Schattenblick → INFOPOOL → TIERE → TIERSCHUTZ


POLITIK/754: Europäische Union - Gute und schlechte Nachrichten (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2015
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Gute und schlechte Nachrichten

Von Sabine Ohm


Es gäbe wieder reichlich Anlass, schlechte Nachrichten aus der Europäischen Union (EU) zu überbringen: Beispielsweise ignoriert die EU-Kommission die 1,17 Millionen Unterschriften der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) "Stop Vivisection" für ein Verbot von Tierversuchen in Europa und will in einem EU-Referenzwerk Vollspaltenböden als "Beste Verfügbare Technik" in der Schweinehaltung empfehlen. Sie hat im März 2015 den Import von siebzehn gentechnisch veränderten Organismen (GVO) als Futter- und Lebensmittel erlaubt und sogar den Weg für den GVO-Anbau in Europa geebnet. Die EU,Kommission verschleppt auch wichtige Entscheidungen wie das Verbot von Pestiziden, die sich negativ auf das Hormonsystem von Menschen und Tieren auswirken. Außerdem versucht sie - kräftig unterstützt von der deutschen Bundesregierung - weiterhin mit allen Mitteln, die transatlantischen Abkommen mit Kanada und den USA (CETA und TTIP) hinter verschlossenen Türen durchzupauken, obwohl kein Nutzen für die Bevölkerung (sondern nur für einige wenige Großkonzerne) abzusehen ist, und sie die berechtigte Kritik an den Auswirkungen der Abkommen nicht widerlegen kann (wir berichteten).

Im Streit um den Gesetzentwurf für das Klonen zur Lebensmittelerzeugung gibt es zwar einen ersten Lichtblick, aber noch keine Entwarnung (siehe Infobox).

Doch genug der Hiobsbotschaften. Diesmal sollen lieber einige gute Nachrichten im Vordergrund stehen. Denn Lichtblicke sind wichtig, um uns alle weiter bei der Arbeit für den Tierschutz zu motivieren. Hier deshalb ein Überblick über einige Fortschritte:


Lange Transporte erschwert

Die Agrarminister Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande hatten in einer ersten, etwas schwammigeren Gemeinsamen Erklärung im Dezember 2014 Verbesserungen im Tierschutz gefordert, unter anderem eine maximale Transportzeit von acht Stunden von Schlachttieren. Dafür kämpft PROVIEH auch schon seit vielen Jahren (siehe u.a. Heft 3/2012), aber eine baldige Verschärfung der Transportverordnung 1/2005 scheint aufgrund der Unwilligkeit der EU-Kommission und einiger Mitgliedsstaaten, die mit einem Veto drohen, eher unwahrscheinlich.

Umso erfreulicher ist das bahnbrechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg vom April 2015. Darin wurde festgestellt, dass EU-Vorschriften wie Ruhezeiten, Fütterungs- und Tränkeintervalle auch während mehrtägiger Transporte ins EU-Ausland nachweislich eingehalten werden müssen. Das Gericht bestätigte damit das von den Behörden in Kempten (Bayern) verhängte Verbot eines Transports lebender Rinder über mehr als 7.000 Kilometer bis nach Usbekistan. Der Exporteur konnte keine geeigneten Rast- und Versorgungsvorkehrungen auf dem über einwöchigen Transport der Tiere nachweisen. Dieser Präzedenzfall könnte weitreichende positive Auswirkungen haben; denn jährlich werden über 3,4 Millionen Tiere lebend ins EU-Ausland transportiert. PROVIEH wird sich natürlich trotzdem weiterhin für eine völlige Abschaffung von Langstreckentransporten über acht Stunden in die EU und Drittländer einsetzen (siehe Heft 2/2014).


Bessere Schweinehaltung

Anlässlich einer internationalen Konferenz über Tierwohl in der Schweinehaltung am 29. und 30. April 2015 in Kopenhagen, an der auch PROVIEH teilnahm, unterzeichneten die Agrarminister Dänemarks, Deutschlands, Schwedens und der Niederlande eine wegweisende "Gemeinsame Stellungnahme zum Schutz der Schweine in Europa". Weil sie die derzeitigen Haltungssysteme als weitgehend ungeeignet zur Befriedigung selbst einfachster Grundbedürfnisse der Schweine ansehen, forderten die Agrarminister EU-weit strengere Vorschriften für die Schweinehaltung. Diese Regelungen betreffen den Verzicht auf das Schwanzkupieren, mehr Platz und Beschäftigungsmaterial sowie die endgültige Abschaffung von Vollspaltenböden, der betäubungslosen Ferkelkastration und der Kastenstandhaltung von Sauen über die gesamte Lebenszeit, auch während der Geburt der Ferkel.

Einiges davon, wie der Kastrations- und der Kupierverzicht, ist in Deutschland bereits auf gutem Wege - dank intensiver Kampagnenaktivitäten von PROVIEH sowie unserer konstruktiven Zusammenarbeit mit den Erzeugern, der öffentlichen Hand und den Unternehmen aus Fleischwirtschaft und Handel. Dazu gehört auch die Anfang 2015 angelaufene privatwirtschaftliche Initiative Tierwohl (ITW), die über 20 Millionen Schweinen schon jetzt unter anderem einen natürlichen Tagesrhythmus durch mehr Tageslicht, bessere Luft und Wasserversorgung und artgerechteres Beschäftigungsmaterial gebracht hat (siehe Bericht in diesem Heft).

Eine EU-weit eindeutigere, strengere gesetzliche Regelung für die Schweinehaltung wäre dennoch gut, damit alle ca. 250 Millionen Schweine in der EU in den Genuss der Verbesserungen kämen. Den schönen Worten der Minister müssen also Taten folgen. Dies ist besonders dringend angesichts des unfairen Wettbewerbs, der die Preise in Deutschland derzeit kaputt macht. Die uneinheitliche "Gemeinsame Agrarpolitik" und unterschiedlich strenge Kontrollen der Gesetzeskonformität führen zu Wettbewerbsverzerrungen, weil einige ost- und südeuropäsche EU-Länder Millionen EU-Steuergelder in den Ausbau von Megaställen zur Ausweitung der Schweinefleischproduktion pumpen. Der bisher nur in Deutschland eingeleitete Ausstieg aus dem Ringelschwanzkupieren und die Initiative Tierwohl (ITW) sind deshalb in akuter Gefahr (siehe auch Bericht über die ITW in diesem Heft). Mit dem gezielten Kauf deutscher Ware können Sie deshalb wichtige Zeichen setzen. Dies wird Ihnen durch die neue EU-Kennzeichnungspflicht für Fleisch erleichtert.


Neue Herkunftskennzeichnung

Seit April 2014 gilt eine Pflicht zur Herkunftslandkennzeichnung für verpacktes frisches, gekühltes oder tiefgekühltes Schweine-, Lamm- und Ziegenfleisch sowie Geflügel. Dies galt bisher nur für Rindfleisch, wegen der BSE-Krise Ende der 1990er Jahre. Nun haben die Konsumenten bessere Wahlmöglichkeiten, auch wenn leider nicht das Geburtsland, sondern nur das Aufzucht- und Schlachtland angegeben werden müssen.

PROVIEH warnt vor Waren mit der Kennzeichnung "Aufgezogen in mehreren Mitgliedstaaten der EU", "Aufgezogen in mehreren Nicht-EU-Ländern" oder "Aufgezogen in mehreren EU- und Nicht-EU-Ländern". Denn die Tiere wurden dann vielfach transportiert, was dem Tierwohl nicht zuträglich ist, und im Ausland sind oft die Standards und/oder Kontrollen schlechter als bei uns. Nur bei Waren mit Kennzeichnung "Ursprung Deutschland" kann man sicher sein, dass das Tier in Deutschland geboren, gemästet und geschlachtet wurde. Vorsicht ist insbesondere bei Fleisch aus Schlachtung in Polen geboten; denn die Schweine stammen offenbar häufig aus früher dem Straathof-Unternehmensgeflecht zugehörigen Mega-Betrieben, die aufgrund von Tierschutzproblemen im Kreuzfeuer der Kritik und zunehmend der Justiz stehen. "Herkunft Deutschland" bedeutet, dass die Tiere in Deutschland gemästet und geschlachtet wurden. Grundsätzlich warnt PROVIEH in jedem Fall vor billigen Wurst- und Fleischangeboten; denn Tierschutz hat seinen Preis.

Wie dem EU-Parlament geht auch PROVIEH die bisherige Regelung der Kommission nicht weit genug; denn auf Wurst und anderen Verarbeitungswaren muss gar keine Angabe zur Herkunft gemacht werden, auf Hackfleisch nur "Aus der EU" oder "Nicht-EU", und für unverpacktes Fleisch, milch- oder eihaltige Produkte besteht bisher auch keine EU- weite Kennzeichnungspflicht. Fragen Sie deshalb beim Einkauf oder in Kundenforen der Unternehmen im Internet nach und bitten Sie um ausführliche Kennzeichnung, damit diese auf das Interesse der Kunden aufmerksam werden. Die EU-Kommission behauptet nämlich in einem Bericht vom 20. Mai 2015, dass eine freiwillige Kennzeichnung besser wäre, weil eine genauere Kennzeichnung zu teuer sei und die Verbraucher sich nicht dafür interessierten.

Der aus Sicht von PROVIEH unbefriedigende Bericht der Kommission wird noch vom Europaparlament und dem Ministerrat beraten und hoffentlich nachgebessert. Schreiben von Ihnen an Ihre EU-Abgeordneten und Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt könnten ebenfalls dabei helfen, eine umfassende Kennzeichnungspflicht einzuführen.


INFOBOX

Die zuständigen Ausschüsse im Europäischen Parlament (EP) lehnten den auch aus Sicht von PROVIEH unzureichenden Kommissionsvorschlag im Juni 2015 zwar ab, aber der Weg zu einem umfassenden Klonverbot ist trotzdem noch weit: Selbst wenn das Plenum des EP dem folgt, könnte durch mangelnde Einigung zwischen den EU-Institutionen wieder eine Blockade statt ein Gesetz entstehen (siehe Heft 3/2011). Dann stünde Klonimporten weiter Tür und Tor offen. Das wäre fatal, weil der faule Kompromiss beim EU- Gesetz für "Neuartige Lebensmittel" vom Juni 2015 keine Etikettierung für Erzeugnisse aus Klonen und ihren Nachkommen vorsieht. Die Verbraucher hätten also keine Wahl. TTIP-Befürworter frohlocken, da die USA Klon-Verbote und -Etikettierung als unwissenschaftlich ablehnen. Ethik und Moral sind für Politiker - anders als für die EU-Bürger (siehe Umfragen) - offenbar kein Argument.

*

Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2015, Seite 34-37
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.
Schutzgebühr: 2 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang