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POLITIK/810: Staatliches Tierschutzlabel ohne Tierschutzverbände (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2017
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Staatliches Tierschutzlabel ohne Tierschutzverbände

von Angela Dinter


Bundesagrarminister Christian Schmidt kündigte Ende letzten Jahres ein staatliches Tierschutzlabel an. Laut seiner Aussage soll das geplante Label für mehr Tierwohl sorgen, eine breite Marktdurchdringung haben und zu einer Erhöhung der Fleischpreise führen, die den Landwirten und Tieren zu Gute kommt. Zur Grünen Woche 2017 in Berlin präsentierte er bereits das Logo, obwohl es zu diesem Zeitpunkt weder konkrete Aussagen zu geplanten Tierschutzmaßnahmen, noch zur Umsetzung gab.


Das Tierschutzbündnis mischt sich ein

Das in 2015 gegründete Tierschutzbündnis, bestehend aus Albert-Schweitzer-Stiftung, Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Bundesverband Tierschutz, Welttierschutzgesellschaft, Vier Pfoten und PROVIEH e.V. forderte daraufhin die Mitarbeit bei der Ausarbeitung der Tierschutzkriterien ein. Das Bündnis stellte klar, dass selbst ein staatliches Label nicht ohne die Mitarbeit der wichtigsten deutschen Tierschutzverbände Akzeptanz finden kann. An den Sitzungen und Fachgruppentreffen im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durften von nun an zwei Vertreter des Bündnisses teilnehmen. Diese Aufgabe wurde von Vier Pfoten und PROVIEH wahrgenommen.


Tierschützer fordern deutlich mehr Tierschutz

Es wurden mehrere Vorschläge und Ausarbeitungen zu Tierschutzkriterien vorgelegt und diskutiert. Die Forderungen und Einwände der Tierschützer konnten eingebracht werden, jedoch fanden sie bei der Festlegung der im April bekanntgegebenen Tierwohlkriterien keine Berücksichtigung.

Einen Tag nach Veröffentlichung der offiziellen Tierwohlkriterien des staatlichen Labels haben alle beteiligten Tierschutzverbände die weitere Unterstützung des Labels abgebrochen und sich gegen die viel zu laschen Tierschutzmaßnahmen ausgesprochen, die bei der Einstiegsstufe des Labels eingehalten werden müssen.


Lasch, lascher, Tierschutzlabel?

Von den zwölf zu erfüllenden Tierwohlmaßnahmen in der Einstiegsstufe des staatlichen Labels sind sieben bereits gesetzlicher Mindeststandard oder werden es bald sein.

Das Abschneiden des Ringelschwanzes und die Verkürzung der Säugezeit von Ferkeln sind per Gesetz als Ausnahme definiert, wurden in Deutschland jedoch stillschweigend zur Regel erklärt. Nun darf, wer sich endlich an das Gesetz hält und reguläre Säugezeit einhält, ein Tierschutz-Logo auf sein Fleisch kleben. Im Fall "Ringelschwanz" kommt es sogar noch schlimmer. Wer versucht, es aber nicht schafft, den gesetzlichen Mindeststandard einzuhalten, darf trotzdem das Tierschutz-Logo in Anspruch nehmen. Routinemäßiges Kupieren des Ringelschwanzes ist in der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels erlaubt.

Das Tierschutzkriterium "Schlachtung" verdient besondere Beachtung, denn hier wird festgelegt, dass Tiere, die das Glück haben, am staatlichen Tierwohllabel teilzunehmen, in jedem Fall eine effektive Betäubung vor Tötung erhalten und die Betäubungstiefe streng kontrolliert und dokumentiert wird. Bei den restlichen Tieren kann man da nicht so sicher sein, wie Studien und Schlachthofvideos belegen. Zumindest haben wir das so verstanden, denn eine EU-Verordnung gibt die effektive Betäubung, die Kontrolle und die Dokumentation vor Schlachtung bereits seit 15 Jahren vor.


Staatliches Tierschutzlabel gescheitert

Nach Bekanntgabe der Kriterien und lange vor Einführung berichtete die Presse bereits vom Scheitern des staatlichen Tierwohllabels. Von "Tierschutz-light" ist die Rede und die Forderungen nach konsequenten Maßnahmen werden immer lauter.

Ein freiwilliges, agrarlobby-freundliches Tierschutzlabel reicht bei Weitem nicht aus. Wir brauchen eine nationale Tierschutzstrategie und eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle Tiere, deren Milch- und Fleischprodukte wir konsumieren. So haben Staat und Verbraucher die Möglichkeit flächendeckend auf die landwirtschaftliche "Nutz"tierhaltung einzuwirken und die Lebensbedingungen für alle "Nutz"tiere zu verbessern.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2017, Seite 12-13
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2017

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