Schattenblick →INFOPOOL →TIERE → TIERSCHUTZ

INITIATIVE/310: Kennzeichnungspflicht für Käfigeier in Lebensmitteln (PROVIEH)


PROVIEH Heft 3 - Oktober 2008
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Kennzeichnungspflicht für Käfigeier in verarbeiteten Lebensmitteln
Interview mit Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.

Von Stefan Johnigk


STEFAN JOHNIGK: Herr Müller, wie bei frischen Eiern vorgeschrieben, sollten Verbraucher auch bei verarbeiteten Lebensmitteln durch eine verbindliche Kennzeichnung erfahren können, aus welcher Haltung die verwendeten Eier stammen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW) hat im Rahmen einer Kampagne elf große Verarbeitungsbetriebe und Handelsketten in Nordrhein-Westfalen zum Handeln aufgefordert. Wie haben die Unternehmen reagiert? Welche weiteren Schritte wird die VZ NRW ergreifen?

KLAUS MÜLLER: Anfang dieses Jahres hat die VZ NRW elf Verarbeitungsbetrieben und Handelsketten in NRW eine gemeinsame Initiative angeboten für einen verstärkten Einsatz von Eiern aus alternativen Haltungsformen. Vorgeschlagen hatten wir z.B. einen gemeinsamen zeitlich begrenzten Modellversuch, Eier aus alternativen Haltungsformen zu verwenden und dies auf der Verpackung zu kennzeichnen. Leider hat lediglich ein Handelsunternehmen auf diesen Vorschlag reagiert und Interesse signalisiert.

STEFAN JOHNIGK: Die Fast-Food-Kette McDonalds hat angekündigt, bis 2010 in sämtlichen Produkten keine Käfigeier mehr zu verarbeiten. Der Nahrungsmittelkonzern Unilever will bis 2012 in Westeuropa bei Mayonnaisen und Dressings auf die Käfigware verzichten. Welche Rolle spielen solche freiwilligen Selbstverpflichtungen der Industrie bei der Einführung einer Kennzeichnungspflicht? Wie lassen sich andere große Unternehmen dazu bewegen, diesem Beispiel zu folgen?

KLAUS MÜLLER: Wir begrüßen diese Vorstöße. Denn seit die Haltungsform bei Konsumeiern gekennzeichnet wird, hat sich die Nachfrage nach Eiern aus alternativen Haltungsformen mehr als verdreifacht. Mittlerweile kommen weniger als 40% der frischen Konsumeier aus Käfighaltung. Immer mehr Handelsketten nehmen Käfigeier aus dem Sortiment. Wenn Verbraucher auch bei verarbeiteten Produkten die Haltungsform der verwendeten Eier auf der Verpackung erkennen könnten, würde sich auch in der Nahrungsmittelindustrie der Anteil der Eier aus Legebatterien von derzeit 95% deutlich reduzieren.

STEFAN JOHNIGK: Reicht der Einfluss der Verbraucher alleine schon aus, um auf politischer Ebene zu einem Umdenken zu führen? Welche weiteren Möglichkeiten, eine umfassende Kennzeichnungspflicht einzuführen, sehen Sie?

KLAUS MÜLLER: Solange Verbraucher nicht erkennen können, woher die Eier in Lebensmitteln kommen, haben sie keine Wahl. Und leider scheint das deutliche Signal der veränderten Verbrauchernachfrage bei den Konsumeiern bei der Politik noch nicht angekommen zu sein. Wir werden weiterhin Druck auf die Politik machen, weil wir uns eine obligatorische Kennzeichnung - auch für Tierschutzaspekte bei Fleisch insgesamt - wünschen. Solange das auf dem mühsamen Weg durch die europäischen Instanzen auf sich warten lässt, appellieren wir an die Unternehmen, glaubwürdige freiwillige Kennzeichnungen einzuführen.

STEFAN JOHNIGK: Die von Bundesminister Seehofer eingeführte sogenannte "Kleingruppenhaltung" bietet den Hennen kaum bessere Lebensverhältnisse als die herkömmlichen Käfige. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. aber fordert frech eine eigene Kennzeichnung für diese Käfighaltungsvariante. Wie kann einer solchen Verbrauchertäuschung wirksam begegnet werden?

KLAUS MÜLLER: Wir sind der Meinung, dass die so genannte "Kleingruppenhaltung" nur eine geringfügige Verbesserung für die Tiere darstellt. Deshalb sehen wir keinen Bedarf für eine neue Kennzeichnungsregelung. STEFAN JOHNIGK: PROVIEH - VgtM e.V. kämpft seit langem für eine Abschaffung der Käfighaltung und setzt wie die VZ NRW auf die Aufklärung der Verbraucher - denn letztlich entscheidet sich an der Ladentheke, welche Produkte gekauft werden. Wie können PROVIEH als Fachverband für Nutztierschutz und die VZ NRW als Vertreter der Verbraucherinteressen gemeinsam für einen Umstieg auf artgerechtere Nutztierhaltung und Stärkung der Verbraucherrechte eintreten?

KLAUS MÜLLER: Tierschutz- und Verbraucherschutzorganisationen verfolgen hier das gleiche Ziel und setzen sich für hohe Tierschutzstandards ein. Unser besonderes Augenmerk gilt zudem der Verbesserung der Transparenz für Verbraucher. Erst wenn Verbraucher erkennen können, was in ihren Lebensmitteln steckt, können sie sich beim Einkauf entsprechend entscheiden. Das Beispiel der Konsumeier hat gezeigt, dass der Markt funktioniert.

STEFAN JOHNIGK: Herr Müller, wir danken Ihnen herzlich für das Interview.


INFOBOX

Der Druck der Verbraucher zeigt Wirkung

Nach Aldi, Norma, Plus und Tegut plant auch Edeka Südwest, Käfigeier auszulisten. PROVIEH setzt sich in einem breiten Bündnis dafür ein, dass weitere Handelsketten diesem Beispiel folgen. Auch das Projekt "Käfigfreie Mensa" (siehe Heft 1/2008) hat Erfolg. In den Mensen in Düsseldorf und Göttingen werden nur noch Freilandeier verwendet, in Osnabrück, Oldenburg und Vechta sogar nur Bioeier. Eine Kennzeichnungspflicht für verarbeitete Eier steht noch aus - doch 2009 ist wieder Bundestagswahl.


*


Quelle:
PROVIEH Heft 3, Oktober, 2008, Seite 14-15
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2008