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VERBAND/105: 25 Jahre Bundesverband - Blick zurück nach vorn (tierrechte)


tierrechte 1.07 - Nr. 42, November 2007
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

25 Jahre Bundesverband - Blick zurück nach vorn - Wie geht es weiter?

Von Kurt Simons


Ein Rückblick auf 25 Jahre Tierrechtsarbeit muss verbunden sein mit dem Versuch, die Frage zu beantworten: Und wie geht es weiter? Welche neuen Herausforderungen und Aufgaben erwarten uns in den nächsten Jahren? Welche Strukturen braucht ein politisch arbeitender Verband, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden und welche Anforderungen stellt dies an die Aktiven und deren konkrete Arbeit?


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Als nationaler Verband sind wir stark beeinflusst von globalen Veränderungen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Die sogenannte Globalisierung bedeutet eine Konzentration der Ausbeutung der Tiere durch große, multinational handelnde Konzerne. Gleichzeitig hat deren Einfluss sowohl auf die Politik als auch auf Wissenschaft und Forschung zugenommen. Bei allen Formen der Tierausbeutung, sei es in Tierversuchen, der 'Nutztier'-Haltung oder in anderen Bereichen wie 'Pelztier'-Haltung, Zirkussen, Zoos oder Tierbörsen müssen wir sowohl eine Zunahme in der Zahl der missbrauchten Tiere als auch in der Brutalität deren Ausbeutung feststellen.

Weitere Folgen werden die klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten und die Auswirkungen auf natürliche Ressourcen wie Erde, Land und Luft haben. Die Veränderung des weltweiten Klimas hat bereits lange begonnen und wird sich in den nächsten Jahren massiv verstärken. Dies wird zu einer Verknappung aller natürlichen Ressourcen und der Lebensgrundlagen führen. Eine Verschärfung des Wettbewerbs sowohl zwischen den einzelnen menschlichen Individuen als auch zwischen den ethnischen Gruppen und Nationen wird die Folge sein. Es besteht die Gefahr, dass die Menschen versuchen, diesem Druck durch eine zunehmende Ausbeutung der Natur und der nichtmenschlichen Lebewesen zu entgehen.

Eine kritische Analyse der aktuellen Situation könnte schnell in Resignation enden, gäbe es nicht auch Zeichen dafür, dass bei vielen Menschen ein Prozess des Umdenkens begonnen hat. Forderungen der Tierschützer und Tierrechtler, die vor einigen Jahren noch belächelt wurden, werden heute von einer großen Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen und unterstützt.

Allerdings zeigen soziologische Studien und Befragungen de letzten Jahre den Trend auf, dass trotz zunehmender inhaltlicher Unterstützung der Anliegen des Tier-, Natur- und Umweltschutzes die Bereitschaft zu einem aktiven Engagement für die Umsetzung dieser Ziele nicht gestiegen ist. Immerhin werden solche Anliegen auch weiterhin finanziell unterstützt, sowohl durch regelmäßige Spenden als auch durch Erbschaften und Vermächtnisse.

Dabei sind die Ansprüche der Spender - nicht zuletzt auch durch die höhere Transparenz und die Verbreiterung des Angebotes durch die neuen Medien wie das Internet - stark gestiegen. Finanzielle Unterstützung bekommen die Organisationen, die Handlungskonzepte entwickeln und aufzeigen, und diese professionell umsetzen. Gefragt ist Lebensbejahung in doppelter Hinsicht: das Bekennen zu den Rechten der nicht-menschlichen Lebewesen genauso wie auch zum eigenen Leben und seiner Gestaltung. Dies findet in dem Motto Ausdruck: 'Wir haben Lösungen für die Probleme und wir haben auch die Kraft und den Willen, diese umzusetzen.'

Wie wirken sich diese Rahmenbedingungen nun auf die zukünftige Arbeit unseres Verbandes aus?

Wir müssen den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg konsequent weiterentwickeln. Beispiele für eigene Konzepte und deren Umsetzung in Projekten sind unsere politische Initiative zur Förderung tierverbrauchsfreier Forschung sowie das Konzept zur Betreuung und Regulierung von Stadttauben. Ein kleineres Projekt ist die tierverbrauchsfreie Ausbildung an Universitäten in der Ukraine.

Diese Konzepte und Projekte sind insbesondere dadurch geprägt, dass sie nicht nur gegen die bisherige Verfahrensweise protestieren, sondern schnell und dauerhaft umsetzbare neue Wege aufzeigen, die mittelfristig kostengünstiger sind als die alten Vorgehensweisen, welche die Rechte der Tiere mit Füßen treten.

Um aber auch gegen bestehende und kurzfristig nicht zu beseitigende Missstände wie z. B. tierquälerische Massentierhaltungen vorgehen zu können, ist das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen absolut notwendig. Ein derartiges Klagerecht der Verbände ist im Grunde lediglich eine minimale politische Konsequenz aus der Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz.

Neue Herausforderungen, die sich aus den oben genannten gesellschaftlichen und insbesondere den klimatischen Veränderungen ergeben werden, müssen frühzeitig erkannt werden. Diese neuen, qualitativ und quantitativ steigenden Anforderungen, insbesondere in fachlicher Sicht, können nur mit einer zunehmenden Professionalisierung beantwortet werden. Neben den fachlichen Qualifikationen müssen Fremdsprachenkenntnisse sowie strategisches Denken und soziale Kompetenzen wie Empathie stärker entwickelt werden. Gut gemeintes, ehrenamtliches Engagement mit begrenzten zeitlichen Möglichkeiten und ohne die oben genannten Qualifikationen wird für die Aufgaben der Zukunft allein nicht mehr reichen. Es wird aber weiterhin eine wichtige Grundlage für die Arbeit an der Basis sein.

Die Verknappung natürlicher Ressourcen wie Energie und Wasser bietet die Chance, neue Strategien gegen die heutigen Ausbeutungsformen der nichtmenschlichen Lebewesen zu entwickeln. Die Ernährung einer weiter steigenden Weltbevölkerung wird über den Umweg der Nahrungsmittel vom Tier nicht mehr lange aufrechtzuerhalten sein. Auf Grundlage dieser Erkenntnis müssen wir neue Bündnispartner außerhalb der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung und über Landesgrenzen hinweg suchen. Zusammen müssen Wege und Strategien für eine tierverbrauchsfreie Lebensweise entwickelt und als Alternative aufgezeigt werden.

Ich bin davon überzeugt, dass die Ausbeutung von Tieren in Intensivhaltungen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren mit Blick auf die natürlichen Ressourcen zusammenbrechen wird. Die wissenschaftliche Forschung mit Tierversuchen wird weiterhin keine Antworten auf medizinische Fragen und Fragen der Medikamenten- oder Chemikaliensicherheit geben. Dieser Irrweg und die durch ihn verursachten Folgekosten werden zu dem zu erwartenden Zusammenbruch der Gesundheitssysteme in althergebrachter Form beitragen. Wir müssen noch stärker aufzeigen, dass die neuen, von uns entwickelten und vorgestellten Wege einer tierverbrauchsfreien Forschung auf Dauer zu mehr Erkenntnissen bei gleichzeitiger Senkung von Kosten und Schaffung von Arbeitsplätzen führen können.

Auf diese Entwicklungen sind wir vorbereitet. Wahrscheinlich werden die erforderlichen Veränderungen auch in den eigenen Reihen für einige schmerzlich sein. Dies darf aber nicht davon abhalten, das Notwendige zu tun. Den Tieren wird es egal sein, ob sie aus den Folterkammern der Forschung, der Landwirtschaft oder den Zoos und Zirkussen befreit werden, weil die Menschen zur Erkenntnis gekommen sind, dass auch die Rechte der nichtmenschlichen Lebewesen anzuerkennen sind, oder weil die Systeme der Ausbeutung aus wirtschaftlichen oder ökologischen Gründen zusammenbrechen.

Unterstützen Sie unsere Arbeit bitte mit der gleichen Intensität, wie Sie dies in den letzten Jahren getan haben. Bei näherem Hinsehen sieht die Zukunft gar nicht düster aus, sondern bietet einige Chancen. Wenn wir sie gemeinsam ergreifen, werden wir Erfolg haben!


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Quelle:
tierrechte - Nr. 42/November 2007, S. 12-13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2007