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TIERVERSUCH/687: Bundesverband fordert Ethikkatalog (tierrechte)


tierrechte 1.16 - Nr. 74, März 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Bundesverband fordert Ethikkatalog


Bei der Beantragung von Tierversuchen sind die Behörden verpflichtet zu prüfen, ob die Anträge unerlässlich und ethisch vertretbar im Sinne des Tierschutzgesetzes sind. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn den Genehmigungsbehörden fehlt schlicht das notwendige Handwerkszeug, um diese Prüfung gesetzeskonform durchzuführen. Gäbe es objektive Beurteilungskriterien, wären viele Tierversuche in Zukunft nicht mehr genehmigungsfähig.


Die Entscheidung, ob die gesetzlich geforderte ethische Vertretbarkeit eines Tierexperiments tatsächlich gegeben ist, liegt derzeit im persönlichen Ermessen der Behörden und des Tierexperimentators - ein skandalöser, ja sogar rechtswidriger Zustand. Der Grund: Es fehlen objektive und standardisierte Beurteilungskriterien wie eine aktuelle und umfassende Datenbank, um festzustellen, ob beispielsweise tierversuchsfreie Methoden oder Verfahren mit weniger Tieren und weniger Tierleid existieren. Auch für die rechtlich geforderte Feststellung des 'Nutzens' eines Tierversuchs gibt es bisher keine Kriterien.


Nötig: objektive Beurteilungskriterien

Aus diesem Grund fordert der Bundesverband die Einführung eines Kriterienkatalogs zur Prüfung von Tierversuchsanträgen, der auch einen Ethikkatalog und aktuelle Datenbanken umfasst. Unsere in 2012 gestartete Petition 'Kompetenzzentrum statt Tierversuche', die mehr als 10.000 Personen unterzeichnet haben, fordert harte, reproduzierbare Beurteilungskriterien ein. Warum? Nur mit einem professionellen Katalog kann die rechtlich geforderte Schaden-Nutzen-Analyse eines Tierversuchsvorhabens nach objektiven und wissenschaftlich anerkannten Maßstäben durchgeführt werden. Gäbe es diese Beurteilungskriterien, wären viele Tierversuche in Zukunft nicht mehr genehmigungsfähig. Sie würden nicht nur dazu beitragen, dass die Genehmigungsbehörden das notwendige Handwerkszeug hätten, um diese Prüfung gesetzeskonform durchzuführen, sie würden auch das Ende der Tierversuche beschleunigen und die Anwendung tierversuchsfreier Methoden fördern.


Österreichische Verordnung versagt

Im Herbst 2015 veröffentlichte das österreichische Wissenschaftsministerium als erster EU-Staat eine Verordnung zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchsanträgen (TVKKV). Die großen Erwartungen an den Katalog wurden jedoch bitter enttäuscht. Es stellte sich heraus, dass die neue Verordnung überhaupt keine Daten und Fakten zur Ermittlung der gesetzlich geforderten ethischen Vertretbarkeit liefert. In seiner Stellungnahme stellte der Bundesverband fest, dass der Katalog als Grundlage zur ethischen Bewertung eines Tierversuchsvorhabens schlicht ungeeignet ist.


Schmidt kündigt Kriterienkatalog an

Bundesminister Christian Schmidt hatte im September vergangenen Jahres angekündigt, dass das neue Zentrum zum Schutz von Versuchstieren, das im Bundesinstitut für Risikobewertung angesiedelt ist, einen Ethik-Fragenkatalog entwickeln soll. Damit griff er die Forderung des Bundesverbandes zumindest teilweise auf. Nun kommt es darauf an, dass der zukünftige Kriterienkatalog auch einen professionellen und detaillierten Ethikkatalog beinhaltet. Deswegen kontaktierte der Bundesverband Schmidt kurz nach der Veröffentlichung der österreichischen Verordnung und forderte ihn auf, für Deutschland endlich einen aussagekräftigen Ethikkatalog zur Beurteilung von Tierversuchen zu erarbeiten. Über die Forderung hinaus, bot der Bundesverband an, sich aktiv an der Erstellung eines solchen Kataloges zu beteiligen.


Tierversuchsfreie Forschung:
Aktuelle Förderrichtlinie in Kraft

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat seine Förderrichtlinie 'Alternativmethoden zum Tierversuch' aktualisiert. Neu daran ist die Ausweitung der Förderungsmöglichkeit von Schulungen und Trainingskursen, um neue Methoden zum Ersatz oder zur Reduktion von Tierversuchen bekanntzumachen und zu verbreiten. Auch Strategien zur Umsetzung bereits entwickelter Methoden oder Verfahren können gefördert werden. Insgesamt stehen pro Jahr 5 Millionen Euro zur Verfügung. Unser Bundesverband begrüßt die neue Richtlinie als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Damit werden drei Säulen unseres Maßnahmenkatalogs für den Ausstieg aus dem Tierversuch berührt.

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Quelle:
tierrechte 1.16 - Nr. 74/März 2016, S. 16
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2016

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