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TIERHALTUNG/498: Kampagne gegen gesetzeswidrige Schweinehaltung in Europa (PROVIEH)


PROVIEH Heft 4 - Dezember 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kampagne gegen gesetzeswidrige Schweinehaltung in Europa

Von Sabine Ohm, Europareferentin


Eine Studie von Compassion in World Farming (CIWF) aus 2008 deckte schwere Missstände bezüglich fehlender Beschäftigungsmaterialien sowie routinemäßigem Schwanzkupieren und Zähneschleifen in Deutschland und vier weiteren wichtigen Erzeugerländern auf. Meist wurden die Schweine dicht gedrängt auf Vollspaltenböden gehalten, ohne ausreichend Spielzeug oder sonstige vorgeschriebene Materialien wie Stroh, an denen sie ihr natürliches Kau- und Wühlbedürfnis hätten ausleben können. Kein Wunder, dass diese hochintelligenten Tiere (ihr IQ entspricht dem dreijähriger Kinder) bei derart reizarmer Umgebung aggressiv werden. So nibbeln sie zur Abwechsung an den Schwänzen ihrer Artgenossen, wodurch wert- und wohlmindernde Verletzungen entstehen können - daher die weit verbreitete Praxis der vorbeugenden Verstümmelungen.

PROVIEH, Mitglied der von CIWF geführten "Europäischen Koalition für Nutztierschutz" (ECFA), wurde gleich aktiv. Wir schrieben an die zuständigen Ministerien, aber dort sah man weder grundlegende Probleme noch Handlungsbedarf. Dabei wird die durch viele wissenschaftliche Gutachten der EU-Lebensmittelaufsichtsbehörde EFSA untermauerte Schweinehaltungsrichtlinie (letzte Fassung aus 2001) seit nun bald 20 Jahren konsequent missachtet, mit stillschweigendem Beneplacet der Aufsichtsbehörden! Schwanzkupieren und Zähneschleifen dürften eigentlich nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden, wenn alle Verbesserungen der Haltungs- und Managementbedingungen zuvor ausgeschöpft wurden.

PROVIEH hat angesichts der Untätigkeit und Verweigerungshaltung der zuständigen Stellen Klage gegen Deutschland eingereicht, CIWF gegen die anderen vier. Die Kommission berief daraufhin - wohl auch in Anbetracht ihrer eigenen Versäumnisse - einen "Workshop" mit allen wichtigen Akteuren ein. Auf der Tagesordnung stand zudem das ab 2013 geltende Verbot der durchgängigen Kastenstandhaltung für Sauen (mehr Informationen dazu auf der Homepage).

Für deutsche Erzeuger gibt es nun weder Ausreden noch Abwarten, was weiter auf EU-Ebene geschieht. Sie verstoßen auch gegen die Tierschutzvorschriften des QS-Systems, unter dessen Siegel 90 % des im deutschen Einzelhandel vertriebenen Schweinefleisches verkauft wird. Anderer Länder (u.a. Schweden u. Finnland) haben das Schwanzkupieren sogar schon ganz verboten. Schweine werden dort trotzdem gehalten - artgerecht eben!


Land


Prävalenz kupierter Schwänze
(in % der besuchten Betriebe)

Keine oder unzureichende
Ausgestaltung der Stallungen
(in % der besuchten Betriebe)
Deutschland
Ungarn
Niederlande
Spanien
UK
79 %            
70 %            
100 %            
100 %            
54 %            
89 %            
70 %            
88 %            
100 %            
36 %            

*


Quelle:
PROVIEH Heft 4, Dezember, 2009, Seite 23
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010