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VERBAND/114: Gedanken zur Entwicklung des Bundesverbandes (tierrechte)


tierrechte Nr. 60, Juni 2012
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

30 JAHRE BUNDESVERBAND MENSCHEN FÜR TIERRECHTE
Gedanken zur Entwicklung des Bundesverbandes

Von Kurt Simons



Vor 30 Jahren gab es die ersten Gründungstreffen für die Schaffung des Bundesverbandes, dem unser Vorsitzender Dr. Kurt Simons nun seit 20 Jahren als Vorstandsmitglied angehört. Viele Fördermitglieder und Aktive sind erst in den letzten Jahren dazugekommen. Im Folgenden daher ein kleiner, subjektiver Rück- und Ausblick aus der Sicht eines "langjährigen Aktiven".


Die Geschichte des Widerstands gegen Tierversuche in Deutschland und damit auch des Bundesverbandes ist noch jung. In den 70er-Jahren erschienen zahlreiche Bücher und Publikationen, die die bis dahin eher uninteressierte Öffentlichkeit erstmals auf das Thema Tierversuche aufmerksam machten. In größeren Städten gründeten sich Gruppen und Vereine, die sich hauptsächlich mit der Kritik an Tierversuchen beschäftigten. Anfang der 80er-Jahre hatten sich, insbesondere in Bonn, dem damaligen Sitz der Bundesregierung, sowie in den Hauptstädten der Bundesländer starke Vereine etabliert. Sie verfügten über engagierte Arbeitsgruppen in den größeren Städten und übernahmen teilweise bereits die Funktion von Landesverbänden in den jeweiligen Bundesländern.

Die Vereine organisierten Demonstrationen in Städten und vor Einrichtungen, die Tierversuche durchführten und informierten die Öffentlichkeit mit regelmäßigen Infoständen. Unterschriftenlisten waren dabei immer mit im Gepäck. Das Ziel war bereits damals die Abschaffung von Tierexperimenten über entsprechende Gesetze. Die Tierschutzgesetzgebung liegt in der Verantwortung der Bundesregierung. Deswegen war es auf Dauer unabdingbar, einen auf politischer Ebene agierenden Dachverband zu etablieren. Für die wenigen damals existierenden großen Tierschutzverbände war das Thema Tierversuche nur eines von vielen. Außerdem gab es mit diesen Dachverbänden keinen Konsens in der Ausrichtung der wissenschaftlichen Argumentation - ein neuer Dachverband musste her.


Geburtsstunde des Bundesverbandes

So kam es dann im Jahre 1982 unter Führung der mitgliederstarken Landesverbände zu den ersten Gründungsversammlungen des Bundesverbandes der Tierversuchsgegner. Der damaligen Politik- und Streitkultur Rechnung tragend war es ein langer Diskussionsprozess, bis man sich schließlich auf einen Namen und eine Satzung verständigt hatte. 1983 erfolgte die Eintragung in das Vereinsregister Bonn sowie die Akkreditierung in der Lobbyliste des Bundestages.

Die beiden Kernfragen, die in den Vereinen und dem entstehenden Bundesverband diskutiert wurden, waren die nach dem medizinischen Nutzen der Tierversuche und nach deren ethischer Zulässigkeit. Die Argumentation der Tierversuchsgegner konzentrierte sich besonders darauf, die mangelhafte Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen aufzuzeigen.


Das Kernthema immer im Fokus

Diese Kritik an den Tierversuchen wurde auch weiterverfolgt, als der Verband Anfang der 90er-Jahre den Tierrechtsgedanken in seine Satzung und Arbeit aufnahm. Bei der Namenserweiterung mit dem Zusatz Menschen für Tierrechte hatte es seitens einiger Mitgliedsvereine Ängste gegeben, dass die inhaltliche Erweiterung der Arbeit durch die Aufnahme des Tierrechtsgedankens zu Verlusten bei der Kernkompetenz des Verbandes führen könnte. Die Entwicklung der letzten Jahre beweist jedoch das Gegenteil. Die Abschaffung der Tierversuche ist nach wie vor das Schwerpunktthema unserer Arbeit, sowohl in der politischen Arbeit als auch im Rahmen der Mitarbeit in Gremien und Institutionen, in denen wir vertreten sind. Der Einsatz für die Anerkennung grundlegender Rechte für Tiere steht nicht im Widerspruch zu der wissenschaftlichen Arbeit gegen die Tierversuche. Im Gegenteil: Die ethische Unzulässigkeit von Tierversuchen, die sich aus der Anerkennung der Tierrechte ergibt, machte unsere Arbeit noch notwendiger.


Veränderungen fordern heraus

Nichts ist bekanntlich beständiger als die Veränderung, und so wird auch unser Bundesverband immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Erfreulicherweise werden die Forderungen von Tierschützern und Tierrechtlern, die noch vor Jahren belächelt wurden, heute von einem Großteil der Bevölkerung mitgetragen oder als selbstverständlich erachtet. Ganz deutlich sichtbar wird dies z. B. bei der vegetarischen Ernährung. Gleichzeitig ist aber die Bereitschaft zu einem aktiven Engagement nicht gestiegen. So beklagen immer mehr Vereine - nicht nur im Tierschutz - Mitgliederschwund und Nachwuchsprobleme. Etliche Mitgliedsvereine unseres Bundesverbandes haben sich sogar ganz aufgelöst. Auch spenden viele Menschen seit der Wirtschaftskrise weniger.


Wie geht es weiter?

Wie geht der Bundesverband damit um? Das ist keine starr zu beantwortende Frage, und unser Vorstand befindet sich in einem ständigen Gestaltungsprozess. So konzentrieren wir uns beispielsweise seit einiger Zeit nicht mehr auf Kampagnen für die Straße. Neben den virtuellen Protestformen konzentrieren wir uns mehr auf die Zielgruppen Politik und Wissenschaft. Dabei spielen neben den fachlichen Qualifikationen auch der Aufbau von Netzwerken und Kontakten eine große Rolle. Außerdem verfolgen wir unsere Ziele heute mit eigenen Projekten. Das heißt, wir protestieren und fordern nicht nur ein, sondern wirken aktiv an Lösungen mit. Beispiele dafür sind insbesondere unsere Projekte InVitroJobs und SATIS zur Förderung der tierversuchsfreien Forschung bzw. für eine humane Ausbildung ohne Tierverbrauch.

Um endlich eine wirkungsvolle rechtliche Besserstellung der Tiere zu erreichen, setzt sich der Bundesverband für die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage auf Landes- und Bundesebene ein. Das Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen ist eine zwingende Folge aus dem Staatsziel Tierschutz des Grundgesetzes und längst überfällig. Ihre Einführung steht in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in den Koalitionsverträgen. Nordrhein-Westfalen wird sie in Kürze einführen, der rot-grüne Gesetzentwurf kam nur wegen der vorgezogenen Landtagswahl nicht mehr zur Abstimmung. Auch in Hamburg hat sich der SPD-Senat pro Klagerecht ausgesprochen. Diese Entwicklungen sind auch ein Erfolg der politischen Arbeit unseres Bundesverbandes. Damit werden wir zukünftig über ein weiteres Instrument verfügen, um die Tierversuche langfristig abzuschaffen und die Rechte der Tiere voranzubringen.


Mithilfe nötig

Zwar haben sich Technik und Vorgehensweisen gewandelt -
Unterschriftenlisten sind beispielsweise weitgehend von
Online-Petitionen abgelöst worden -, dennoch:

Bei allem Tun sind wir weiter auf die Unterstützung aus der Bevölkerung angewiesen. Denn nur wenn diese unsere Ziele kennt und mitträgt, können wir in unserer Lobbyarbeit den erforderlichen Druck aufbauen, um die so dringend notwendigen Veränderungen für die Tiere durchzusetzen.

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Quelle:
tierrechte - Nr. 60/Juni 2012, S. 8-9
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
tierrechte erscheint viermal jährlich.
Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2012