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ATOM/1163: Atommüll ohne Ende - Ein Tagungsbericht (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 684-685 / 29. Jahrgang, 2. Juli 2015 - ISSN 0931-4288

Atommüll ohne Ende

von Thomas Dersee


"Bürgerbeteiligung bedeutet nicht die Beteiligung
an den Kosten, sondern an den Entscheidungen."

.ausgestrahlt


Ein Tagungsbericht

Für die einen war es der Kontrapunkt zu einer Veranstaltung der Atommüllkommission mit dem Schwerpunkt "Öffentlichkeitsbeteiligung", für andere die Fortsetzung der Tagungsreihe "Atommüll ohne Ende, Teil II". Mehr als 120 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich am 20. Juni 2015 im Tagungszentrum Pfefferberg in Berlin auf Einladung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) und der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt, um mit der vorherrschenden Atommüllpolitik der Bundesregierung und der Atommüllkommission beim Deutschen Bundestag scharf ins Gericht zu gehen.

Eröffnet wurde die Tagung "Atommüll ohne Ende" mit einer Tanztheater-Vorstellung des japanisch-englisch/simbabwischen Tänzers und Choreographen Kazuma Glen Motomura - bodypoet. Er begeisterte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit seiner Performance unter dem Titel "Between Lies and Harmony - Zwischen Lügen und Harmonie". Sie bezog sich auf den Umgang mit den Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima. [1] Lügen, Desinformation und Streben nach Harmonie sind aber auch ganz allgemein kennzeichnend für den Umgang mit dem Atommüll und dem Wirken von Wissenschaft und Politik im Atomzeitalter.

Ursula Schönberger [2] von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Schacht Konrad und Claudia Baitinger [3] vom Landesverband Nordrhein-Westfalen des Umweltverbandes BUND befeuerten die Debatte um fortgesetztes Schönreden, Aussitzen und Papierlösungen, wenn es um den Atommüll geht. Akribisch wurde von den Anti-Atom-Initiativen im Atommüllreport zusammengetragen, an welchen Orten Atommüll gelagert wird und welche Probleme es im Umgang mit dem Atommüll gibt. Jülich, Ahaus und Gronau waren einige der Stationen. Der neueste Papiertiger heißt "Nationales Entsorgungsprogramm".[4]

Auf dem Papier ist alles gelöst, faßte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke die Debatte zusammen. Die Rolle der Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände sei es aber immer noch, Detektivarbeit zu leisten und eine umfassende Atommülldebatte einzufordern.

In seinem Referat griff der frühere Berliner Umweltsenator Reinhard Ueberhorst [5] die parallel stattfindende Tagung der Atommüllkommission beim Deutschen Bundestag scharf an.

Die Voraussetzungen für eine demokratische Atommüllpolitik seien verspielt worden. Formaldemokratische Prozesse wie das Standortauswahlgesetz und die Einrichtung der Atommüllkommission reichten angesichts der Tragweite der Frage, wie die Gesellschaft mit dem Atommüll umgehen will, nicht aus. "Es bedarf anderer Methoden, einer Weiterentwicklung der Demokratie." Eine mehrjährige Willensbildung und aufgeklärte Diskussion aller gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen müsse der Partizipation vorausgehen. Ein korporatistisches Modell, wie es die Atommüllkommission repräsentiert, reiche nicht aus. Das schnelle Gesetz ohne die vorgeschalteten Verständigungsprozesse trage dazu bei, daß kein Vertrauen in die angeblich neue Endlagersuche entstehen kann.

Die Chance, den Weg für eine demokratische Willensbildung frei zu machen, habe aber auch die Kommission selbst verspielt, führte Ueberhorst weiter aus. Die anfänglichen Bekundungen, das schlechte Gesetz zu evaluieren, wurden aufgegeben. "Das Gesetz bekam Macht über die Kommission, es wird nur noch der Arbeitsauftrag abgearbeitet und damit ist jedes Vertrauen weggebrochen." Gleichzeitig aber gebe sich die Kommission den Anstrich, offen zu sein und befasse sich mit Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Dabei werde ein unglaublicher Budenzauber veranstaltet, der Staubsauger-Effekte haben soll: Die Kritikerinnen und Kritiker sollen vereinnahmt, eingebunden und befriedet werden.

In der Arbeitsgruppe "Endlagerkriterien" der Bundestagskommission werde die Entscheidung vorbereitet. Die Akteure hätten sich längst auf die Einrichtung eines tiefengeologischen Endlagers festgelegt. Zwar werde behauptet, ein Abrücken, ein Umschwenken, ein Rücksprung seien möglich, aber ernsthaft in Erwägung gezogen werden könne das nicht. "Dadurch ist die Entscheidung längst getroffen: es wird auf ein Bergwerk und Salz und damit Gorleben hinauslaufen," meint Ueberhorst. Ein enges Zeitfenster, das für die Kommissionsarbeit bleibe, werde immer wieder als Argument vorgeschoben, alternative und weitergehende Überlegungen auszublenden. Das sei "sehr dramatisch", sagte Ueberhorst. Denn der Zusammenhang, die Vernetzung von Politik und Wissenschaft brauche Zeit. Schließlich gehe es hier um Stoffe, die für Hunderttausende von Jahren gefährlich sind.

"Die Brandstifter initiieren eine Befriedungsveranstaltung", "simulieren eine gesellschaftliche Verständigung", schaffen ein "System zur Entsolidarisierung" und die Bürgerbeteiligung werde thematisch verengt, erklärte Ueberhorst. Dagegen müsse zunächst die Vergangenheit vorbehaltlos aufgearbeitet werden, die wirklichen Alternativen behandelt und kreativ entwickelt werden. Werte- und Zielstudien seien notwendig, denn etwa zur Frage der Sicherheit gebe es nun einmal unterschiedliche Vorstellungen, die keinem Schwarz-Weiß-Schema gehorchen. Es existiere "keine bestmögliche Sicherheit", sondern es sei die Frage zu klären, welche Risiken akzeptabel und hinzunehmen sind. Um dafür Zeit zu schaffen sei eine 100 bis 150 Jahre dauernde Phase der Zwischenlagerung nötig. Der Fokus verschiebt sich damit von der Endlagerung auf die Zwischenlager, die zu "Endlagern" werden.

Die Hamburger Mediatorin und Rechtsanwältin Ulrike Donat [6], ältere Schwester des BI-Vorsitzenden Martin Donat, titelte ihren Vortrag: "Wer nicht aufräumt, kann nicht (neu) anfangen - Bürgerbeteiligung geht nur mit Vergangenheitsbewältigung". Das betreffe nicht nur die Tricksereien und Lügen, die es zu den Salzstöcken Asse bei Salzgitter, in Gorleben und an anderen Orten gab, sondern auch die Kriminalisierung der Anti-Atom-Aktivisten. Die Fehler der Vergangenheit reichten in die Gegenwart hinein: "Der Streit um Gorleben ist nicht Vergangenheit, der Müll in den Zwischenlagern ist nicht Vergangenheit. Die drängenden Sicherheitsprobleme sind Gegenwart." Ulrike Donat forderte eine "Wahrheitskommission", denn "Fehler müssen anerkannt, Unrecht muss benannt werden. Verursacher müssen Verantwortung übernehmen. Die Rolle der Politik, die Rolle der Energieversorungsunternehmen, die Rolle der Großforschungsinstitute und der Bundeseinrichtungen gehören auf den Prüfstand. Die Atomgeschichte ist reich an Lügen, Machtmissbrauch und Skandalen. Ohne 'Aufräumen' gibt es keine Gemeinsamkeiten, die Gesellschaft bliebe gespalten, die alten Fehler dürfen nicht legitimiert werden." Unrecht müsse benannt, Verursacher müssten die Verantwortung übernehmen.

Schüler berichten von der Veranstaltung der Atommüll-Kommission

"Nicht locker", "oberflächlich", "lauter Anzugträger, Wissenschaftler, Professoren, Politiker, Vertreter von Atomfirmen" - so charakterisierte eine Gruppe Schüler aus Lüchow die parallel zur Tagung der Bürgerinitiativen stattfindende Veranstaltung der Atommüll-Kommission des Deutschen Bundestages. Die Schüler waren über ihre Landeskirche zur Teilnahme an der Veranstaltung der Atommüll-Kommission eingeladen worden und berichteten anschließend den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung der Bürgerinitiativen von ihren Erlebnissen. Die Teilnehmer an der Kommissions-Veranstaltung seien in Arbeitsgruppen aufgeteilt worden und "jeder sollte seine eigene Meinung vertreten, nicht die seines Konzerns". Es habe "aber keine wirklich offene Diskussion" stattgefunden. Man habe zwar "Fragen stellen können, O.K., dann aber wurde nicht richtig geantwortet, sondern einfach weitergemacht und nicht diskutiert". Die Gespräche seien vielfach "inhaltsleer" gewesen, man habe "um den heißen Brei herumgeredet". Sie seien vor den Experten auch eingeschüchtert gewesen und mit Worten konfrontiert worden, die sie "noch nie gehört hatten". "Unsere Altersgruppe wurde zu Werbezwecken mißbraucht", befanden die Schüler aus Lüchow zusammenfassend. Sie seien die einzigen gewesen und deshalb hätten sich die Filmleute geradezu auf sie gestürzt. Vorher hätten sie unterschreiben müssen, daß sie mit der weiteren Verwendung der Aufnahmen einverstanden seien.

Was demokratische Atommüllpolitik wäre

Nur 20 Prozent seines Textes habe er in der ihm vorgegebenen Zeit vortragen können, scherzte Reinhard Überhorst auf der Atommüll-Tagung der Bürger- und Anti-Atom-Initiativen. Deshalb sei hier ergänzend aus seiner kritischen Analyse "Demokratische Atommüllpolitik, was wäre das?" vom Januar 2015 zitiert.[7] Darin erinnert Ueberhorst an die Tatsache, daß alle großen atompolitischen Entscheidungen, beginnend 1959 mit dem Atomgesetz und danach unter anderem zum Bau vieler Leichtwasserreaktoren, zum geplanten Nuklearen Entsorgungszentrum (NEZ) in Gorleben mit der weltweit größten Wiederaufarbeitungsfabrik oder zum Projekt des Schnellen Brüters in Kalkar, von großen Politiker-Politik-Mehrheiten beschlossen und aus den Großforschungszentren der Wissenschaft unterstützt wurden. Alle diese sehr langfristig gemeinten, mit großen Mehrheiten getroffenen atompolitischen Entscheidungen sind später zurückgenommen worden. Daher stelle sich nun auch die Frage, ob das Standortauswahlgesetz (StandAG) Bestand haben wird. Und wird mit seiner Konzeption ein "nationaler Konsens" erreicht werden können?

Die Expertokratie ist prinzipiell unfähig zur Interpretation der Wirklichkeit, wenn es um Herausforderungen geht, die anders strukturiert sind als ihre Expertise. Sie kann in der Wirklichkeit keine wichtigen Fragen entdecken, die sie nicht selber beantwortet.

Ueberhorsts Fragestellung, was eine demokratische Atommüllpolitik wäre, steht für die Einsicht, daß ein weithin postulierter Konsens im zukünftigen Umgang mit den hoch radioaktiven Abfällen nicht erreichbar ist, wenn der Prozess der Entwicklung dieser Atommüllpolitik nicht den gebotenen Gütekriterien gerecht wird. Über diese Gütekriterien müsste weithin Konsens bestehen oder ein solcher angestrebt werden. Wir können aber nicht sicher sein, daß das Verständigungsziel mit diesem StandAG und seiner Strukturierung von Beratungs- und Entscheidungsprozessen ernsthaft und methodisch richtig angestrebt wird, erklärt Ueberhorst. Denn es gebe unterschiedliche Antworten auf die Frage, was demokratische Atommüllpolitik wäre. Diese unterschiedlichen Antworten dürften allerdings auch nicht beliebig sein, daher brauchen wir ein Verständnis der essenziellen Prinzipien ihrer Gestaltung, die uns sagen, worum es uns gehen sollte und welche Leistungsziele uns leiten sollten. Wie stehe es also um die Rationalität und demokratische Qualität der Prozesse, mit denen etwa die angestrebten Prüfungsprozesse und Bauprojekte vor Ort beanspruchen, gut begründet werden zu können? Dann werde jede Argumentation - so Ueberhorsts These - einbrechen, die als bewusste Verletzung der essenziellen Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik erkannt wird.

Ueberhorst weist darauf hin, daß auch der vormalige Arbeitskreis Endlagersuche (AK End) zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung und andere sich an bestimmten Vorgaben oder eingrenzenden Vorabfestlegungen orientiert und lediglich den tiefengeologischen Ansatz reflektiert haben. Und die derzeitige Entsorgungskommission (ESK) vertrete die These und argumentiere, daß "die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen (...) unter den derzeitigen Entsorgungsmöglichkeiten die zuverlässigste Lösung für die Entsorgung langlebiger radioaktiver Abfälle (sei), um die Sicherheit zukünftiger Generationen vor den radioaktiven Abfällen für die geforderten Zeiträume von bis zu einer Million Jahre nachzuweisen." Dies seien aber (so gut die Arbeiten gemäß ihren eigenen Fragestellungen auch waren) keine Versuche, das ganze Feld der atommüllpolitischen Optionen zu erfassen und für politische Verständigungsprozesse aufzubereiten.

Dies, so Ueberhorst, werde seit 2013 in Ansätzen erstmals in dem Forschungsverbund ENTRIA angestrebt, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung parallel zum StandAG und zur Atommüllkommission des Deutschen Bundestages initiiert wurde und finanziert wird. In diesem interdisziplinären Forschungsverbund werden "zunächst" (sic!) drei Entsorgungsoptionen betrachtet: die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen ohne Vorkehrungen zur Rückholbarkeit ("Wartungsfreie Tiefenlagerung"), die "Einlagerung in tiefen geologischen Formationen mit Vorkehrungen zur Überwachung und Rückholbarkeit und die Oberflächenlagerung".

Dazu muß allerdings hier angemerkt werden, daß auch diese etwas weitergehende Betrachtungsweise ihr Augenmerk immer noch auf lediglich rund fünf Prozent der Atommüllmengen richtet. Die restlichen 95 Prozent der radioaktiven Abfälle, die aus dem Abriß und Rückbau der Atommeiler anfallen, bleiben unbeachtet, werden aber heute bereits in großem Stil in konventionelle Abfälle umdefiniert und mittels großzügiger Freigaberegelungen unkontrolliert in unserer Lebensumwelt verbreitet.

Es sind also Fragen zu klären wie: Warum und wie verständigen wir uns zu politischen Verständigungsaufgaben, die dann als solche, anders als andere politische Herausforderungen, einem verständigungsorientierten Prozess zugeführt werden? Welche politischen Handlungsoptionen haben wir? An welchen Werten wollen wir uns orientieren, wenn wir die vorzugswürdige Vorgehensweise ermitteln? Wie erklären wir uns unsere Dissense, die wir auch dann haben, wenn wir aus ethischen und/oder praktischen Gründen eine breit getragene längerfristige Verständigung anstreben? Welche gesellschaftlichen Verständigungsaufgaben sind zu klären, um eine längerfristige breit getragene Vorgehensweise entwickeln zu können? Wo und wie könnten wir diese Verständigungen optimal kommunizieren? Wie nutzen wir das mit diesen Fragen entwickelte Wissen in gelingenden gesellschaftlichen Verständigungsprozessen mit hinreichend viel Zeit an unzähligen Orten? Wie kann das Parlament seine Entscheidungen so anlegen, daß sie als gute Aufnahme der Ergebnisse gesellschaftlicher Verständigungsprozesse bewertet werden können?

Um etwa Alternativen bewerten zu können, bedarf es gemeinsamer Kriterien. Entscheidungsorientierende Kriterien müssen widerspruchsfrei zu validem wissenschaftlichem Wissen sein und zugleich normative Elemente enthalten, mit denen die uns immer begleitenden Fragen beantwortet werden, merkt Ueberhorst dazu an: Wie sicher ist sicher genug? Welche Risiken sind im Unterschied zu anderen akzeptabel? Wie denken wir die Akzeptabilität von Risiken? Welchen sicherheitsphilosophischen Verständigungsprozess haben wir erfolgreich durchgeführt? Wie gut müssen wir die Risiken kennen und gesellschaftlich vermittelt und kommuniziert haben, um zu demokratisch legitimierten Entscheidungen zu vorzugswürdigen Kriterien kommen zu können?

Dies sind acht prozessual aufeinander zu beziehende Aufgabenräume, die uns in unserer Betrachtung immer herausfordern, weil wir uns mit jedem Gedanken immer in einem dieser Räume befinden, erklärt Ueberhorst. Diese "Großen Verständigungsaufgaben" seien nur durch ein neues kooperatives Leistungsniveau und die Erschließung diskursiver Politikpotenziale zu erreichen. Für die Anlage politischer Prozesse gewinnen wir damit laut Ueberhorst drei essenzielle Einsichten:

• Wir brauchen eine neue Form der Kooperation zwischen wissenschaftlich und normativ orientierten Akteuren, weil die Fragen in den skizzierten Aufgabenräumen nicht durch Wissenschaftler beantwortet werden können, ohne Wissenschaftler aber auch nicht gut gefunden, aufbereitet und beantwortet werden. Für alle Akteure im Umgang mit diesen Fragen komme damit die Bedeutung nicht beliebiger kooperativer Leistungsziele und ihrer freiwilligen Anerkennung und kreativen Interpretation ins Bild. Ob Konsense oder breite Verständigungserfolge möglich sind, hängt davon ab, ob ein konsensstiftendes Prinzip gefunden werden kann.

• In Kontroversen über komplexe systemare Alternativen wird regelmäßig immer wieder aus verschiedenen Logiken, Rationalitäten und Bezugssystemen heraus argumentiert. Wenn trotzdem Verständigungserfolge erzielt werden sollen, bedarf es gemeinsamer Werte und Kriterien. Es geht immer wieder um Verständigungsaufgaben, die stets nur durch normative Voten beantwortet werden können. Und normative Voten sind in der Demokratie gesellschaftliche demokratische Entscheidungen.

• Mit den skizzierten Aufgabenräumen und ihrer Bearbeitung - so sie erreicht wird - entfaltet sich Macht ganz anders, als wir sie für Prozesse sehen, in denen Durchsetzung gegen andere gesucht wird. Da definieren wir Macht als die Fähigkeit, sich mit seinen Vorstellungen gegen andere auch gegen deren Widerstand durchsetzen zu können, ohne lernen und ohne sich verständigen zu müssen. Eine solche politische Macht sei entweder autoritär und undemokratisch oder in Demokratien nur handlungsfähig für kleinere Aufgaben, bei denen es nicht auf größere Mehrheiten ankommt.

Im Kontext unseres Aufgabentyps sei es genau umgekehrt: Macht und Durchsetzungsstärke erwüchsen hier aus der Fähigkeit, kooperativ lernen, kooperative Lernprozesse befördern und mehr gemeinsame Macht im Sinne eines politischen Gestaltungs- und Handlungsvermögens durch Kooperation erreichen zu können, ist Ueberhorst überzeugt.

Die Frage einer demokratischen Atompolitik hat uns seit der Zeit begleitet, in der zuerst wenige, dann immer mehr Bürgerinnen und Bürger und auch vereinzelt Abgeordnete verstanden, daß es in der Kernenergieentwicklung und der sogenannten Entsorgung der mit der Kernenergienutzung produzierten radioaktiven Abfälle um ein bestmögliches Vorgehen ging, das nicht durch Experten festzulegen ist, führt Ueberhorst weiter aus. Es gebe aber keinen Hebel, um von einem Tag auf den anderen von Expertokratie auf Demokratie umzuschalten, und vor allem auch kein Konzept. Die "Politik" habe scheitern müssen, die die Kernenergieentwicklung als reine Angelegenheit von Experten zu präsentieren versuchte. Die Expertokratie sei prinzipiell unfähig zur Interpretation der Wirklichkeit, wenn es um Herausforderungen geht, die anders strukturiert sind als ihre Expertise. Sie könne in der Wirklichkeit keine wichtigen Fragen entdecken, die sie nicht selber beantworte. Sie könne auch kein Bild von Herausforderungen entwickeln, welche demokratisch zu klären wären. Das führe dazu, dass sie sprachlos wird, wenn Bürger schlichte Fragen stellen.

Mit einer demokratischen Atommüllpolitik gehe es dagegen darum, die gesellschaftlichen Verständigungsaufgaben herauszuarbeiten, die gesellschaftlich geklärt werden müssen, wenn es möglich sein soll, eine breite gesellschaftliche Verständigung oder im Jargon der StandAG-Politiker einen "nationalen Konsens" zu erreichen. Es gehe darum, breite, informierte, gesellschaftliche Diskussionsprozesse durchzuführen, um Verständigungserfolge zu erzielen. Mit den Ergebnissen dieser gesellschaftlichen Diskussionsprozesse seien dann politische Entscheidungen über den Weg des Umgangs mit dem hoch radioaktiven Atommüll und dessen handlungsleitende Kriterien festzulegen, so Ueberhorst.

Ueberhorst formuliert als Maximen essenzieller Prinzipien: Keine (parlamentarischen oder plebiszitären) Entscheidungen ohne vorher beförderte und gut ausgewertete gesellschaftliche Diskurse. Keine gesellschaftlichen Diskurse ohne intensive Vorbereitung im Sinne der Vermittlung von Fragestellungen, Themen, Optionen, Werte- und Dissenswissen sowie Verständigungsaufgaben. Prioritäre Anstrengungen zur Interpretation der Herausforderungen und zur Ermittlung gesellschaftlicher Bewertungs- und Verständigungsaufgaben und optimaler Voraussetzungen, diese Aufgaben einer Klärung durch kommunikative Prozesse zuzuführen.

Ueberhorst stellt fest, daß das StandAG und die Atommüllkommission diesen Erfordernissen nicht genügen. Das Gesetz vermittele mit seinen zeitlichen Befristungen für eine kurze Kommissionsphase und vor allem mit seiner dominanten Orientierung an der Standortsuche (nicht nur im Namen, sondern in dem durchstrukturierten Verfahren, mit dem so schnell wie möglich ein tiefengeologisches Endlager erreicht werden soll) einerseits eine ganz klare Vorabfestlegung auf die tiefengeologische Endlagerungsdenkweise. Es sieht mit der der Kommission eingeräumten Zeit bis 2016 einen Zeitraum für die politische Phase vor, in dem das Prozessmodell einer demokratischen Atommüllpolitik nicht realisiert werden könnte. Mit dieser Sicht müsse konstatiert werden, daß der Gesetzgeber es für möglich hielt, das StandAG als Standortsuchkonzept für ein tiefengeologisches Endlager durchzubuchstabieren, ohne über die Kenntnisse verfügen zu können, die aus einem Prozess im Sinne einer demokratischen Atommüllpolitik erwachsen. Darüber hinaus glaubte der Gesetzgeber für sich auch noch die Vermutung beanspruchen zu können, nur korrekturbedürftig zu sein, wenn eine Zweidrittelmehrheit in der Kommission entsprechende Empfehlungen ausspräche und diese vom Deutschen Bundestag übernommen würden. Alles so, als wenn das vorgelegte Gesetz einen Nachweis der Angemessenheit seiner Regelung enthielte - ja auch nur enthalten könnte. Das könne nicht der Fall sein, weil es bis 2013 erarbeitet wurde und damit ohne das bestenfalls in diesem Jahrzehnt erarbeitete Alternativenwissen und den dazu geführten gesellschaftlichen Diskurs, dessen Ergebnisse ein demokratischer Gesetzgeber sollte aufnehmen wollen.

Wenn die Kommission der Hauptlinie des Gesetzes folgte, würde sie 2015/2016 vorgeben zu wissen und empfehlen zu können, welche Alternativen den Set der Optionen bilden, aus denen atommüllpolitisch auszuwählen ist, wann und daß das Wissen hinreichend ist, um eine konstruierte Verzweigungssituation als entscheidungsreif zu verstehen, und welche Entsorgungsoption vorzugswürdig ist. Immer eng bezogen auf Varianten für ein tiefengeologisches Endlager, sollen doch nach dem StandAG als Empfehlung für ein Standortauswahlverfahren Vorschläge für "die Ausschlusskriterien, die Mindestanforderungen, die Abwägungskriterien und die weiteren Entscheidungsgrundlagen" erarbeitet werden, die dann "vom Deutschen Bundestag beschlossen" werden sollen.

Andererseits enthält das Gesetz aber auch eine Reihe von Aufträgen, die für sich gesehen den Anschein erwecken, es sollte alles noch einmal grundsätzlich bedacht und überprüft werden, merkt Ueberhorst an. Dies freilich in einem zeitlichen Rahmen, der aus der Hauptlinie abgeleitet ist. In der Folge ist die Kommission gezwungen zu entscheiden, wie stark sie der Hauptlinie folgt und anderes nur so weit bearbeitet oder als Aufgabe anerkennt, wie das die termingerechte Bearbeitung der Hauptlinie nicht konterkariert. Oder wie ernst sie sich auf die Grundsatzfragen einlässt und diese so angeht, daß an ihrer verantwortungsbewussten Bearbeitung kein Zweifel aufkommen kann.

Mit Hinweis auf diese Möglichkeiten ist Ueberhorst von Stefan Wenzel, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Umweltminister in Niedersachsen, einem der Väter der Konzeption dieses Gesetzes und Mitglied der Kommission, darauf hingewiesen worden, daß aus der Kommissionsarbeit durchaus auch ein Ergebnis im Sinne der von Ueberhorst entwickelten Phasen einer demokratischen Atommüllpolitik herauskommen könne.

Ein Drehbuch der Atommüllkommission zur Simulation gesellschaftlicher Verständigung

Die Vorstellung, daß mit dem StandAG als Alternative zur gesellschaftlichen Verständigung die Simulation einer solchen in einer Kommission angestrebt würde, war in den kontroversen Diskussionen zu diesem Gesetz bislang jedoch nur eine analytische Hypothese, stellt Ueberhorst fest. Mit dem am 3. Dezember 2014 von den Kommissionsmitgliedern Bischof Meister und Rechtsanwalt Gaßner als Vorsitzenden der Arbeitsgruppe (AG) 1 der Kommission vorgelegten Konzept für die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit ihrer Kommission liegt nun tatsächlich ein Drehbuch [8] für eine lediglich simulierte gesellschaftliche Verständigung in der Atommüll-Kommission als Alternative zur gesellschaftlichen Verständigung in einer demokratischen Atommüllpolitik vor. Das Drehbuch beschreibt präzise, wie die Verfasser das Ziel einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung mit einer Kommission über eine "Öffentlichkeitsbeteiligung durch Mitentscheidung" erreichen wollen. Dieses Drehbuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung enthalte aus der Sicht essenzieller Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik eine Reihe von Denkfehlern, realitätsferne oder normativ inakzeptable Vorstellungen.

Der Bischof und der Rechtsanwalt denken mit ihrem Drehbuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung lediglich schlicht vom Ende des der Kommission vorgegebenen Berichtsabgabetermins her, nicht aber vom angestrebten Ende gut durchgeführter und deshalb abgeschlossener Arbeitsprozesse zur Entwicklung einer demokratischen Atommüllpolitik, kritisiert Ueberhorst. Statt wie im Modell einer demokratischen Atommüllpolitik eine kooperative Zielfindung in einer über alternative Möglichkeiten aufgeklärten Gesellschaft anzustreben, was seine Zeit bräuchte, werde im Simulationsmodell für den schnellen Konsens einfach ein fiktiver Zielkonsens vorausgesetzt - explizit "die geteilte Zielvorstellung eines erfolgreichen Standortauswahlverfahrens". Einen fiktiven Zielkonsens anzunehmen oder zu postulieren, um grundsätzliche Alternativen nicht genauer ermitteln, erfassen, vermitteln und argumentativ klären zu müssen, sei im Politikbetrieb zwar nicht unüblich. Geschickt angelegt könne das Erfolge in Themenräumen zeitigen, in denen sich taktische Raffinesse entfalten darf. Wenn es aber um ein Thema für einen "nationalen Konsens" geht, sei eine solche Vorgehensweise schlicht unklug oder ein Zeichen dafür, daß die Konsensmaxime nicht ernsthaft gemeint ist.

Der angebliche Zielkonsens wird von den Kommissions-Autoren in einem Unterabschnitt zu "Aktivitäten kritischer Öffentlichkeit" formuliert. Die Begrifflichkeit "kritische Öffentlichkeit" ist befremdend, als wenn es auch eine unkritische Öffentlichkeit gebe oder als wenn hier eine kritische Öffentlichkeit von einer unkritischen Kommission anzusprechen wäre, bemängelt Ueberhorst. Für die Drehbuchautoren stehe dieser Begriff für "die Gruppen und Verbände (...), die sich einer Beteiligung an der Kommissionsarbeit verschlossen haben". Für diese Gruppe werde in dieser Drucksache wohl zu Recht festgestellt, daß "diese kritische Öffentlichkeit (...) damit aber nicht enden (werde), ihre Stimme zu erheben". Die Unterstellung oder Forderung eines Zielkonsenses gegenüber anderen, die man als Kritiker der eigenen Position und Denkweise sieht, sei eine beliebte Methode, entweder um diesen Zielkonsens zu erreichen oder um diese in der Zeit, in der so etwas gemacht wird, herauszulocken, dann doch bitte zu sagen, für welche Position sie seien. Das ist im Kontext der Atommüllpolitik aus Sicht der Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik eine Provokation. Es sei eine Einladung, in die Arena der positionellen Politik derer zu kommen, die sich verfrüht auf eine Position festgelegt haben. Auch dieser Zwang sei dem gewollten Zeitkorsett geschuldet, welches keinen Raum für eine wohl vorbereitete breite gesellschaftliche Debatte lässt und diese offensichtlich auch nicht erreichen will. Die Einladung zur Kontroverse über kontroverse Positionen ist exakt das Gegenteil von der Maxime, gesellschaftliche Verständigungsprozesse anzustreben, um Verständigungserfolge zu erreichen.

Als Alternative zur "politischen Willensbildung des Volkes", wie sie unser Grundgesetz anerkennt, wird durch das Drehbuch eine "Öffentlichkeitsbeteiligung durch Mitentscheidung" an einer Kommissionsarbeit angeboten, rügt Ueberhorst. Die Idee der Meinungserarbeitungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger und der gesellschaftlichen Willensbildung sei dieser Denkweise der simulierten gesellschaftlichen Verständigung aber fremd. Die gesellschaftliche Willensbildung sei hierarchiefrei und buhle nicht um Einflüsse in einer Zentralkommission.

Für das Werteverständnis, das einer Orientierung an gesellschaftlichen Verständigungsprozessen zugrunde liegt, ist die im Drehbuch wörtlich postulierte "Ausrichtung auf Zustimmung" eine Zumutung, für die angestrebte simulierte Verständigung allerdings ein Erfordernis, erläutert Ueberhorst. Denn am Ende der simulierten gesellschaftlichen Verständigung solle ja ein konsensfähiges Werk, ein Bericht mit dem Etikett "Konsens von Kommission und Öffentlichkeit" präsentiert werden. Da müsse alles zur Zustimmung werden. Zustimmungsmanagement statt aufgeklärter Bürgerdiskurse mit offenem Ausgang, das sei die Alternative, die sich hier auftut und damit erneut die Diskrepanz zur demokratischen Atommüllpolitik.

Ausgerechnet die Studie des AkEnd, die nach Vorgaben des Bundesumweltministeriums sehr eng geführt war und Alternativen ausblendete (betrachtet wurde ausschließlich die Option, radioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen in Deutschland endzulagern), soll laut Meister und Gaßner als ein Werk gelten, das "zu breit getragenen Ergebnissen geführt (hat)". Auch dies kann nur als ein naiv taktisches Manöver oder als eine profunde Unkenntnis der Wahrnehmung dieses Studienwerks im Lichte essenzieller Prinzipien einer rationalen demokratischen Atommüllpolitik betrachtet werden, kritisiert Ueberhorst.

Völlig verkannt werde das Interesse der Öffentlichkeit, an dem Vorhaben mitzuentscheiden, das in diesem Drehbuch als das zentrale Werk betrachtet wird, um das es geht. "Das Recht der Öffentlichkeit im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung über das Vorhaben mitzuentscheiden, dürfte von vielen auf den ersten Blick als zu weitreichend eingeordnet werden.", heißt es in dem Drehbuch. "Warum das?", fragt Ueberhorst. Als wenn es ein Streben der Bürgerinnen und Bürger sein könnte, sich an einem verfrühten Bericht zu falschen Fragen mit nicht möglichen Antworten zu beteiligen. Warum sollte man das wollen? Und warum sollte etwas, was man gar nicht gut wollen kann, gleichzeitig als zu weitreichend eingeordnet werden? So wie das Drehbuch den Bericht im Prozess der Entwicklung von Empfehlungen auf dem Weg zu einer tiefengeologischen Lagerung beschreibt, gehe das Beteiligungsansinnen komplett an den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger vorbei, die an Prozessen einer demokratischen Atommüllpolitik mitwirken wollen.

Das Drehbuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung des Bischofs Meister und des Rechtsanwalts Gaßner ist ein klares Alternativmodell zu den essenziellen Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik, stellt Ueberhorst fest. Der kürzeste Weg zu einem "nationalen Konsens", wie ihn der Gesetzgeber anstrebt, sei dagegen der Umweg über qualifiziert vorbereitete, beförderte und begleitete gesellschaftliche Verständigungsprozesse und ihre ergebnisorientierte Auswertung durch verantwortungsbewusste Parlamentarier und nicht eine vermeintliche Abkürzung des Verständigungsprozesses über eine Simulation derselben in einer Kommission innerhalb weniger Quartale. Wer der Bevölkerung 2015/16 sagen wolle, welche Ergebnisse eine Simulation ihrer Reflexions- und Beratungsprozesse gehabt haben sollte und was sich die Bürgerinnen und Bürger - weil es ja stellvertretend für sie geleistet wurde - zu eigen machen sollten, der sollte mit der Möglichkeit rechnen, daß Bürgerinnen und Bürger sagen: Unsere Willensbildung könnt ihr uns nicht nehmen und zur gesellschaftlichen Willensbildung gehört "unser Recht auf unsere Meinungserarbeitungsfreiheit". Es sei kein Zufall, daß in diesem Konzept auch nicht der Anschein erweckt wird aufzuzeigen, welchen Umgang mit Wissen über Alternativen sie sich vorstellen, um ihr Berichtsvorhaben an einer Terminvorgabe zu orientieren, die ihrerseits ohne Reflexion einer gesellschaftlichen Willensbildung zu Alternativen erfolgte.

In eben demselben StandAG, das 2015/16 Kriterien für eine Standortauswahl für ein tiefengeologisches Lager vorgelegt sehen will, soll auch die Fragestellung nach Alternativen einer Bearbeitung zugeführt werden.

Ueberhorst faßt zusammen: Wenn die Kommissionsarbeit als Versuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung im Sinne der Konzeption von Meister und Gaßner durchgeführt würde, würde sie essenzielle Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik verletzen. Für die gebotene demokratische Atommüllpolitik wäre das der worst case. Das Modell der Öffentlichkeitsbeteiligung mit Zustimmungsmanagement für den Versuch einer simulierten gesellschaftlichen Verständigung durch eine Kommission und ihren Bericht, der dann auch als Bericht der Öffentlichkeit ausgegeben werden kann und soll, kollidiere mit allen essenziellen Prinzipien einer demokratischen Atommüllpolitik. Das Risiko, daß mit diesem worst case eine schlecht durchdachte und schlecht entwickelte Atommüllpolitik real umgesetzt würde, sehe ich nicht, erklärt Ueberhorst. Es sei mehr als minimal, denn es sei kaum vorstellbar, daß irgendeine über- oder untertägige Vorgehensweise vor Ort - wo auch immer - und überörtlich Akzeptanz fände, wenn sie sich zu ihrer Legitimation auf eine solche Vorarbeit für eine Bundestagsentscheidung und eine daran orientierte anschließende Arbeit von Ämtern beriefe. Der Versuch würde seine Untauglichkeit schnell erfahren, wahrscheinlich schon in wenigen Jahren. Für viele Jahre aber würde ein solcher Versuch einen nachhaltigen Vertrauensschaden bei denen anrichten, die sich einen Neuanfang einer demokratischen Atommüllpolitik vorstellen wollten.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Kazuma Glen Motomura - bodypoet in der Eröffnungsszene seiner Performance "Between Lies and Harmony - Zwischen Lügen und Harmonie" am 20. Juni 2015 auf der Tagung "Atommüll ohne Ende" der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und .ausgestrahlt in Berlin. bodypoet@gmail.com Foto: Ben Wrangel


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter

http://www.strahlentelex.de/Stx_15_684-685_S01-06.pdf


Fußnoten:

[1] Vier Jahre nach der Katastrophe von Fukushima fließen täglich weiterhin Tonnen radioaktiv verseuchten Wassers in den Pazifik, behauptet der japanische Ministerpräsident, es sei "alles unter Kontrolle" und Japan scheint sich mehr um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2020 zu kümmern als um die Kinder in den Schulen in den Gebieten mit hoher Strahlenbelastung. Offiziel le wissenschaftliche Regierungsberater erklärten den Bewohnern in Fukushima, "wenn Sie mehr lächeln, hat Strahlung keinen Einfluss auf Sie". Zwischen den Lügen spricht der Körper mit einer anderen Wahrheit.
Siehe u.a. auch die Performance von Kazuma Glen Motomura - bodypoet "Theory of evolution version post 3.11 (I love Fukushima)"
unter https://www.youtube.com/watch? v=YA0QngvuwQE

[2] Ursula Schönberger: Atommüllpolitik aktuell,
www.bi-luechow-dannenberg.de/wp-content/uploads/2015/06/Berlin-20-06-2015.pdf

[3] Claudia Baitinger: Aktuelle Erfahrungen mit der Atommüll-Politik im AKW freien Nordrhein-Westfalen,
www.bi-luechow-dannenberg.de/wp-content/uploads/2015/06/Vortrag-CB-20.6.2015.pdf

[4] Kritische Stellungnahme zum Nationalen Entsorgungsprogramm der Bundesregierung,
www.strahlentelex.de/Stx_15_682-683_S05-12.pdf

[5] Reinhard Ueberhorst war 1979/ 80 Vorsitzender der ersten energiepolitischen Enquete-Kommission. Diese Kommission des Deutschen Bundestages hatte damals erstmals aufgezeigt, daß Atomenergie für eine sichere Stromversorgung nicht notwendig wäre. Sie wurde deshalb anschließend von der Politik ignoriert.

[6] Ulrike Donat: Wer nicht aufräumt, kann nicht (neu) anfangen - Bürgerbeteiligung geht nur mit Vergangenheitsbewältigung,
http://www.bi-luechow-dannenberg.de/wp-content/uploads/2015/06/19062015-wer-nicht-aufräumt.docx

[7] Reinhard Ueberhorst: Demokratische Atommüllpolitik, was wäre das? in Plate, Georg (Hg.): Forschung für die Wirtschaft 2014, Cuvillier Verlag, Göttingen 2015, S. 209-252.

[8] Meister, R., Gaßner, H.: Kon-zept für die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe (Entwurf Stand 03.12.2014), Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, K-Drs./AG1-16; hier zitiert nach Ueberhorst. Die hier verwendete Bezeichnung Drehbuch darf durchaus auch wörtlich verstanden werden, denn das Konzept enthält auch die Absicht, einen Film drehen zu lassen, mit dem die Kritiker der Kommission, etwa in Lüchow-Dannenberg, angelockt werden sollen.

*

Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juli 2015, Seite 1-6
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
Waldstr. 49, 15566 Schöneiche bei Berlin
Tel.: 030/435 28 40, Fax: 030/64 32 91 67
E-Mail: Strahlentelex@t-online.de
Internet: www.strahlentelex.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2015

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