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POLITIK/734: Schwanzkupieren - Die EU-Kommission macht Ernst (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Schwanzkupieren: Die EU-Kommission macht Ernst

Von Sabine Ohm



Das EU-weite Verbot, beim Schwein den Ringelschwanz routinemäßig und vorbeugend im frühen Ferkelalter kurz abzuschneiden, besteht schon seit 1994 (Richtlinie 91/630/ EWG). Eingehalten wurde es bislang aber nur in Schweden und Finnland - auch dank des dort insgesamt höheren Tierschutzniveaus. In Deutschland und anderen Mitgliedsländern kupiert man den Schwanz dagegen weiterhin, vor allem zur Vorbeugung gegen das sonst häufiger auftretende Schwanzbeißen.

Um dieser Praxis Einhalt zu gebieten, erweiterte die Kommission 2001 die Vorschriften in der Richtlinie: Zusätzlich zum Kupierverbot schrieb sie die Bereitstellung von angemessenem Beschäftigungsmaterial sowie die Änderung von unzureichenden Haltungsbedingungen (zum Beispiel Platzmangel) vor. Die deutschen Schweinehalter aber machten weiter wie bisher - auch weil der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinie völlig unzureichend in nationales Recht übertragen hat.

PROVIEH reichte deshalb 2009 und 2010 Klagen gegen Deutschland bei der EU ein (wir berichteten). Stetig bauten wir den Druck weiter aus, nicht ohne parallel nach Lösungen des Problems zu suchen; denn schließlich wollen wir im Stall kein Kannibalismus-Massaker durch Schwanzbeißen. Die zuständige Abteilung der EU-Kommission (GD SANCO) scheute sich wegen der EU-weit verbreiteten Verstöße, gegen Deutschland als einzelnes Land ein Vertragsverletzungsverfahren anzustrengen. Sie suchte nach alternativen Möglichkeiten, die Umsetzung in allen Mitgliedsländern zu verbessern. Unter anderem wurde PROVIEH 2013 in eine Expertenrunde eingeladen. Dort berichteten wir über deutsche Versuche und Studien, die wir begleitet hatten, und über Erfahrungen, die wir auf Reisen in der Schweiz gesammelt hatten, wo seit 2008 selbst auf Spaltenböden das Kupierverbot erfolgreich umgesetzt wird.

2014 entschloss sich die Kommission, die Interpretationsspielräume für die Auslegung des EU-Rechts durch zwei Leitlinien - zum Kupierverbot und zur Bereitstellung von Beschäftigungsmaterial - auszuräumen, zum Beispiel in Bezug darauf, was unter "angemessenem" Beschäftigungsmaterial zu verstehen ist. Dadurch wird sie endlich die nötigen Voraussetzungen für den erfolgreichen Kupierverzicht schaffen.

Solche EU-Leitlinien, an deren Ausarbeitung PROVIEH beteiligt wurde, hat es noch nie gegeben. Sie sollen als "Offizielle Kommunikation der Kommission" einen verbindlichen Charakter bekommen und Ende 2014 veröffentlicht werden. Derzeit befinden sich die beiden Entwürfe jedoch noch in der internen Abstimmung mit den verschiedenen betroffenen Kommissionsdiensten. Auch die Abteilung Landwirtschaft (GD AGRI) muss zustimmen. Die mit den Entwürfen unzufriedene Agrarindustrie könnte durch Lobbyintervention bei der GD AGRI die wichtige Leitlinie noch zu verwässern oder gar zu verhindern versuchen. PROVIEH hofft, dass es dazu nicht kommt - sonst müssten wir den mühsamen Weg der Klage erneut beschreiten, um den Kupierverzicht durchzusetzen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014, Seite 40-41
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2014