und je mehr Spinnen, umso mehr bekomme man zu sehen. Jede Spinne sei ein Individuum mit ganz eigenen Charaktereigenschaften. Er habe nie Angst verspürt, wohl aber Respekt.

"Wer Angst hat, macht Fehler", ergänzt Norbert Sand, der sich selbst als Einsteiger bezeichnet und sich im Sommer seine erste Spinne gekauft hat. Damit hat er sich einen Kindheitstraum erfüllt, denn bereits als Achtjähriger war sein Interesse an den Vogelspinnen riesig groß. Norbert Sand studiert Naturwissenschaftliche Informatik und arbeitet in der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft als Systemadministrator für die Multimediaräume. Wie Marco glaubt der 26-Jährige, dass die Angst der Menschen vor Spinnen unter anderem durch die völlig unrealistischen Horrorfilme ausgelöst worden ist. Wissenschaftlich ist sie durch nichts zu begründen: Das Gift der Vogelspinnen ist für Menschen nicht wirklich gefährlich; ein Biss ist zwar sehr schmerzhaft, aber auch nicht bedrohlich. Und Spinnen sind Einzelgänger. Szenarien, in denen Horden von Spinnen über Menschen herfallen, sind völlig absurd. Norbert hat sich bei seinem Erstkauf für eine Goldknie-Vogelspinne Brachypelma auratum aus Mexiko entschieden. Zunächst war seine Freundin nicht begeistert, mittlerweile versorgt sie jedoch Norberts "Mitbewohnerin", wenn dieser nicht da ist. Die Haltung und Pflege sind recht unproblematisch. Je nach Art der Spinne - grob unterscheidet man zwischen Baum- und Bodenspinnen - richtet man ein kleines Terrarium ein. Gefüttert wird im Durchschnitt alle zwei Wochen, vor und während der Häutung weniger, nach der Häutung häufiger. Lieblingsspeise der Vogelspinnen sind Grillen und andere Insekten, die lebend verfüttert werden müssen.

Trotzdem sollte sich niemand leichtfertig für die Vogelspinnenhaltung entscheiden, betonen die beiden Studenten. Die großen Spinnenweibchen, beispielsweise Marcos Theraphosa blondi, eine Goliathvogelspinne, können bis zu 30 Jahre alt werden. Die kleineren Arten kommen immerhin auf 15 Jahre. Auch legen beide Wert auf eine artgerechte Tierhaltung. "Vogelspinnen sind keine Streicheltiere", betont Marco. Eine Spinne auf die Hand zu nehmen lehnen beide ab, denn eine Spinne wird niemals handzahm oder gewöhnt sich an die Hand. Es bedeutet Stress für das Tier, aus seiner gewohnten Umwelt herausgerissen zu werden. "Vor der Entscheidung für eine Vogelspinne sollten sich Interessierte ein Basiswissen über Vogelspinnen, die verschiedenen Arten und die Haltung aneignen", empfiehlt Norbert Sand. "Auch hierfür bietet der Vogelspinnenstammtisch gute Möglichkeiten."


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Quelle:
H1 - Das Magazin der Universität Bielefeld
Ausgabe 01.2007, erschienen am 22.01.2007, S. 32
Herausgeber: Pressestelle der Universität Bielefeld
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2007